Das Portal zur Studienwahl studieren.de schreibt zum Beruf des (freien) Künstlers: „Die Vorstellung ist romantisch, die Realität oft brotlos.“ Angehende Künstler sollten eine überdurchschnittliche Risikobereitschaft und ein glückliches Händchen für die Selbstvermarktung haben. Lesern der F.A.Z. wohlbekannt sind die Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz. „In unseren kleinbürgerlichen Herkunftsmilieus war es nicht vorgesehen, Künstler werden zu wollen“, erzählt Greser. Selbst der Berufswunsch des Graphikers sei für ihre Mitmenschen eher außergewöhnlich gewesen.
„Wie viel Kunstanteil in meiner Arbeit steckt, muss jeder selbst entscheiden, denn Kunst entsteht durch Rezipieren“, sagt der Künstler Bernhard Siller. Er ist Leiter und einziger Arbeiter von Karikatur Edition. Siller entwirft und produziert „Karikatur-Buchstützen“ und andere Produkte wie Lesezeichen, auf denen ein Schriftsteller karikaturistisch dargestellt ist. Die Idee kam ihm auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für seinen sechsjährigen Neffen, dessen Berufswunsch „Professor für Dinosaurier“ war. Passend dazu zeichnete Siller einen Dinosaurier auf eine Hochplatte, die er auf eine Metallplatte schraubte. „Und dann habe ich gedacht, da kann man eine Buchstütze draus machen.“
Zunächst entwarf er nur Buchstützen mit Kinderbuchmotiven, und jede war ein Unikat mit einer original Bundstiftzeichnung auf der Holzplatte. Dementsprechend teuer waren sie. „Eine Buchstütze kostete damals 100 DM; das war zu teuer, besonders für Kinder“, sagt Siller. Doch seine Produkte kamen gut an. Siller entwickelte die Technik, die Motive als Laserdruck zu kopieren, um danach die Drucke auf das Holz zu leimen, zu lackieren und auszusägen.
Siller limitiert jedes Motiv auf 300 Stück. Warum? „Es wäre mir zu langweilig, seit 21 Jahren immer die gleiche Buchstütze zu machen“, antwortet er. Siller sucht seine Motive nach „Lust und Laune“ aus, da er sein eigener Chef ist. Genau das mag Siller an seiner Arbeit. „Doch es reicht mir leider nicht zum Leben“, erklärt er. Eine Buchstütze kostet 35 Euro, eine Auftragskarikatur 250 Euro plus 7 Prozent Mehrwertsteuer. „Ich müsste dreimal so viel verkaufen, oder sie müssten dreimal so teuer sein.“ Nur würde wahrscheinlich mit einer Preiserhöhung die Nachfrage sinken.
Siller verkauft seine Produkte über einen Online-Shop, in seiner Werkstatt in Friedberg, auf Kunsthandwerker-Märkten und auf der Frankfurter Buchmesse. Zusätzlich bieten einige Buchhandlungen seine Waren an. Die Buchmesse ist sehr wichtig für ihn, obwohl die Standkosten hoch sind. Denn dort trifft er viele „Buchliebhaber und Literaturliebhaber“, denen seine „originellen Originale“ gefallen. Karikatur Edition erzielt laut Siller einen Jahresumsatz von 30 000 Euro. Der Künstler folgt dem Motiv „die eine Arbeit tun, um sich von der anderen zu erholen“. Um sich den Rest zu verdienen, ist er „sich keiner Arbeit zu schade“. Beispiele sind Lehraufträge an Hochschulen, aber auch Holz hacken. Außerdem teilt seine Partnerin mit ihm die Lebenshaltungskosten, und er hat die Möglichkeit, Rücklagen zu „verbraten“.
