Ricardo Simian verbindet Hightech und Renaissance. Der Basler entwirft am Computer historische Musikinstrumente und druckt sie dann im 3D-Drucker aus. Vor sechs Jahren sah Simian einen Dokumentarfilm über den 3D-Druck. Bevor er seinen ersten Entwurf machen konnte, brauchte er die Abmessungen der Instrumente. Durch Anfragen an Museen, Ausmessen und in manchen Fällen das Ausleihen der teilweise mehr als 500 Jahre alten Instrumente arbeitete sich Simian ein. Manche Instrumente wurden im Krankenhaus im MRI-Verfahren untersucht, und ein 3D-Bild wurde erstellt. Simian hat neben Musik auch Ingenieurwissenschaften studiert, seine Mathematik-Kenntnisse halfen bei der Erstellung der ersten 3D-Bilder.
Bisweilen berechnet Simian auch den Durchschnittswert von mehreren Instrumenten nach dem Motto: „Keines der Instrumente ist perfekt, und erst ein Durchschnitt grenzt an Perfektion.“ Die Instrumente können an die Kundschaft angepasst werden. Nach rechts oder links gebogene Zinken, Namen und Aufschriften – viel ist möglich. Wenn die Kunden einen Zugang zu einem 3D-Drucker haben, kann der Entwurf zum Beispiel nach Kanada per E-Mail verschickt werden. Auch kann das Instrument „einmal, zweimal, dreimal gedruckt werden, und es kommt immer dasselbe raus“, sagt Simian.
Er hat eine breite Produktionslinie für Zinken, eine Mischung aus einer Trompete und Flöte, die seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr stark gespielt wird. Aber auch Oboen, alte Versionen von Posaunen und Trompeten gestaltet und druckt er. Simians neueste Erfindung, eine klappbare Trommel, hat er nach Frankfurt zu einer Ausstellung geschickt.
Zur Überprüfung der Instrumente ließ Simian professionelle Musiker mit verbundenen Augen die Instrumente hören. Diese sollten sagen, welches der Instrumente gedruckt war. Die meisten hätten es nicht gewusst. „Die Form und die inneren Kurven sind wichtiger als das Material“, erklärt Simian. Jedoch spielt im 3D-Druck das Material eine große Rolle, erklärt Andreas Roser, der Geschäftsführer der Fabb-It 3D Druckerei in Lörrach. Simian lässt seine Instrumente in einer großen Druckerei in Holland verwirklichen, doch kleine Teile wie Mundstücke werden in Lörrach hergestellt. Dort verwenden sie PA-GF, ein mit Glasfaser verstärktes Material, das zu den härtesten Kunststoffmaterialien der Welt im 3D-Druck zählt, wie Roser erklärt.
Nicht nur professionelle Zinkenspieler und Anfänger sind Simians Kunden, sondern auch Musikforscher, die oft mehrere gleiche Instrumente brauchen. „Die Forschungsinstitutionen werden Zeit brauchen, bis sie wirklich checken, was man damit machen kann“, meint Simian. Er habe in den vergangenen Jahren mehr Instrumente produziert und verkauft als alle andere Zinkenbauer auf der Welt zusammen. „Es gibt nicht so viele. Die Produktion läuft nicht in Tausenden pro Jahr, sondern in den Hunderten.“ Simian muss aber keine bestimmte Menge drucken, da er von Stiftungen unterstützt wird. Rund 95 Prozent seiner Kunden befinden sich im Ausland. Er druckt rund 100 Instrumente im Jahr.
Wichtig für die Höhe des Preises sind die Zahl der Klappen und die Komplexität des Instruments. Ein gedruckter Zink kostet 260 bis 550 Euro. Dies sei ein großer Vorteil, findet die Zinkenistin Katharina Haun von der Schola Cantorum Basiliensis, die sich mit historischen Instrumenten befasst. Haun hat Zink studiert und unterrichtet ihr Lieblingsinstrument. Sie spielt die traditionell hergestellten Zinken und die von Simian gedruckten. Diese nimmt sie mit, wenn sie ins Ausland fährt. „Das Holz hat einfach seinen eigenen Willen; das hat der Kunststoff nicht.“ Jedoch betont sie auch, dass „das Instrument aus Holz klanglich im Endeffekt ein bisschen zu bevorzugen ist, aber eben erstaunlich wenig“. Haun kombiniert gerne beide Teile: das traditionelle Mundstück auf dem modernen Zink. Das Preis-Leistungs-Verhältnis von 3D-gedruckten Zinken bezeichnet sie als „sehr, sehr gut“. Ihren Schülern empfiehlt sie ein 3D-gedrucktes Instrument. Damit könne man günstig und schnell beginnen. „Wenn jemand Zink spielen will, muss er womöglich ein halbes Jahr warten, weil das für ihn angefertigt wird, und dann über 1200 Euro dafür zahlen.“
Im Jahr 2017 hat Haun in Kolumbien unterrichtet und konnte zwei Instrumente mitnehmen und dort in der Universität lassen, für Leute, die Interesse am Instrument haben. Ein traditionelles Instrument aus Holz hätte sie nicht so leicht transportieren können, denn es muss geölt und gepflegt werden.