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Seine Klienten sind sehr verschlossen

F.A.Z.

1.09.2022

Linnea Büttner

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Manche mögen schon einmal überlegt haben, wie es wohl wäre, im Gefängnis zu sitzen.  Was erwartet einen dort, wie sollte man sich verhalten? Für  Menschen, die tatsächlich in Kürze dorthin  müssen, könnte  Peter William Meyer ein guter Ansprechpartner sein. Meyer ist nach eigenen Angaben  der erste und einzige   „Prison Coach“ in Deutschland. 

Meyer ist 58 Jahre alt und ausgebildeter Businesscoach; er betreibt sein Düsseldorfer Unternehmen unter dem Namen „Schwarzer Peter“.  Zu seinen Dienstleistungen gehören die  Betreuung und Unterstützung zukünftiger Sträflinge, aber auch von deren Angehörigen sowie von  Straftätern, die schon inhaftiert sind.  Hierfür fährt  Meyer auch schon mal durch ganz Deutschland.  Allerdings besucht er seine Kunden eher selten im Gefängnis, sondern vielmehr, bevor sie ihre Strafe absitzen. Manchmal wird der „Knastcoach“  auch kontaktiert, wenn die Häftlinge kurz vor ihrer Entlassung stehen, um sie  auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.

Die Idee für diesen  außergewöhnlichen Beruf hatte Meyer nach seiner eigenen Entlassung aus den Gefängnis. Dort saß er  wegen Bankraubs für viereinhalb  Jahre. In dieser Zeit habe er seine Mitinsassen  emotional unterstützt, erzählt er. Nach der Entlassung brachte ihn  eine Freundin auf die Idee, Leute, die ins Gefängnis müssen, zu coachen.  Nach einer etwa  dreijährigen Coaching-Ausbildung bei  V.I.E.L. Coaching + Training mit Sitz in Hamburg begann er seine Tätigkeit.

Seitdem bereitet er  seine Klienten darauf vor, wie sie in der Zeit im Gefängnis an sich arbeiten und das Beste aus ihrer Haftstrafe machen können. Dabei hülfen  seine eigenen Erfahrungen im Gefängnis, sagt er. Er berichtet seinen Kunden zum Beispiel von der   „Hierarchie des Knast-Alltags“: Sexualstraftäter würden am meisten verachtet.   Seine  Zeit im Gefängnis sei  nun ein Teil von ihm, sagt Meyer. Er könne sie nicht mehr rückgängig machen und habe gelernt, damit umzugehen und sie  zu akzeptieren. Besonders sein Glaube an Gott habe ihn auf diesem Weg  unterstützt.

Den Preis für seine  Dienstleistung macht Meyer von der Art des Kunden abhängig. Von der Führungskraft eines Unternehmens verlangt er für eine  Sitzung  rund 300 Euro,   zuzüglich Mehrwertsteuer,  Spesen und Anfahrt. Personen mit geringerem Einkommen bietet Meyer seine Unterstützung für 100 bis 150 Euro an.  Für Personen, die schon in Haft sind,  arbeitet Meyer manchmal auch ehrenamtlich, oder er wird dafür vom  Ministerium bezahlt. 

Von seinen Einnahmen könne er gut leben, sagt Meyer.  „Es kommt mal so und mal so, aber ich komme  immer auf einen Schnitt von monatlich 3000 Euro.“ Die Zahl der Klienten ist von Monat zu Monat sehr unterschiedlich. In manchen Monaten ist er gar nicht als Prison Coach gefragt. Er bietet aber auch andere Arten von Coaching an, zum Beispiel Sucht-Coaching.

Mehr als zwei Klienten am Tag behandelt Meyer nicht.  „Mehr als zwei geht gar nicht, das ist ja eine unheimliche Konzentrationsgeschichte. Es ist  sehr intensiv, da wird geweint und gelacht.“ Meyer möchte seinen Klienten nicht einfach nur zuhören, er will ihrem Schmerz und ihren Problemen auf den Grund gehen. Und er  möchte ihnen Zuversicht  vermitteln,  ihnen klarmachen, dass es immer einen Funken Hoffnung gebe, den man nie  verlieren dürfe. Es gebe immer eine Möglichkeit, das  Beste aus einer Situation herauszuholen, egal wie schwer oder hoffnungslos sie  manchmal erscheine.

 Wie viele Sitzungen ein Klient benötigt, ist unterschiedlich. Es könne sein,  dass jemand  nur eine Sitzung brauche. Manche  kämen mehrmals in der Woche, bei anderen  lägen größere Zeitabstände zwischen den  Sitzungen. Ihm liege viel daran, dass seine Klienten nach seinen Coachings mit positiver Energie geladen und inspiriert seien und klarer sähen.

Wichtig seien   wohlwollendes Zuhören und eine gute  Kommunikation. Meyer benutzt Methoden   aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP),  zum Beispiel Wahrnehmungspositionswechsel, die helfen sollen, die Ziele zu verstärken. Indem er von seinen eigenen Erfahrungen berichtet, will er seinen Klienten die Angst vor der Haft nehmen. 

Er stehe nicht  in Konkurrenz zu  Rechtsanwälten, ist Meyer wichtig zu betonen. Die seien mit dem Geschehen vor Gericht befasst, er helfe bei dem, was vor und nach dem Prozess sei. Insgesamt wünscht sich Meyer,  dass seiner Tätigkeit weniger Misstrauen entgegengebracht wird.  Immer wieder erlebt er  Kritik.

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