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Will man Ärzte wirklich hautnah erleben?

App statt Wartezimmer: Dermanostic behandelt Hautkrankheiten aus der Ferne. Einer der Investoren ist der Nivea-Konzern Beiersdorf.

F.A.Z.

16.12.2022

Mariia-Simona Kirova

Heinz-Berggruen-Gymnasium, Berlin

Lange Wartezeiten in Arztpraxen,  Gedränge in den Wartezimmern und  ärztliche Empfehlungen, die man nicht versteht: Eine Lösung für diese  Probleme verspricht die App Dermanostic, zumindest für den hautärztlichen Bereich. Es geht um Teledermatologie. Man ersetze den Arztbesuch durch einen kurzen digitalen Besuch,  erklärt Laura Siebertz, in der  Dermanostic GmbH für Kommunikation zuständig.  „Drei Bilder von der betroffenen Stelle machen, fünf bis zehn Fragen beantworten und abschließend zahlen“, mehr sei  nicht nötigt, sagt Sie­bertz.  Für 25 Euro bekomme man eine   ärztliche Beratung innerhalb von 24 Stunden; die  durchschnittliche Wartezeit liege bei etwa 4,5 Stunden.  92 Prozent der  Patienten benötigten keinen weiteren Hautarzttermin.

Im  Büro in Düsseldorf gebe es eine Abteilung für das Medical Team, das aus Ärzten und Krankenschwestern bestehe. Sie sitzen vor Bildschirmen und stellen die Diagnosen. Auf einem Behandlungspapier wird die gegebenenfalls  vorliegende Krankheit erläutert und  eine Therapieempfehlung mit dem entsprechenden Rezept gegeben. Dieses kann  nach Hause oder an  die Wunschapotheke geliefert werden. „Dermanostic hat Anfang 2022 bekannt gegeben, 2 Millionen Euro eingesammelt zu haben. Unter den Investoren ist der börsennotierte Nivea-Konzern Beiersdorf“, berichtet Siebertz.

Alle Leistungen des Start-ups werden nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erstellt, wie beim niedergelassenen Hautarzt auch.   Während private Krankenkassen alle Kosten für Onlinebehandlungen und Medikamente übernehmen, tun dies erst wenige gesetzliche Krankenkassen, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens.  

Das 2019 gegründete Unternehmen beschäftigt rund  30 Mitarbeiter und 12 behandelnde Ärzte. Es sind   in  Deutschland zugelassene Fachärzte für Dermatologie, deren Hauptbeschäftigung im Auswerten der Hautbilder besteht. „Weiter lassen wir 15 Prozent der Patientenfälle von einem Expertengremium, dazu gehören auch anerkannte Professoren, unabhängig beurteilen“, berichtet Siebertz.

 Der Umsatz habe  sich  2021 gegenüber 2020  verzehnfacht. „Seit Markteintritt im April 2020 bis April 2022 haben wir schon  über 60 000 Patienten behandelt, die unseren Behandlungsservice als Bezahlleistung genutzt haben.“ Zu Beginn der Corona-Krise habe man 24 000 Behandlungen in einer dreimonatigen Pilotphase kostenfrei durchgeführt.  Damit wollte  man Bewertungen etwa im App Store sammeln.

Die vier Gründer, die Mediziner Ole Martin, Alice Martin, Estefanía Lang und Patrick Lang, kamen auf die Idee zu Dermanostic durch Familienmitglieder und Freunde. Sie hätten ihnen  ständig Fotos geschickt und gefragt,  was das sei und was man dagegen tun könne. 

Auch bei der  Formel  Skin Derma GmbH aus Berlin kann man sich  hautärztliche Beratung online einholen. Das Angebot ist  jedoch mehr darauf ausgelegt, mit eigenen Produkten langfristig zu behandeln. Für einen Monatsbeitrag von 49 Euro erhält man beispielsweise  Pflegeprodukte und eine  ärztliche Betreuung. App-Doc aus Heidelberg und die  Onlinedoctor 24 GmbH aus Hamburg sind ebenfalls  auf Teledermatologie spezialisiert. Die  Wartezeit betrage maximal  48 Stunden, und die Kosten für eine Behandlung lägen bei knapp 39 Euro, heißt es auf der Homepage von Onlinedoctor 24.

Bei Derma2go  aus Zürich besteht  die Wahl zwischen einer „Standardanfrage“ für 35 Euro, einer „dringlichen Anfrage“ für 49 Euro und einer „Expertenbehandlung“ für 73 Euro.   Zur Stellung von Dermanostic in der teledermatologischen Branche sagt  Ole Martin: „Wir sind keine offene Plattform, sondern eine zentrale Hautarztpraxis.“

Im Internet  ist Dermanostic breit vertreten. Auf Tiktok hat man mehr als 230 000 Abonnenten,  auf Instagram  25 000. Ko-Gründerin Alice Martin steht  vor der Kamera und klärt über  dermatologische Themen auf, zum Beispiel, wie sich die Ernährung auf die Haut auswirkt. Die Zielgruppe in den sozialen Medien entspreche den Patienten in der App, sagt  Siebertz. „Es sind dennoch auch viele Menschen über 60 Jahre auf das Start-up aufmerksam geworden, weil sie unter anderem  aufgrund der Corona-Pandemie die Notwendigkeit gespürt haben.“

Die 27 Jahre alte  Ilayda Korkmaz hatte wegen einer Gesichtsbehandlung mit Lasertherapie starken Ausschlag. „Die Ärzte von Dermanostic haben mir innerhalb von einer Stunde Salben verschrieben und mir geantwortet“, erzählt sie. „Die Rezepte gingen automatisch zu der von mir angegebenen Apotheke. Tage später habe ich noch einige Fragen gehabt, die direkt beantwortet wurden.“

Das Hauptziel des Unternehmens für die folgenden zwei Jahre ist die Expansion ins Ausland. Englisch gehört schon  zu den angebotenen Sprachen, es sollen  weitere dazukommen. Ein großes Ziel für die etwas fernere Zukunft ist die  Auswertung der Bilder mithilfe Künstlicher Intelligenz. Außerdem erwartet das Unternehmen eine zeitnahe Gesetzesänderung, die die Ausstellung der Kassenrezepte ermöglichen würde. 

 

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