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Maschinenbauer machen Druck

Produkte des Weltmarktführers Sauer Compressors aus Kiel sorgen für den Start vieler Motoren und das Auftauchen von U-Booten.

F.A.Z.

5.11.2020

Jassar Graßhoff

Max-Planck-Schule, Kiel

Wie wird der Dieselmotor eines großen Schiffes gestartet? Mit einem elektrischen Anlasser wie im Auto? Und wie wird der Rückwärtsgang eingelegt? Mit einem Schalthebel? Nein, beides erfolgt mittels Druckluft. Erzeugt wird sie auf 50 Prozent aller Handelsschiffe der Welt und 75 Prozent aller Marineschiffe in Hochdruckkompressoren von Sauer Compressors, wie das Unternehmen mit Hauptsitz in Kiel angibt. Dabei saugen die Kompressoren Luft an, die in einem nach Unternehmensangaben technisch anspruchsvollen Verfahren in bis zu drei Verdichtungsstufen komprimiert wird. Die komprimierte Luft wird in die Zylinder der Dieselmotoren geleitet und bringt die Kolben in Bewegung. Gleichzeitig wird Dieselkraftstoff zugeführt, und der Motor startet.

Aber dies sei nicht der einzige Einsatzzweck der komprimierten Luft. So wird auf U-Booten Druckluft von bis zu 250 bar benötigt, um die mit Wasser gefüllten Ballasttanks auszublasen, damit das Boot auftauchen kann. 250 bar bedeutet, dass die Luft auf rund ein Zweihundertfünfzigstel des Ursprungsvolumens verdichtet wird. Der Druck ist 50 Mal so hoch wie in einem prall aufgepumpten Fahrradreifen. Beispiele für bekannte Projekte des Unternehmens sind die Drei-Schluchten-Talsperre mit Wasserkraftwerk in China, das größte Bauwerk seiner Art auf der Welt, und der Fusionsreaktor Iter in Frankreich.

Im Jahr produziert man nach eigenen Angaben rund 2800 Kompressoren. Ihr Preis kann bis zu 300000 Euro betragen. Die Exportquote liege bei 90 Prozent. Man beliefere Kunden aller Größenklassen. Das Unternehmen wurde 1884 gegründet und in den siebziger Jahren in J.P. Sauer & Sohn Maschinenbau GmbH umbenannt. Sauer Compressors, wie die Firmengruppe heißt, ist auf der ganzen Welt mit Gesellschaften vertreten, unter anderem in Brasilien, Italien und den Vereinigten Staaten. Man beschäftigt rund 800 Mitarbeiter.

Seit 1985 arbeitet einer der Geschäftsführer, Harald Schulz, im Unternehmen. „Als ich anfing, waren es fünf Wettbewerber in der westlichen Welt, drei in Deutschland und zwei in England.“ Nun gebe es in Deutschland nur noch die Bauer Comp Holding GmbH aus München und in England die amerikanische Gardner Denver Inc. „Der Kompressorenmarkt ist gigantisch groß, aber die Nische, in der wir uns befinden, ist ziemlich klein, da es technisch sehr anspruchsvoll ist. Wir müssen beispielsweise über einen Hubweg von zehn Zentimetern auf 500 bar verdichten, bei einer Temperatur von 200 Grad und einer Kolbengeschwindigkeit von sechs Metern je Sekunde“, erklärt Schulz.

„Wir haben unseren Mitbewerbern ständig Marktanteile abgenommen und sind in neue Bereiche vorgestoßen“, sagt Schulz. Dabei könne man sich eine blutige Nase holen, „aber man muss das dann langfristig durchziehen, um Erfolg zu haben“. So sei man, nachdem man in Deutschland Marktführer im Schifffahrtsbereich gewesen sei, nach China und Japan weitergezogen, weil sich der Schiffbau immer mehr nach Asien verlagert habe. Dort ist Sauer inzwischen Marktführer.

Ein Kunde ist die Reederei Leonhardt & Blumberg Shipmanagement GmbH & Co. KG aus Hamburg. Fleet-Direktor Tim Göttsche betreut 46 Containerschiffe. Die Reederei bezieht seit den neunziger Jahren Kompressoren von Sauer. „Kompressoren und die dadurch verdichtete Luft sind essentiell beim Betrieb der Schifffahrt. Die Luft wird zum Starten der Hauptmaschine und der Hilfsdiesel benötigt, aber auch zur Steuerung und für den Einsatz an Deck“, erklärt Göttsche. Die Wartung der Sauer-Kompressoren sei einfach wegen sogenannter Ersatzteil-Kits.

Der Umsatz des Unternehmens hat sich laut Schulz von 12 Millionen im Jahr 1990 auf 120 Millionen im Jahr 2019 verzehnfacht, wobei man sich beim Betreten von Neuland in einigen Bereichen die besagte blutige Nase abgeholt habe. Ein Beispiel war die globale Krise in der Schifffahrt. „In der Zeit ist unser Umsatz im Schifffahrtsbereich massiv eingebrochen. Zur gleichen Zeit wurden aber durch die hohen Ölpreise auch vermehrt Tiefseebohrschiffe und sogenannte Halbtaucherplattformen in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt“, berichtet William Koester aus der Marketing-Abteilung. „Sauer hat da über mehrere Jahre Kompressoren für Dünungsausgleichssysteme geliefert. Diese dienen dem Ausgleich der Wellenbewegungen des Schiffes und halten das Bohrgestänge auch bei Sturm exakt an der gleichen Stelle.“ So habe man den Umsatzeinbruch in der Schifffahrt nahezu komplett ausgeglichen.

In den Sektoren Schiffbau mit einem Weltmarktanteil von 55 bis 60 Prozent, Verteidigung (80 Prozent) und dem klassischen Industriebereich (30 Prozent) sieht man kein großes Expansionspotential mehr. Das Unternehmen will nun in die Petro-Industrie vordringen. „Dafür haben wir vor vier Jahren die Firma Haug in der Schweiz gekauft, die uns eine neue Dimension verschafft“, sagt Schulz. Haug produziert ölfreie, trockenlaufende Hochdruckkompressoren für die Verdichtung von Luft und vielen Gasen, die durch den Einsatz einer Magnetkupplung hermetisch abgedichtet sind, so dass im Betrieb keine schädlichen Gase entweichen können. Außerdem stärke die in Kiel entwickelte neue Baureihe „Orkan“, die ebenfalls hermetisch gasdicht ist, den Umsatz in der Petro-Industrie. Unter hermetisch gasdicht versteht man, dass kein Gas austreten oder eindringen kann. Das ist wichtig für die Petro-Industrie, da beim Austritt von giftigen Gasen eine massive Umweltgefährdung entstehen kann.

Die größte Zukunftsherausforderung sieht der Geschäftsführer in der Gewinnung und Schulung von Mitarbeitern. „Die Menschen kommen aus verschiedenen Richtungen und müssen erst einmal lernen, dass man dem Chef widersprechen und offen seine Meinung sagen kann.“ Hinzu kämen gesellschaftliche Veränderungen. „Keiner denkt mehr nach, jeder guckt aufs Handy, und keiner liest mehr. Außerdem lässt das Allgemeinwissen nach. Da müssen wir auch viel nachschulen.“ Manche könnten zum Beispiel trotz guter Noten in Englisch keinen korrekten englischen Satz formulieren.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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