Wo erwartet man die größte Kinoleinwand der Welt? In New York? In Schanghai? In Tokio? Alles weit gefehlt, sie steht bei uns im Ländle, in Leonberg“, sagt der Filmtheaterbetreiber Heinz Lochmann, Inhaber und Geschäftsführer der Heinz Lochmann Filmtheater-Betriebe GmbH aus Rudersberg. Statt es in der Pandemie vorsichtig angehen zu lassen, präsentierte er der Öffentlichkeit am 30. September 2021 sein neuestes Vorzeigeobjekt, den „Traumpalast“ in Leonberg. Die umfangreiche Erweiterung des Kinokomplexes, der nun auch drei Restaurants und ein Bowling-Center beinhaltet, verschlang laut Lochmann rund 20 Millionen Euro – davon entfielen etwa 1,5 Millionen auf die Leinwand und die dazugehörige Technik wie das 12-Kanal-Soundsystem Dolby Atmos.
„Doch das ist gut investiertes Geld“, sagt Lochmann. „Denn die Leinwand bringt die Vorteile des Laser-Kinosystems der kanadischen IMAX Corporation für die 600 Zuschauer besonders eindrucksvoll zur Geltung.“ Diese bestehen darin, dass durch zwei parallel laufende Projektoren besonders brillante, scharfe und farbintensive Bilder produziert werden. „Und je größer die Leinwand, desto eindrucksvoller das Kinoerlebnis“, ist Lochmann überzeugt.
„Als sich zeigte, dass mein Sohn und meine Tochter in das Familiengeschäft einsteigen möchten, hat mich das natürlich wie jeden Vater ungemein stolz gemacht“, erzählt Lochmann. „Das gab mir den Anreiz, ihnen noch etwas Großes zu hinterlassen, und so kam die Idee, die größte IMAX-Leinwand der Welt zu bauen.“
Die Leinwand wurde in Kanada gefertigt und ist mit 38 mal 22 Metern so groß wie vier Tennisplätze. Voraussetzung für dieses besondere Leinwanderlebnis ist jedoch: Die Filme müssen im 3-D-IMAX-Modus produziert worden sein, das heißt mit zwei Kameras gleichzeitig, die den Abstand der menschlichen Augen haben. Das befördert den sogenannten Vektions-Effekt, der den Eindruck vermittelt, der Zuschauer würde sich selbst bewegen. Viele Blockbuster der vergangenen Jahre sind auf diese Weise produziert worden.
Doch schon der Transport der Leinwand mit einem riesigen Tieflader und ihr Aufbau stellten Lochmann vor große Herausforderungen. Zum Auftragen von fünf Silberschichten, die durch mehr Reflexion hellere Bilder bewirken, musste die Leinwand zunächst in einer Hockeyhalle aufgehängt werden. Nach dem Aufbringen des Materials betrug ihr Gewicht etwa 770 Kilo. Bei der endgültigen Installation der Leinwand in Leonberg waren 60 Männer rund drei Stunden allein mit dem Hochziehen beschäftigt. Und dann der Schock: Als die Leinwand hing, traten überraschend Mängel auf; sie musste zerschnitten werden, im Eilverfahren bestellte man eine neue. „Zum Glück konnten wir zum neuen James Bond eröffnen”, sagt Lochmann.
„Ich wollte ausprobieren, wie die Besucher reagieren, wenn sich das Kino nicht direkt in der Innenstadt befindet, sondern, wie in Leonberg, an einem viel befahrenen Autobahndreieck“, erläutert Lochmann. Bisher sei die Resonanz gut, die Leute kämen teilweise von weit her. Lochmann benötigt eine Auslastung von etwa 35 Prozent, damit sich der Betrieb lohnt. Doch selbst in der Pandemie wird diese Quote erreicht. „Als ich mitbekommen habe, dass so eine Leinwand bei uns im Ländle steht, war klar, da muss ich hin“, sagt ein Besucher, der aus Biberach an der Riß angereist ist. Die Leinwand sei mit keiner zu vergleichen, die er gesehen habe. „Dafür zahle ich gerne einen höheren Preis.“
Lochmann begann mit 16 Jahren eine Bäckerausbildung im väterlichen Betrieb. Als die Tante verstirbt und ihr Kino in Rudersberg an Lochmanns Vater vererbt, entdeckt er seine Leidenschaft für Kinos. Mit 30 Jahren konzentriert er sich ganz aufs Kino. Fünf Jahre später kauft er ein Kino in Schorndorf. Es folgen weitere Filmtheater in der Region; aber auch in Hamburg ist Lochmann Betreiber des traditionsreichen Passage Kinos an der Mönckebergstraße. Inzwischen sind es zehn Filmtheater.
Lochmann beschäftigt 500 bis 700 Mitarbeiter, je nach Jahreszeit und Popularität der Filme. Im Durchschnitt kommen jährlich gut 2 Millionen Besucher in seine Kinos. Vor Corona lag der Umsatz im niedrigen zweistelligen Millionenbereich; er stammte zu rund 70 Prozent aus Ticketverkäufen. Allerdings sei der Erlös in der Pandemie um rund 70 Prozent zurückgegangen. Für die Zukunft des Kinos ist Lochmann zuversichtlich. „Gemeinsam weinen, lachen, mitfiebern, das macht Kino aus. Und darauf wollen wir doch auch in Zukunft nicht verzichten, oder?“