Den Karikaturisten Greser und Lenz geht es nach eigenen Angaben wirtschaftlich gut, außer an Ruhetagen, „weil der Herrgott und die verdammte Gewerkschaft der Gastronomen es so wollten“. Existenzängste haben die „zwei in die Jahre gekommenen Buben aus Unterfranken, die ihren in einer krummen Jugend erworbenen Dachschaden zum Beruf beziehungsweise Geschäftsmodell gemacht haben“, wie sie sich vorstellen, offenbar nicht. Denn auf die Frage danach antwortet Greser, sein Kollege habe sich ein neues Cabrio bestellt. „Die Angst geht um, er weiß noch nicht, wie er es finanzieren soll“, fügt er hinzu. Ihre Karikaturen sind außer in der F.A.Z. in anderen Zeitschriften zu sehen, zum Beispiel der Mitgliederzeitschrift des 1. FC Nürnberg.
Nach dem Abitur studierten Greser und Lenz an der Fachhochschule für Gestaltung in Würzburg und schlossen als Diplom-Kommunikationsdesigner ab. „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord, dann kam Kapitän Zufall und heuerte uns für die Titanic an“, erzählen sie. Sie traten in die Redaktion der Satirezeitschrift „Titanic“ in Frankfurt ein. Wie kamen sie in die F.A.Z.? „Greser konnte zunächst einige Cartoons im F.A.Z.-Feuilleton plazieren“, sagt Lenz. Das war in den neunziger Jahren. Der damalige Politik-Herausgeber wurde auf sie aufmerksam. Mit dem Engagement 1996 bei der F.A.Z. konnten sich Greser und Lenz den Wunsch, selbständig zu sein, verwirklichen. Woher nehmen sie ihre Ideen? „Nützlich für die Hervorbringung von komischen Einfällen sind auch ein Dachschaden oder eine merkwürdige Kindheit“, antworten sie und bedienen damit das Klischee, dass Künstler etwas verrückt sind. Aber stimmt das?
Klaus Biehler ist Kunstlehrer am Max-Planck-Gymnasium in Lahr; er ist Künstler und Musiker aus Leidenschaft. „Ach, und Englischlehrer“, fügt Biehler hinzu. Biehler folgt einem ähnlichen Motiv wie Bernhard Siller. Er unterrichtet zurzeit nur das Fach Bildende Kunst und arbeitet 25 Schulstunden in der Woche. Als Oberstudienrat verdient er 3500 Euro. Durch dieses sichere Einkommen kann er seinen anderen künstlerischen Tätigkeiten ohne Existenzängste und ohne den Druck, seine Kunst verkaufen zu müssen, nachgehen. Für Biehler ist die Kunst ein „Freiheits- und Persönlichkeitsding“. Es sei sehr erfüllend, seine Ideen umzusetzen. Die Materialkosten für seine Kunstwerke schätzt Biehler auf 15 bis 50 Euro. Etwa alle zwei Jahre hat er eine Ausstellung. Sie finden oft in Kultureinrichtungen statt, und er verdient dabei maximal 3000 Euro. Im Jahr verkauft Biehler etwa fünf Bilder, in einem Ausstellungsjahr einige mehr. Die Preise richteten sich nicht nach der Arbeitszeit. „Die Preise zu machen ist schwierig.“ Manche Bilder gibt er nicht zum Verkauf frei, weil sie einen hohen persönlichen Wert haben, zum Beispiel sein Prüfungsbild von der Akademie. Manche habe er zu einem zu niedrigen Preis verkauft; zum Beispiel verkaufte er „ein riesiges Bild“ für 350 Euro. Die Preise seiner Werke liegen zwischen 30 und 2000 Euro.
Als möglichen Grund für die weitverbreitete Meinung, Kunst sei „brotlos“, nennt Biehler das „missverstandene Genie“, wofür Vincent van Gogh ein Paradebeispiel sei; der sei zu Lebzeiten ein „armer Schlucker“ gewesen. Bernhard Siller sagt: „Die Kunst macht per se nicht frei, sie braucht Menschen, die so frei sind, das zu tun, was sie interessiert, auch wenn kein anderer es auf Anhieb versteht - siehe van Gogh.“ Die Frage nach der brotlosen Kunst inspiriert ihn zur Idee eines Kunstwerks: „Eine Brotdose, geöffnet, darin ein Zettel: brotlose Brotdose.“