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Sie sind alle schwer in Ordnung

Leitz verkauft viel mehr als Aktenordner – und profitiert vom Homeoffice

F.A.Z.

7.05.2021

Jonas Wagner

Aventinus-Gymnasium, Burghausen

Bei Leitz denkt man an Aktenordner. Die Leitz Acco Brands GmbH & Co. KG hat freilich wesentlich mehr Produkte im Angebot. „Als Marke beschäftigen wir uns generell mit dem Organisieren der Arbeit und des Zuhauses“, sagt Ard-Jen Spijkervet, Geschäftsführer der Marke Leitz und Vice President Central Europe von Leitz Acco. Das Stuttgarter Traditionsunternehmen gehört seit 2017 zum amerikanischen Acco-Brands-Konzern. Louis Leitz gründete das Unternehmen 1871 als „Werkstätte zur Herstellung von Metallteilen für Ordnungsmittel“, nachdem er einen einfachen Ordner erfunden hatte. 1892 wurde der erste Locher, 1896 der erste klassische Aktenordner verkauft. Die heutige Technik stimmt überwiegend mit der des Originalmodells überein; bis auf das Griffloch wurde kaum etwas verändert.

In Deutschland beschäftigt Leitz rund 500 Mitarbeiter, auf der ganzen Welt arbeiten rund 7000 Personen im Acco-Brands-Konzern. Die Verwaltung von Leitz sitzt in Stuttgart, produziert wird in Uelzen in Norddeutschland, an zehn weiteren europäischen Standorten, in den Vereinigten Staaten und Asien. Produkte der Marke Leitz würden auf der ganzen Welt verkauft, sagt Spijkervet. Die klassischen Ordnungsmittel machten noch etwa 40 Prozent des Geschäfts aus. Andere Produkte seien Laminiergeräte, Aktenvernichter, Luftreiniger und Laptoptaschen. Das Sortiment umfasse rund 7500 Artikel; der Umsatz belaufe sich auf etwa 300 Millionen Dollar im Jahr 2020, umgerechnet knapp 250 Millionen Euro. Die traditionellen Produkte würden immer wieder neu erfunden. Dazu zählt die patentierte 180-Grad-Mechanik, die es ermöglicht, Papiere sowohl von links als auch von rechts im Ordner abzuheften.

Im Bereich Ordnungsmittel sei man ganz klar Marktführer in Deutschland, sagt Spijkervet. „2019 haben wir knapp 100 Millionen Ordner hergestellt.“ Nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK hat Leitz unter den Herstellermarken einen Marktanteil von 66 Prozent. Ein wichtiger Wettbewerber ist die Berliner Pelikan Group, zu der Marken wie Herlitz und Pelikan gehören. Sie zählt sich auch zu „den führenden Markenanbietern von Qualitätsprodukten im Bereich Papier-, Büro- und Schreibwaren (PBS) sowie Papeterie“.

„Wir wollen keine Mainstream-Marke sein“, sagt Spijkervet. Ein Leitz-Ordner kostet bei Kaut-Bullinger, einem Unternehmen für Bürobedarf, für Privatkunden zwischen 3,63 Euro für den klassischen Aktenordner aus Pappe und 15 Euro für spezielle Modelle mit mehreren Hebelmechaniken. Mit Blick auf Konkurrenz durch Billiganbieter gibt sich Spijkervet gelassen: „Unser Ordner kostet das Doppelte eines Ordners vom Discounter. Unseren kann man aber auch 12.000 Mal auf- und zumachen, ohne dass sich was verbiegt oder der Ordner im befüllten Zustand umfällt.“

Leitz Acco Brands habe „eine besonders große Produktvielfalt“, sagt Robert Stefani, Bereichsleiter Marketing bei Kaut-Bullinger. Die meisten Unternehmen der Branche spezialisierten sich auf wenige Produktgruppen. „Im Premiumbereich ist Leitz ein Verkaufsschlager und bei vielen Firmenkunden und Behörden als qualitativ hochwertiger Lieferant ein fester Bestandteil der Bestellungen.“

Volker Jungeblut, Geschäftsführer des Verbands der PBS-Markenindustrie, der die Interessen von vierzig Herstellern aus dem Bereich Papier, Büro und Schreiben vertritt, sieht den Trend, sich von anderen Marken mit Farbe und Design abzuheben. Dies bestätigt Spijkervet: „Die Arbeitswelt- und -umgebung hat sich verändert. Vor 10 Jahren waren Locher und Tacker traditionell schwarz oder blau. Zu diesem Zeitpunkt waren wir der absolute Trendsetter, als wir unsere Produkte in frischen, leuchtenden Farben auf den Markt gebracht haben.“

Inzwischen fertigt das Unternehmen 100 Ordnervarianten, auch den „Active-Ordner“. Bei Kaut-Bullinger ist er von rund 9 Euro an erhältlich. Er besteht aus recyceltem Material und hat einen runden Rücken. Genutzt wird er wegen seiner ergonomischen Form von Schülern und Menschen, die beruflich viel unterwegs sind.

Die Ausrichtung auf Design und Farben hat Leitz in der Corona-Zeit, in der viele Menschen zu Hause arbeiten, geholfen. „Die Menschen möchten heute Produkte, die nicht nur gut funktionieren, sondern wie Mode zu ihnen und ihrer Umgebung passen“, sagt Spijkervet. 2020 sei wirtschaftlich nur ein wenig schlechter gewesen als 2019; der Umsatzrückgang habe bei 6 Prozent gelegen. Den Ausfall an Standardprodukten konnte man durch andere Produktkategorien wie Luftreiniger, Laminiergeräte und Designprodukte abfedern.

Die Zukunft des stationären Handels betrachtet Spijkervet skeptisch. „Er muss innovativer werden und einen anderen Mehrwert bieten als der Internethandel.“ Es reiche nicht, den kleinen, dunklen Laden an der Ecke weiter zu betreiben. Ein Mix müsse her. „Proaktiv Kaufanreize schaffen, und wenn ich einen Artikel im Laden nicht vorrätig habe, aber ihn innerhalb von vier Stunden besorgen kann, dann bin ich auf einmal ein cooler stationärer Händler.“

Über das papierlose Büro macht man sich bei Leitz keine großen Sorgen. Von ihm habe man bisher wenig gespürt. Erst durch die pandemiebedingte Arbeit im Homeoffice sei die Nachfrage etwas zurückgegangen. Papier sei zwar kaum noch ein aktives Kommunikationsmittel. „Aber Menschen finden es immer noch angenehmer, etwas auf Papier durchzulesen als auf dem Bildschirm, und sie lieben Papier als Beleg für ihre Arbeit“, sagt Spijkervet.

Jonas Wagner

Aventinus-Gymnasium, Burghausen

 

 

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