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Die Pfadfinder hierzulande sind stolz auf eine Zeltart, die es fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum gibt.

F.A.Z.

3.09.2020

Christine Jost

Albert-Einstein-Gymnasium, Frankenthal

Schwarzzelte, und damit verbinde ich vor allem die Pfadfinderei, ziehen eine unglaubliche Vielzahl an einzigartigen jungen Menschen an“, sagt der 18 Jahre alte Daniel Weitsch, der Stammesführer des Pfadfinderstamms John F. Kennedy aus Frankenthal. Schwarzzelte der Pfadfinder sind Kohten und Jurten. Sie unterscheiden sich von den traditionellen Schwarzzelten der Nomaden, denn sie werden anstatt aus Tierhaaren aus schwarzem Baumwollmaterial hergestellt. Heute gibt es Schwarzzelte auch in anderen Farben. Abhängig von der Anzahl und Art der verwendeten Zeltplanen, wie Trapez-, Rechteck- und Quadratplanen, kann man die Zelte in verschiedenen Bauweisen zusammenstellen.

Die Kohte wurde um 1930 von Eberhard Koebel auf Basis der Zeltform der finnischen Samen entwickelt. Die erste Muster-Kohte wurde aus weißem Segeltuchstoff gefertigt. Koebel benutzte nie den Begriff Schwarzzelt und kannte auch das Schwarzzelt der Nomaden nicht. Die Bezeichnung kam von der nahezu ausschließlichen Verfügbarkeit von schwarzen Zeltplanen nach dem Zweiten Weltkrieg. Von da an wurde die mittlerweile wetterbeständige Kohte von den Pfadfindern und anderen Gruppen der deutschen Jugendbewegung übernommen und wird auch heute hauptsächlich im deutschsprachigen Raum verwendet.

„An vorderster Stelle steht hier die Tradition. Das größte Überbleibsel aus der Zeit der Wandervögel oder anderer bündischer Gruppierungen findet sich im Liedgut und in den Zelten“, sagt Pfadfinder Weitsch. „Das fällt vor allem in internationalen Lagern auf: Die deutschen Pfadfinder sind die einzigen, die solche Zelte benutzen, während andere eher Plastikzelte benutzen“, fügt Andreas Hollfelder, der Geschäftsführer des Stammes John F. Kennedy, hinzu.

Es gibt einige Hersteller für Schwarzzelte in Deutschland, darunter die Unternehmen Tortuga, Seegler und Outbreak. Die Preise liegen für Kohten zwischen 500 und 700 Euro und für Jurten bei 1400 bis 2300 Euro. Stefan Reuss ist Geschäftsführer der Tortuga GmbH aus Reichenau-Waldsiedlung. „Mit neun Jahren habe ich das erste Mal in einem Zelt übernachtet“, erzählt er. Seine Mutter ist Schneiderin und Modedesignerin, er wuchs quasi zwischen Nähmaschinen auf. Reuss arbeitet seit zwei Jahren bei Tortuga, mit sechs weiteren Mitarbeitern. Tortuga verkauft an Großhändler und Outdoorgeschäfte. „Die am meisten verkauften Produkte sind die Schwarzdoppelzelte“, sagt Reuss.

„Es dauert bis zu 1000 Minuten, bis ein Zelt fertiggestellt werden kann“, berichtet er. Die Herausforderung sei, eine gute Stoffqualität zu finden. „Schwarzzelte halten bei regelmäßigem Gebrauch etwa zwei bis drei Jahre.“ Tortuga erzielte 2018 einen Umsatz von 2 Millionen Euro. „Die Umsätze 2018 und 2019 sind ähnlich. 2020 wird jedoch ein signifikanter Einschnitt, da alle Zeltlager abgesagt wurden“, berichtet Reuss. „Im Bereich Schwarzzelte sind wir Marktführer“, sagt er. Den Marktanteil schätzt er auf rund 80 Prozent. Künftig will man die Marke in ganz Europa etablieren.

