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Sogar Clowns haben die Nase vorn

An Europas größter Clownakademie in Konstanz kann man sich in zwei Jahren zum Berufsclown ausbilden lassen.

F.A.Z.

16.06.2023

Seyfeddin Aslanoglu

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Wer ein   professioneller Clown werden möchte, kann eine Clownschule besuchen.   Eine davon ist die Tamala Clown Akademie in Kon­stanz. Im  Zweiten Weltkrieg wurde das Betreiben von Clownschulen verboten, und so ist die  Konstanzer Schule Deutschlands erste Clownakademie, die nach dem Krieg  gegründet wurde. Und sie  ist seit  40 Jahren erhalten geblieben, sagt der Gründer Udo Berenbrinker. Nach eigenen Angaben  ist man  Marktführer in Europa und international bekannt. Berenbrinker gründete die Schule mit seiner  Partnerin Jenny Karpawitz. Beide kommen von der Schauspielerei und sind im Ausland auf den Clown und seinen  Humor gestoßen. Sie fingen an, den  Clown zu spielen, und bemerkten: „Es gibt  in Deutschland kein Wissen über Clownsarbeit.“

Das wollten sie  ändern, deshalb   eigneten  sie sich zunächst selbst Wissen in  Clownschulen im Ausland an.   Sie entwickelten  eigene Ideen und schrieben ein Curriculum. Im Jahr 1983 waren die beiden so weit, Deutschlands erste Clownakademie zu gründen. Jenny Karpawitz ist zudem die erste Frau, die  in Deutschland als Clown aufgetreten ist.

Das Unternehmen beschäftigt zwanzig Personen,  zum Beispiel  Spieler auf Veranstaltungen, Gesundheitsclowns,   Trainer und Büromitarbeiter. Es gibt jedes Jahr vier Ausbildungsgruppen mit jeweils 15 bis 30 Teilnehmern. Man bietet eine  Profiausbildung zum Clown an;  18 Personen  lassen sich jährlich  ausbilden. Und es gibt eine Kompaktausbildung, in der man den Auftritt auf Veranstaltungen und Feiern lernt. Weitere Angebote sind  die  Ausbildungen zum Gesundheitsclown und zum Humortrainer. Man führt auch  offene Seminare durch, die  jährlich von jeweils 20 bis 30 Personen besucht werden. „Wenn man das alles hochrechnet, müssten das pro Jahr 400  bis 800 Teilnehmer sein“, sagt  Berenbrinker. Im Sommer veranstaltet man zudem die  internationale Sommerakademie. An ihr nehmen Trainer  aus der ganzen Welt teil, um sich in ihrem Beruf weiterzuentwickeln.

  Nach einer rund zweijährigen Ausbildung, die man nebenberuflich absolvieren kann, wird man als Berufsclown anerkannt. In Deutschland existiert  zwar keine feste Berufsbezeichnung für den Clown. Doch  ist es ratsam,  diese zweijährige Ausbildung zu absolvieren, wenn man als Gesundheitsclown arbeiten möchte.  Laut Berenbrinker erkennen bestimmte Vereine und Institutionen nur die Leute an, die diese  Ausbildung abgeschlossen  haben.

Die zweijährige Ausbildung kostet 5000 Euro und  beinhaltet  in der Tamala Clown Akademie 450 Pflichtstunden. Zu Beginn werden  die Teilnehmer erst einmal körperlich fit gemacht. „Für die Straße und Bühne müssen sie konditionell und körperlich in einen Topzustand kommen. Der Körper ist dort das Ausdrucksmittel“, erklärt  Berenbrinker. Menschen, die  wenig Bewegung im Alltag haben, brauchen dafür etwas Zeit.

„Der zweite Punkt ist, einfach anders zu sein“, berichtet Berenbrinker.  Man müsse sich im Klaren sein, dass man sich in diesem Job von dem Menschen unterscheide, der man sonst sei. Und man müsse erkennen,  dass man anders sein dürfe, da dies der Job sei. Das fällt vielen am Anfang  schwer. „Die Persönlichkeitsarbeit ist also auch ein ganz großer Bestandteil.“  Außerdem muss man eine  gewisse Persönlichkeit besitzen, man sollte  präsent und selbstbewusst sein. „Jemand, der immer nur flüstert und Angst hat, sich zu zeigen –  das funktioniert dann gar nicht.“

Die ausgebildeten Clowns arbeiten vor allem im Sommer. Viele Unternehmen und Städte  engagieren Clowns. Sie treten auf Straßenfesten, Sommerfesten, bei  Tagen der offenen Tür und Unternehmensevents auf.

Die Corona-Pandemie hat die Akademie stark getroffen.  „Ohne die Unterstützung durch den Staat hätte man sich die Kosten nicht leisten können“, sagt Berenbrinker. Im Jahr 2020 erzielte die Clownschule Tamala Center einen Gesamtumsatz von knapp 184.000  Euro,  2021 waren es gut  207.000  Euro. Im Jahr 2022, in dem es viele Lockerungen gab, sah es wieder besser aus. „Jetzt bewegen wir uns auf den alten Status zurück“, sagt Berenbrinker.  Seit ungefähr diesem Sommer seien die Teilnehmerzahlen sogar höher als vor der Corona-Zeit.

 Tamala hat nach eigenen Angaben in Süddeutschland einen Marktanteil von 80 Prozent, in ganz  Deutschland von  60 bis 70 Prozent. Es  gibt  zwei  Clownschulen mit ähnlichem Konzept.   „Die Gesundheitsclowns   in den Kliniken  kommen fast ausschließlich von Tamala“, berichtet Berenbrinker.  Schweizer und Österreicher besuchen  die Akademie, weil es in ihren Ländern keine Möglichkeit gibt,  eine solche Ausbildung zu machen.

Die Art des Unterrichts hat man  weiterentwickelt. Wichtig ist  die Erkenntnis, dass zum Clown weitaus mehr als die Verkleidung gehört. „Um Clown zu sein, muss man fähig sein,  anders zu denken, und eine andere Haltung zur Welt haben“, erklärt Berenbrinker. Der Ausbildung hat man  eine  Therapie- und Coachausbildung hinzugefügt, um die Teilnehmer tiefgründig mit der Figur des Clowns zu verbinden.  Aufgrund seiner Film- und Theatererfahrung hat Berenbrinker  eine eigene Methode geschaffen,  mit der die  schauspielerischen Fähigkeiten der Schüler   entwickelt werden.  „Das macht  den Marktwert von Tamala bis heute aus.“

Berenbrinker wünscht sich eine bessere Anerkennung des Clownberufs   in Deutschland. „Wir sind alle privatwirtschaftlich organisiert.“ Außerdem wünscht er sich, dass die Gesundheitsclown-Ausbildung   vom Staat finanziert wird. 

 

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

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