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Ob für die New Yorker Philharmoniker, die Oper in Peking oder den Elektromusiker Vangelis: Das bayerische Handwerksunternehmen Horngacher spielt auf dem kleinen, aber feinen Markt für Konzertharfen ganz vorne mit.

F.A.Z.

1.10.2020

Vinzenz Löffel

Gymnasium bei St. Anna, Augsburg

Eine Harfe an der Fassade lässt erahnen, was sich in dem unscheinbaren Haus im Starnberger Süden verbirgt. Drinnen wird in einem scheinbaren Durcheinander aus Maschinen, Werkzeugen, Prospekten und Postkarten an mehr oder weniger fertigen Instrumenten gefeilt. „Unsere Kunden schätzen dieses etwas Heimelige, diese traditionelle Werkstatt“, sagt Klaus Horngacher. Seit 1992 leitet der 63-Jährige in nunmehr dritter Generation als geschäftsführender Gesellschafter die Konzertharfenbau Horngacher GmbH. Sechs Mitarbeiter stellen Konzertharfen für namhafte Künstler und renommierte Orchester her. „Es gibt praktisch kein bekanntes deutsches Orchester, das nicht Kunde von uns ist“, berichtet der Unternehmenschef.

Als Beispiele nennt er die New Yorker Philharmoniker, das Orchester des Bolschoi-Theaters, die Scala in Mailand und das Queensland Symphony Orchestra in Australien. „Wir haben praktisch auf jedem Kontinent Instrumente stehen.“ Insgesamt seien es rund 240 Orchester. Schon kurz nach der Firmengründung durch Josef Obermayer in München im Jahr 1928 waren nicht nur deutsche Opernhäuser, Orchester, Staats- und Stadttheater an den Harfen interessiert; man lieferte auch nach Italien, Schweden und in die Türkei.

Zum Harfenbau sei der Brauereiingenieur Obermayer gekommen, weil er als Hobbyharfenist mit der Technik der handelsüblichen Harfen nicht zufrieden gewesen sei, erzählt Horngacher. 1966 übernahm der Harfenbaumeister Maximilian Horngacher, der Vater von Klaus Horngacher, das Unternehmen, das Geschäft wurde noch internationaler. „Es gab Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre einen Boom, in dem die Orchester aufrüsten mussten.“

Das Unternehmen sei eines von nur sieben nennenswerten auf der Welt, die diese Instrumente produzierten, sagt Horngacher. Als einen Hauptkonkurrenten sieht der Meister, dessen Werkstatt jährlich bis zu 15 neue Konzertharfen verlassen, das italienische Unternehmen Salvi, es produziert eigenen Angaben zufolge rund 200 Konzertharfen im Jahr. Ein wichtiger Wettbewerber sei auch das amerikanische Unternehmen Lyon & Healy, das älteste Unternehmen der Branche.

Mit dem Firmencredo „handwerkliche Qualität statt industrielle Quantität“ will sich Horngacher von Konkurrenten abgrenzen. Lilo Kraus, seit fast 40 Jahren Soloharfenistin am Staatstheater Nürnberg und seit ihrem 19. Lebensjahr begeisterte Besitzerin von Horngacher-Harfen, belegt seine Schöpfungen mit dem Prädikat „Hochleistungsinstrumente“.

Horngacher erlernte zunächst den Beruf des Orgelbauers, da Harfenbau damals kein Lehrberuf war, und qualifizierte sich dann zum Zupfinstrumentenmachermeister weiter. In der Handwerkskunst sieht er das Erfolgsrezept seines Unternehmens. Man verfüge über einen größeren Erfahrungsschatz als zum Beispiel Unternehmen in Amerika, wo es keine Lehrlingsausbildung wie in Europa gebe.

