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Wo die Technik zählt

Hystreet weiß sehr genau, wie viele Passanten sich in den Einkaufsstraßen aufhalten.

F.A.Z.

3.12.2020

Justus Raabe

Max-Planck-Schule, Kiel

Bis vor zwei Jahren gab es noch keine Zahlen darüber, wie viele Menschen sich gerade in den Einkaufsstraßen aufhalten. 2016 hat dann die hystreet.com GmbH aus Köln ein Experiment begonnen, um die genaue Anzahl von Passanten zu erfassen – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. „Wir statteten zwanzig Häuser mit Laserscannern aus“, erzählt Nico Schröder. Er ist Geschäftsführer der in Start-ups investierenden AC+X Strategic Investments GmbH und hat mit Julian Aengenvoort das Tochterunternehmen hystreet.com gegründet. Dort gibt es noch weitere vier Kollegen. Bisher sind zusätzliche Standorte in Österreich und der Schweiz geplant.

Die Methode ist seit Mai 2018 auf dem Markt: Die Zahl der Menschen, die eine gedachte Linie auf einer Einkaufsstraße überschreiten, wird mit einer Genauigkeit von 99 Prozent gemessen. An Häuserfassaden angebrachte Laserscanner erzeugen dazu einen Lichtvorhang. Der Zähler ist in der Lage, sowohl die Laufrichtung der Passanten zu bestimmen als auch zwischen Kindern und Erwachsenen zu unterscheiden. „Die Standortpartner bezahlen eine monatliche Gebühr von 100 Euro für unsere Sensoren“, berichtet Schröder. Je höher der Laser aufgehängt wird, desto größer ist der messbare Bereich. „Unser Laserscanner wird oftmals an einer Dachkante positioniert. Bei einem Winkel von 15 Grad und einer Höhe von 20 Metern können wir bis zu 32 Meter weit messen.“

Auf der Internetseite und einer App lassen sich die erhobenen Daten einsehen, für die Nutzer kostenfrei. Es würden keine personenbezogenen Daten erhoben, heißt es. Außerdem sei die Technik augensicher. Bisher sind 63 Städte und 133 Standorte mit der Technik ausgestattet. Am Samstag, dem 21. November, ist die Neuhauser Straße in München mit 69986 Passanten der Top-Standort gewesen. Der Umsatz des Unternehmens liegt laut dem Geschäftsführer im unteren fünfstelligen Bereich. „Es gibt keinen direkten Mitbewerber, der sich auf den öffentlichen Bereich fokussiert“, sagt er.

Zu den Kunden zählen Städte, Kommunen, der Einzelhandel und die Immobilienbranche. Kiel-Marketing e.V. hat schon zwei Laserscanner in der Holstenstraße, Kiels Haupteinkaufsstraße, installieren lassen. „Die Messungen geben nicht nur Auskunft über die Frequentierung der Einzelhandelsgeschäfte, sondern lassen uns auch den Erfolg von Veranstaltungen in der Kieler Innenstadt messen“, erklärt Johannes Hesse von Kiel-Marketing. Bei Veranstaltungen wie dem Kieler Weihnachtsmarkt verdoppele sich die Passantenzahl. Die Zahlen würden auch mit Blick auf städtebauliche Maßnahmen wie den Bau des Kleinen Kiel-Kanals genutzt.

„Darüber hinaus können wir Zusammenhänge zwischen Passantenfrequenz und weiteren Ereignissen herstellen, beispielsweise im Kontext der Corona-Krise und der entsprechenden Schließung der Gastronomie“, erklärt Hesse. Seit der Pandemie verzeichnet hystreet.com einen sprunghaften Anstieg der Nutzer. Laut dem Geschäftsführer lag im Frühjahr die Passantenfrequenz in den Einkaufsstraßen in der ersten Woche nach der Öffnung der Geschäfte bei 39 Prozent des Wertes einer durchschnittlichen Woche vor Corona.

Die Eigentümer der Gebäude, an denen die Scanner angebracht sind, erhalten die erhobenen Daten. Eine Eigentümerin ist die Stadt Kiel. Der Handelsverband Deutschland (HDE) nutzt die Daten ebenfalls. Michael Reink ist Bereichsleiter Standort und Verkehrspolitik des Verbandes und sagt: „Die Passantenfrequenz ist für den Handel ein zentrales Element, um die Güte eines Handelsstandortes zu bemessen.“

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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