Zu den größten Konkurrenten zählt das Unternehmen W. H. Seegler Produkte aus Ruppach-Goldhausen. Geschäftsführer Werner Seegler war Messermacher, bevor er sein Sortiment um Schlafsäcke und vor allem Schwarzzelte erweiterte. Er beschäftigt zwanzig Näher und vier weitere Mitarbeiter. „Ich war selbst 35 Jahre sehr aktiv bei den Pfadfindern“, erzählt er. Manchmal helfe er noch bei der Ausbildung von Gruppenleitern aus.

Das Sortiment besteht aus mehr als 5000 Produkten, darunter sind auch Messer, Seile und Bekleidung. Auf Kundenwunsch hat man schon Duschen und Fensterabteile in die Zelte eingebaut. „Persönlich bevorzuge ich rote Planen gegenüber den traditionellen schwarzen Planen“, sagt Seegler. Zu den am meisten verkauften Produkten gehören die Schlaufenjurte und die Rainbow-Kohte. Diese verkauft Seegler vor allem an historische Vereine, Privatnutzer und für Edelcamping. Der Umsatz liegt nach Seeglers Angaben im siebenstelligen Bereich.

Das Unternehmen Outbreak e.K. aus Ottobrunn wurde 1997 von Robert van Iterson gegründet. Nach seiner ersten Ausbildung begann van Iterson seine Leidenschaft für die Pfadfinderei durch den Verkauf von Taschenmessern zu finanzieren. Aktuell habe er zwei Mitarbeiter, berichtet er. „Bei Schwarzware ist unser am besten verkauftes Produkt die 6-Meter-Jurte aus unserer Eigenproduktion.“ Man bietet auch Kohten und Jurten der Traditionsmarke Stromeyer an. „Zu unseren Kunden gehören Pfadfinder, Feuerwehren, Handwerker, Schausteller, große und kleine Firmen und Privatleute“, sagt van Iterson.

Es gibt auch Weißzelte aus weißem Stoff. Schwarzzelte hätten aber Vorteile, sagt Pfadfinder Andreas Hollfelder. „Sie halten bei guter Pflege bis zu 30 Jahre.“ Ein wichtiger Vorteil sei zudem, dass man in ihnen Feuer machen könne, da es in der Mitte eine Öffnung gebe. Bei Regen werde das Loch mit einer Plane abgedeckt. Für Daniel Weitsch sind Schwarzzelte ein Alleinstellungsmerkmal – „eine Besonderheit, die die Mentalität der deutschen Jugendbewegung geprägt hat“. Wegen der schwarzen Farbe wird es in den Zelten automatisch warm, wenn die Sonne scheint. Falls es zu warm wird, kann man eine Verknüpfung von zwei Planen öffnen, ohne dass das Zelt zusammenbricht. Man kann die Zelte schnell ab- und aufbauen. Ein großer Nachteil sei jedoch, dass sie schwer und alles andere als platzsparend seien, sagt Weitsch.

„Der Vorteil von Weißzelten ist, dass sie sich nicht so schnell aufheizen“, berichtet Hollfelder, „jedoch werden diese im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) auf Grund von Traditionen nicht genutzt.“ Das sei in der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) anders. Sie schwörten auf die kühleren Zelte. Die Weißzelte sind zwar oft deutlich größer als Schwarzzelte, eignen sich durch ihr Format und Gewicht jedoch nicht zum Haijken (wandern über mehrere Tage). Sie bestehen nämlich aus einem kompletten Stoff, Schwarzzelte werden aus mehreren Zeltbahnen zusammengebaut. VCP und DPSG gehören zu den fünf großen Pfadfinderverbänden in Deutschland mit insgesamt 220000 Mitgliedern.

Der Black Castle e.V., nach eigenen Angaben „ein Zusammenschluss von Schwarzzeltfreunden und -förderern aus den verschiedensten Diözesen, Bezirken und Pfadfinderstämmen in Deutschland“, stellte im Jahr 2000 einen Weltrekord auf, bei dem 3100 Quadratmeter Fläche mit einer riesigen Jurtenburg überdeckt wurden. Das Ganze dauerte drei Tage, es wurden mehr als 1906 Planen verwendet.

Autoren: Christine Jost, Stefanie Roggendorf

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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