500 bis 900 Stunden werkeln, feilen, schleifen und polieren Horngachers Mitarbeiter an einem Instrument. „Der Mitarbeiter, der am kürzesten bei uns ist, ist seit 2004 da. Der ist gelernter Schreiner, aber auch der weiß im Holz noch nicht alles“, sagt Horngacher und hängt die Messlatte hoch. Die Ausbildung zum Harfenbauer werde in zwei Schulen angeboten, allerdings unterrichte in keiner ein Harfenbauer. Der Starnberger rekrutiert seine Mitarbeiter im Wesentlichen aus zwei Branchen: Im Holzbereich seien es meistens Schreiner, im Metallbereich gelernte Mechaniker oder Werkzeugmacher. „Die werden von uns weitergebildet. Bevor jemand bei uns ans fertige Instrument rankommt, da vergehen Jahre.“

Auch Harfenisten oder genauer meistens Harfenistinnen, die auf anderen Fabrikaten spielen, nehmen Horngachers Service in Anspruch. So betreut man neben 700 bis 800 Kunden aus der eigenen Werkstatt rund 300 weitere Profis, Amateure und Liebhaber. Bis zu drei Monate im Jahr ist der Harfenbauer unterwegs, auch in Moskau, Peking und New York, Werkzeug, Ersatzteile und Stimmgeräte immer im Gepäck. „Den Meister direkt vor Ort“ zu haben, schätzt auch Lilo Kraus. In puncto Klang schreibt sich das Unternehmen auf die Fahnen, zusammen mit Nicanor Zabaleta, dem wohl bekanntesten Harfenisten des 20. Jahrhunderts, eine von keinem anderen Hersteller angebotene Dämpfungsmechanik für die Basssaiten in Form eines achten Pedals entwickelt und verfeinert zu haben.

Horngachers Meisterstücke haben ihren Preis. Eine „Andromeda“ bekommt man für 26660 Euro. Für eine „Empire“, ein Prunkstück mit vergoldeten Beschlägen auf hochglanzpoliertem Mahagoni, zahlt man 79500 Euro. Für Sonderanfertigungen können mehr als 100000 Euro fällig werden. „Musiker sind eine spezielle Klientel und nicht mit der breiten Konsumentenmasse vergleichbar“, berichtet Horngacher. Deswegen setzt er auch nicht auf Werbung im klassischen Sinn, sondern auf Mundpropaganda. „Werbung kostet nur und verpufft meistens.“

Bei einer Jahresfertigung von 12 bis 15 Instrumenten betrage der Jahresumsatz 750.000 bis 850.000 Euro, 30 bis 40 Prozent machten Service und Wartung aus. „Vom Harfenbau wird man nicht Millionär“, sagt Horngacher. Die Gewinnmarge eines neuen Instruments liege bei 10 bis 15 Prozent. 15 bis 20 Prozent des Umsatzes werden für Material aufgewendet, rund 70 Prozent für den Lohn. In einem Instrument stecken mehr als 2000 Einzelteile, die ebenfalls großteils von Hand gefertigt werden.

„Wir sind so ziemlich die Einzigen, die in Deutschland Harfen verleihen“, berichtet Horngacher weiter. Er hat sieben Leihharfen, die teils tageweise, mitunter auch über mehrere Wochen oder Monate beim Kunden stehen. Der Umsatz des Leihgeschäfts betrage 5 bis 10 Prozent des Gesamtumsatzes. Der Umsatz des Starnberger Unternehmens steigt und fällt mit den Orchesterbudgets und damit den öffentlichen Geldern. „Nach der Wende wurde bis in die 2000er Jahre hinein überall gespart“, berichtet der Unternehmer. Seit ein paar Jahren gehe es wieder bergauf.

Dass Harfen anders als Geigen in ihrer Lebensdauer auf rund 40 Jahre begrenzt sind, komme dem Umsatz zugute. Dann überstiegen die Kosten der nötigen Generalsanierung den Wert des Instruments. Selbst eine Horngacher-Harfe könne irgendwann einem Saitenzug von 1,4 Tonnen auf den Holzrahmen der Resonanzdecke nicht mehr standhalten, die Saiten ließen sich nicht mehr korrekt stimmen.

Auf den ersten Blick mag es verwundern, wenn Horngacher verrät: „Mein persönlicher Musikgeschmack liegt in der ganz anderen Richtung.“ Vielleicht begeistert ihn Musik zu Filmen wie „1492: Conquest of Paradise“ oder „Blade Runner“. Jedenfalls verbindet ihn mit deren Komponisten, Vangelis, ebenfalls ein Kunde, eine enge Freundschaft.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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