Manche verwechseln uns mit Neuschwanstein", sagt Anja Hoppe, die Verwalterin der Burg Hohenzollern. Der Ort ist ein Publikumsmagnet. "Wir brauchen nur die Tür aufmachen, und schon laufen die Leute rein." Seit 12 Jahren hat Hoppe das Kommando auf der Burg. Sie konnte sich gegen 100 weitere Interessenten durchsetzen. Zuvor hatte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen sowie Archäologie studiert und darin promoviert. Nun befindet sich ihr Arbeitsplatz in 855 Meter Höhe.
Die auf 1267 datierte und 1850 zum letzten Mal wieder aufgebaute Burg thront auf der Spitze des Hohenzollern-Berges. Sie liegt auf der Schwäbischen Alb, oberhalb des schönen Ortes Bisingen, und ist rund 60 Kilometer von Stuttgart entfernt. Sie ist die Stammburg des Fürstengeschlechts und ehemals regierenden preußischen Königs- und deutschen Kaiserhauses der Hohenzollern. Leider steht sie in einem Erdbebengebiet. Ein schweres Beben richtete 1978 große Schäden an, man benötigte acht Jahre für deren Beseitigung.
In den Innenräumen werden Gemächer, Kunstwerke, Schmuckstücke, Kleider und Antiquitäten zur Schau gestellt. Zu besichtigen sind beispielsweise der mit einem Einschussloch versehene Uniformrock Friedrichs des Großen und seine Tabakdose, die ihm der Sage nach das Leben rettete. Da diese offenbar unversehrt ist, hat er wohl eher seinem Windhund sein Leben zu verdanken.
Mit 350 000 bis 400 000 Besuchern in normalen Jahren zählt die Burg zu den beliebtesten Touristenattraktionen Deutschlands. Man erzielt nach Hoppes Angaben einen Umsatz von rund 5 Millionen Euro im Jahr. Die Haupteinnahmequelle sind die Führungen. Hinzu kommen die Gastronomie, zwei Shops, ein kostenpflichtiger Parkplatz und Veranstaltungen wie Hochzeiten und Dreharbeiten. Die Burgherren Georg Friedrich Prinz von Preußen und Karl Friedrich von Hohenzollern nehmen traditionell keinen Cent davon in Anspruch.
"Wir sind ein Kulturdenkmal nationaler Bedeutung", sagt Hoppe. Deshalb könne man für Restaurierungsmaßnahmen Fördergeld beantragen. So wird gerade die Außenmauer renoviert. Ein Eigenanteil von 50 Prozent bleibt dennoch bestehen. Zuschüsse für den reinen Burgbetrieb gibt es nicht, sie ist privat und eine GmbH. Gehälter und kleine Reparaturen werden mit den Einnahmen bezahlt. "Und das ist jetzt natürlich fatal in dieser Zeit", sagt Hoppe. In der Corona-Zeit durfte die Burg bisher nur für fünf Monate offen sein; ein Wegfall von rund 250 000 Besuchern ist zu verkraften, während Kosten wie Strom, Wasser, Gas und Mäuseschutz weiter anfallen. Rund 60 000 bis 80 000 Euro müssen weiterhin jeden Monat bezahlt werden, wie Hoppe berichtet.
Sechs Lastwagen voller Rosen für ein Paar aus China
Die Zuschüsse durch Corona decken zwar manche Kosten, die Angestelltengehälter gehören aber zum Beispiel nicht dazu und müssen aus den Rücklagen finanziert werden. Die Betreiber leben derzeit von Angespartem. Außerdem fallen manchmal ungewöhnliche Kosten an, zum Beispiel bei einem Wasserschaden. "Oder wir müssen mal einen Siebenschläfer jagen", erzählt Hoppe. Von den 75 festen Angestellten sind derzeit nur sechs im ständigen Einsatz. 145 saisonale Arbeitskräfte mussten wegen Corona nach Hause geschickt werden. In normalen Zeiten sind 40 Personen für die Bewirtung zuständig.
