Sich aus einem ins Wasser abgestürzten Hubschrauber befreien, von einer Windkraftanlage abseilen oder aus einem brennenden Raum retten: Solche Sicherheitstrainings bietet die Offtec Base GmbH & Co. KG aus Enge-Sande in Schleswig-Holstein auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände an. Es gibt maritime Trainings im extra dafür gebauten Maritimen Trainings-Centrum (MTC) genauso wie Technik-, Höhenrettungs-, Brandbekämpfungs- und Erste-Hilfe-Trainings. Eine Besonderheit ist, dass alle Trainings an diesem einen Standort durchgeführt werden können. Nach eigenen Angaben ist Offtec das erste Unternehmen der Branche, das einen Full-Service, inklusive Unterbringung und Verpflegung, anbietet. Man unterhalte zudem das größte Aus- und Fortbildungszentrum zu den genannten Trainingsbereichen in Europa.
„Wir sind relativ gut darin, aus den Dingen, die wir hier vorgefunden haben, etwas zu machen“, sagt Dirk Carstensen, Leiter der Ausbildung bei Offtec. So wurden Bunker zu Trainingsplätzen umgebaut, in denen zum Beispiel der Umgang mit Fettexplosionen geübt wird. Aus Kellerräumen wurden komplizierte Pfade, auf denen Personen bei Kunstnebel und Dunkelheit kriechen.
Das MTC ist eine Halle, in der Bedingungen wie auf See simuliert werden. Im 15 mal 23 Meter großen und 5,5 Meter tiefen Becken können Wellen von 2 Meter Höhe erzeugt werden. Außerdem sorgen Nebelmaschinen und Soundanlagen für Realitätsnähe. Im MTC kann man lernen, wie man bei Gefahr auf dem Meer überleben kann. Man übt zum Beispiel das Umdrehen einer Rettungsinsel im Wasser. Ein „GWO Basic Safety Training Sea Survival“ dauert einen Tag und kostet netto gut 500 Euro.
Ein anderes Training heißt abgekürzt HUET, Helicopter Underwater Escape Training. Dabei lernt man, sich aus einem ins Wasser abgestürzten Hubschrauber zu befreien. Geübt wird mit einer Helikopterimitation, die in verschiedenen Winkeln ins Wasserbecken gelassen wird. Dieses Training kostet in der Regel 665 Euro. Wie hoch der Preis ist, hängt auch vom benötigten Personal ab. Beim HUET werden zum Beispiel immer ein Rettungssanitäter, Kranführer und drei Taucher benötigt.
Im Capsize-Training, das zum Beispiel Spezialkräfte der öffentlichen Hand nachfragen, werden Notsituationen geübt, die in Verbindung mit einem Festrumpfschlauchboot stehen. Man lernt, sich aus einem auf dem Kopf liegenden Boot zu befreien. Das MTC ist auch schon von Filmstudios genutzt wurde. So diente es für den Actionthriller „Without Remorse“ als Kulisse.
Kunden von Offtec sind in der Regel Geschäftskunden. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) gehört dazu. Sie nutzt die Trainings für die Aus- und Weiterbildung ihrer rund 1000 Seenotretter, vor allem das Capsize-Training, jedoch auch das HUET. Letzteres kann man auch anderswo in Deutschland absolvieren. Jedoch gibt erst laut DGzRS-Trainer Guido Förster keinen anderen deutschen Anbieter, der das Capsize-Training anbietet. „Häufig bieten wir die beiden Trainings in einem Block an.“
Offtec hat viele Kunden aus der Windbranche. Man verfüge über einen eigenen Trainingswindpark mit sechs realen Offshore-Anlagen, die bis zu 180 Meter hoch seien, betont Geschäftsführer Marten Jensen. Kunden üben zum Beispiel die Rettung mit einem Helikopter. Vor dem praktischen Teil findet der theoretische Teil statt. „Auf den Knopf drücken und die Welle anmachen kann jeder, aber die Leute mental vorbereiten, das ist die Kunst“, erklärt Ausbildungsleiter Carstensen. Ein Sicherheitstraining muss sicher stattfinden. „Es muss für uns immer kontrollierbar bleiben“, sagt Carstensen. So sind die Sitzgurte an den Sitzen der Helikopterimitation so modifiziert worden, dass Taucher sie einfach öffnen können.
Regelmäßige Einnahmen erzielt Offtec durch Verträge mit Großkunden, die regelmäßig trainieren. Spezialkräfte der öffentlichen Hand üben dann zum Beispiel zwei- bis dreimal im Monat. Da die Gültigkeit der Lizenzen, die bei den Sicherheitstrainings erworben werden, irgendwann auslaufen, nehmen viele Kunden wiederholt an einem Training teil. Die Gültigkeit der meisten Zertifikate beträgt ein bis zwei Jahre. Das Training, das am meisten nachgefragt wird, ist das Höhenrettungs-/Höhensicherheitstraining (Refresh Training), auch weil das Zertifikat nur ein Jahr gültig ist.
Offtec bietet sowohl von der Global Wind Organisation (GWO) zertifizierte Trainings an als auch Trainings, die nach der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zertifiziert sind. Dies hat zur Folge, dass die Trainings immer wieder leicht verändert und angepasst werden. Meistens werden das GWO- Zertifikat für internationale Tätigkeiten benötigt und das DGUV-Zertifikat für Tätigkeiten in Deutschland. Nach Angaben von Geschäftsführer Jensen hat Offtec seit dem Jahr 2014 mehr als 34 000 Zertifikate erstellt; im Jahr sind es rund 6000 Zertifikate.
Offtec beschäftigt 50 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug laut Geschäftsführung im vergangenen Jahr rund 2 Millionen Euro. Die Corona-Pandemie hat zu Einbußen geführt; das Unternehmen schätzt, dass sie im unteren bis mittleren sechsstelligen Bereich liegen. Da die Trainings in den Bereich der Erwachsenenbildung fallen, durften sie teilweise nicht in Präsenz stattfinden.
Die Windbranche unterliegt laut Julius Petersik vom Bundesverband Windenergie einem großen Einfluss der Politik. So sei der Ausbau der Windenergie in den vergangenen Jahren unter der Großen Koalition kaum vorangekommen. „2019 gab es einen Tiefpunkt, seitdem erholen sich die Zubauzahlen erst langsam.“ Offtec spürte dies. Laut Carstensen waren von 2017 bis 2019 die Grundkurse weggebrochen.
Bleibt die Frage, warum man ein solches Trainingszentrum in Nordfriesland im eher abgelegenen Ort Enge-Sande errichtet hat. Geschäftsführer Jensen ist überzeugt, dass die Energiewende nur mit großen Offshore-Anlagen zu schaffen ist. Dafür brauche man viel qualifiziertes Personal, das bereit ist, unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten. Doch auch in dieser Branche gibt es einen Fachkräftemangel. Deshalb hat Offtec einen Ort gesucht, an dem man alle nötigen Trainings in einer Woche absolvieren kann.
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