Die Scherdel GmbH aus dem oberfränkischen Marktredwitz blickt auf eine lange Unternehmensgeschichte zurück. Sigmund Scherdel gründete 1890 eine Drahtzieherei für die Klaviersaitenherstellung. Schon bald ging es nicht mehr nur um die Herstellung, sondern auch um die Weiterverarbeitung der Federstahldrähte zu Speichen sowie biegsamen Wellen-, Zug-, Druck- und Drehfedern. Nach eigenen Angaben ist die Scherdel-Gruppe heute mit ungefähr 6300 Mitarbeitern in zwölf Ländern vertreten, unter anderem in den USA, China und Frankreich.
In der Branche der technischen Federn gehört das Familienunternehmen zu den führenden Herstellern in Europa und Nordamerika. Jede Feder hat eine andere Funktion. Drehfedern werden unter anderem als Kraftspeicher eingesetzt oder für die Rückstellung von Klappen. Federbandschellen dienen in Fahrzeugen als Verbindung von Schlauch und Stutzen in Klimaanlagen, Servo- und Luftansaugsystemen. Die Ventilfedern werden zur Kontrolle der Ventilbewegung im Ventiltrieb eines Verbrennungsmotors eingesetzt.
„Es gibt starke Wettbewerber in allen Bereichen“, berichtet Geschäftsführer Maximilian von Waldenfels. Jedoch sei die Anzahl der Konkurrenten gering, „die diese hohe fachliche Tiefe haben, dieses breite Produktspektrum anbieten können und auch den Kunden mit in ihre regionalen Märkte folgen“. Die Federn können nach Waldenfels den Bruchteil eines Cents kosten.
Die physikalischen Eigenschaften der Federn unterscheiden sich je nach Einsatzbereich, erklärt der Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Federnindustrie (VDFI), Michael Hagedorn. So benötige eine Feder im Fahrwerk von Fahrzeugen eine hohe Festigkeit und eine hohe Zähigkeit. „Das bietet am allerbesten der Stahl.“ 3000 bis 5000 Federn seien in jedem Auto eingebaut. Man finde sie in den Schlössern und Verriegelungen sowie in sämtlichen Schaltern, die man betätigt.
„In den Getrieben der Verbrennungsmotoren ist eine Vielzahl von Federn eingebaut, die man bei einem Elektrofahrzeug nicht mehr benötigt“, sagt Hagedorn weiter. Auch mit Blick auf das Material änderten sich in den Elektrofahrzeugen die technischen Federn. „Da wird dann im Wesentlichen Kupfer verwendet, wegen der Anforderungen an die elektrische Leitfähigkeit.“ Im VDFI gehört Scherdel zu den drei größten Mitgliedern.
Scherdel bietet weitere Produkte an, etwa Stanz- und Biegeteile, Fräsmaschinen und Medizintechnik-Produkte. In dem Bereich der Hintersitzrahmen von Pkw sei das Unternehmen ebenfalls führend. „Hintersitzrahmen aus Eisendraht dienen der Struktursteifigkeit auf der Rücksitzbank von Autos“, erklärt Sven Trautmann, Kundenbetreuer im größten Einzelwerk der Gruppe im sächsischen Marienberg. „In fast jedem Pkw der Volkswagen AG ist ein Hintersitzrahmen unseres Unternehmens zu finden.“ Wegen des Wettbewerbs aus Billiglohnländern sei eine Herstellung dieser „preissensiblen Sitzrahmen“ fast nur über eine „vollautomatische Fertigung mit wenig Personaleinsatz möglich“.
Als größten Einzelerfolg in der Firmengeschichte nennt Geschäftsführer Christian Schiener die Übernahme des größten Einzelproduktionsstandortes in Marienberg zur politischen Wende 1990. „Es gibt nur wenige Unternehmen, die vor der Wende in Osteuropa erfolgreich waren und dann erfolgreich in die Marktwirtschaft transferiert wurden.“ Nach seinen Angaben lag der Umsatz der Scherdel-Gruppe 2022 bei 800 Millionen Euro, „knapp über 15 Prozent Wachstum“ zum Vorjahr. Kunden seien die großen Autohersteller und Automobilzulieferer.