"Dass noch keine Geburt stattgefunden hat, finde ich erstaunlich", sagt Hoppe, schließlich seien manche Besucherinnen hochschwanger. Die älteste Besucherin war eine 99-jährige Amerikanerin. Wer auf der Burg einen Heiratsantrag machen will, muss nur eine Eintrittskarte für 16 Euro bezahlen. Mehr kostet eine Hochzeit, von denen auf der Burg ungefähr zwei im Monat stattfinden. Kommen nur Braut und Bräutigam in die Kapelle, werden laut Hoppe etwa 1500 Euro fällig.
Sie berichtet von japanischen Hochzeiten: Das Paar kommt allein und lässt alles filmen - für die spätere traditionelle Hochzeitsfeier zu Hause. Zusammen mit einer Dolmetscherin wird es vor Ort frisiert und eingekleidet. Da die Braut mit Schlafmangel, Hunger und Höhenunterschied zu kämpfen hat, ist ein Aufenthalt von 20 Minuten im "Bräuteohnmachtsbett" inbegriffen.
Die bisher kurioseste Anfrage war eine Hochzeit, bei der das in China durch eine Soap bekannte Paar trotz eines sehr hohen Preises die Burg mieten wollte. Sechs Lastwagen voller Rosen waren schon an der Burg angekommen, als Braut und Bräutigam noch nicht einmal ihre Visa hatten. "Das Brautpaar wollte eigentlich mit einer Kutsche hochfahren, das hat aber nicht funktioniert, weil so viele chinesische Jugendliche aus den Hecken sprangen, dass die Pferde zu scheu geworden sind", berichtet Hoppe.
Das spektakulärste Ereignis war aber, als der Hollywood-Filmemacher und Regisseur von "Pirates of the Caribbean", Gore Verbinski, höchstpersönlich dastand und die Burg als Kulisse haben wollte. Für Dreharbeiten des Films "A Cure for Wellness" war die Burg zwei Wochen lang gesperrt, 500 Filmschaffende waren da. "Die schönsten und spektakulärsten Burgaufnahmen" sind laut Hoppe allerdings im Film "Global Player" von Hannes Stöhr zu sehen. Viele Filmanfragen werden aber auch abgelehnt, da die Burg weder eine Ritter- oder Mittelalterburg ist noch als Geister- oder Horrorschloss dargestellt werden soll. "Wir sind nicht Disneyland", betont die Burgverwalterin.
Sternschnuppennacht, Kino, Weihnachtsmarkt
Bei Gore Verbinskis Mystery-Thriller waren aufgrund der kompletten Schließung die Besucherentgelte von zwei Wochen im Mietpreis enthalten. Meistens versucht man aber, Besucherströme und Drehpläne parallel laufen zu lassen. Für die Gäste ist das interessant. "Tausend Leute waren auf dem Hof, einer sagte, ,jetzt absolute Ruhe', und alle waren still, die haben den Kindern den Mund zugehalten", erinnert sich Hoppe.
Dokumentationen sind gerne gesehen, weil sie Werbung für die Burg machen. In ihnen werden Zuschauer auch auf Veranstaltungen aufmerksam gemacht wie die Sternschnuppennacht, den Weihnachtsmarkt, den Schlosserlebnistag und das Open-Air-Kino. Durch all das macht die Pandemie zurzeit einen Strich durch die Rechnung, obwohl für Juni bis Oktober ein Hygienekonzept entwickelt worden war. Führungen fielen weg und wurden durch Apps ersetzt. Zur Verhinderung von Menschenansammlungen war nur ein bestimmtes Besuchskontingent erlaubt. Die Gastronomie wurde nach draußen verlegt.
Weil der Weihnachtsmarkt nicht mehr stattfinden durfte, erfand Hoppe den "königlichen Adventszauber". Die geschmückte Burg wurde mit Licht und Simulationen bestrahlt. Nun hofft man auf dieses Jahr. Für die weitere Zukunft wünscht sich Hoppe, dass die Burg auch in 100 Jahren noch besucht werden kann. Denn die Menschen suchten immer nach ihren Wurzeln.
Jessica Dekold
Berufliches Schulzentrum, Hechingen