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Wie man ständige Begleiter fernhält

Schnelles Internet und Wettervorhersagen: S4 stellt Kleinsatelliten für viele verschiedene Zwecke her.

F.A.Z.

2.02.2023

Jonas Merten

Inda-Gymnasium, Aachen

Die Smart Small Satellite Systems GmbH aus Würzburg, die sich auch S4  nennt, stellt Kleinsatelliten in der  ungefähren Größe eines  Schuhkartons her; sie wiegen  zwischen einem und  24 Kilogramm. Die Satelliten fertigen  größtenteils  Roboter  nach dem  Wunsch des Auftraggebers.   „Wir sind für die nächsten drei Jahre komplett ausgebucht“, berichtet der Raumfahrttechnik-Professor und Mitgründer von S4 Klaus Schilling. Derzeit  produziert man jeden Monat im Durchschnitt einen Kleinsatelliten.   Die Preise der standardisierten Modelle variieren je nach Fähigkeiten und verbauten Komponenten stark und liegen   inklusive der In-Orbit-Platzierung zwischen 300 000  und 4 Millionen Euro.

Im Vergleich zu den tonnenschweren geostationären Satelliten in rund 36 000 Kilometer Höhe sind die sogenannten Nano- und Picosatelliten  deutlich leichter zu transportieren.  Die geringe Distanz von 300 bis 600 Kilometern  zu ihren Planstellen auf der Erde bietet große Vorteile und macht sie  für einen breiteren Kundenkreis attraktiv.

Bei  der  „NetSat“-Mission im September 2020 demonstrierte S4  zusammen mit dem Würzburger Zentrum für Telematik erstmals die Teamfähigkeit der Kleinsatelliten. Die vier Nanosats tauschen Daten zu Position und Manövern untereinander aus, sodass sie nicht einzeln von der Erde aus gesteuert werden müssen. Solche Absprachen zwischen mehreren Exemplaren nennt man Formation. „Kleinsatelliten-Formationen macht sonst keiner in Deutschland“, erklärt Schilling, der schon bei interplanetaren Missionen wie Huygens und Rosetta  Verantwortung trug.

Trotz der geringen Nutzlast sind die Kleinsatelliten  nicht zu unterschätzen. Wegen  der kurzen Entfernung zur Erde können manche  eine schnelle Internetverbindung für bedürftige Gebiete herstellen. Außerdem  werden ferngesteuerte Prozesse wie Drohnenflüge und autonomes Fahren durch die Echtzeitkommunikation zur Erde ermöglicht. Hinzu kommen  Möglichkeiten, Klima und Natur zu erforschen. Neben komplexen Wolkenanalysen zur Wettervorhersage werden die Satellitenformationen von S4 auch im Biomonitoring eingesetzt. Zum Beispiel wird ein Waldgebiet  genau beobachtet, damit  Waldbrandgefahren frühzeitig erkannt werden können. Kleinsatelliten in einem niedrigen Orbit sind auch für hochsichere Geldüberweisungen mittels Quantenschlüsselverteilung geeignet.

Der Staat ist ein  Ankerkunde des Unternehmens. Das Interesse  privater Auftraggeber,  zum Beispiel aus der Land- und Forstwirtschaft, weckt man durch Messen und Vorträge.  Eine Erhebung des Bundeswirtschaftsministeriums prognostiziert die Inbetriebnahme von 15 000 Satelliten bis 2030;  90 Prozent davon seien Kleinsatelliten. Nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) liegt die  Zukunft der Raumfahrt immer mehr in der Hand von privaten Unternehmen. S4 ist Mitglied in der „New Space Initiative“ des BDI.

 Aufträge haben die Würzburger in der jüngeren Vergangenheit aus der Tschechischen Republik  und aus München sowie von etlichen Institutionen in Deutschland wie der Max-Planck-Gesellschaft erhalten. In den kommenden beiden Jahren will  S4 Aufträge für 24 Satelliten verwirklichen.  Nach Schilling gibt es in Deutschland weitere Gründer, die in der Branche Fuß fassen wollen. S4 sei jedoch für den ersten kommerziellen deutschen Kleinsatelliten verantwortlich.

Ein Auftrag, dessen Umsetzung noch in der etwas ferneren  Zukunft liegt, ist das Projekt „Real Space Race“.  S4 stellt Kleinsatelliten für ein frei zugängliches Wettrennen im Weltall unter mehreren sogenannten Racern bereit. Die speziell angepassten Satelliten sollen im Zeitraum von ungefähr einer Woche per Smartphone navigierbar sein. Ihre Rennstrecke folgt dem  Kurs der Apollo-13-Mission, einmal um den Mond herum. Der Urheber der Idee und einer der zwei Hauptbeteiligten des Projekts, Matthias Stahnke, sagt,  das Ziel sei,  „den Weltraum für alle zu öffnen“.  Stahnke schätzt den Preis der Mission auf 50 Millionen Euro, S4 erhalte einen siebenstelligen Betrag.  

 S4 ist  2017 aus dem Würzburger Zen­trum für Telematik heraus gegründet worden.  Die Gründer und Gesellschafter sind hauptsächlich Professoren und Absolventen.  Außerdem  gehören dem Zentrum für Telematik  Anteile. Man nutze die Fachexpertise der Gesellschafter und  sei in der Raumfahrt gut vernetzt, sagt  Schilling. S4 beschäftige rund 50 Personen  und stelle „sehr intensiv“  ein, berichtet Schilling, der Sprecher der Gesellschafterversammlung ist.  Der Gesamtumsatz  sei  2022 „kontinuierlich auf über 3 Millionen Euro gestiegen“. Das entspreche einer  knappen Verdopplung.

 

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