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Irgendwie muss man ihn abfüllen

In den Maschinen von Ambeg werden Ampullen für Covid-19-Impfstoff hergestellt

F.A.Z.

18.01.2022

Benjamin Menssen

Kath. Schule Liebfrauen, Berlin-Charlottenburg

Nur wenige Zentimeter groß sind die Fläschchen, in denen der Covid-19-Impfstoff  abgefüllt wird. Die Maschinen, mit denen solche Fläschchen produziert werden, sind mehr als 20 Meter lang. Nur wenige Unternehmen auf der Welt verfügen über das Know-how zum Bau solcher Maschinen. In Deutschland ist das Berliner Familienunternehmen Ambeg Dr. J. Dichter GmbH nach eigenen Angaben der einzige Hersteller von Maschinen zur Produktion von Pharmacontainern aus Röhrenglas, also zur Herstellung von Spritzen, Fläschchen und Karpulen aus Glas, in die Impfstoffe und Medikamente abgefüllt werden.  Geschäftsführer Andreas Dichter zählt sein  Unternehmen zu den drei auf der Welt führenden Herstellern.  

Sein Großvater revolutionierte in den 1920er-Jahren mit der Automatisierung der Ampullen- und Fläschchenfertigung den Markt.  Seit der Gründung 1926 hat Ambeg mehr als  4000 Maschinen verkauft. Die Maschinen führen –  neuerdings auch durch Roboterarme – schon  vorgefertigtes Röhrenglas zu, erwärmen dieses und formen es anschließend zum gewünschten Modell. Die Maschinen ­RP 16 und RP 18 stellen dabei bis zu 3000 Fläschchen in einer Stunde her. Die Fläschchen können danach noch bedruckt oder auf kosmetische oder geometrische Mängel geprüft werden. „Bei einer kompletten Produktionslinie liegen wir ganz schnell bei einer bis vier Millionen Euro“, sagt  der Geschäftsführer über den Preis der Produkte.

Impfstoffe müssen in Glasbehältern verpackt werden, damit sie nicht chemisch reagieren und damit  ein sicherer Transport gewährleistet ist.  Wegen der  extrem hohen Nachfrage nach Corona-Impfstoffen kommt Ambeg mit der Produktion   kaum noch nach. Stellte man  vor der Krise  30  Maschinen im Jahr her, seien es nun etwa 60. Im  Kalenderjahr 2021 ist nach Dichters Angaben der Umsatz um  70 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Das Personal musste aufgestockt werden. „Während wir vorher 85 feste Mitarbeiter beschäftigt haben, sind es jetzt etwa 125“, berichtet  Antje ­Dichter,  Personalchefin von  Ambeg und Ehefrau des Geschäftsführers.  Hinzu kämen 40 Zeitarbeitskräfte. Produziert wird nun auch  in einer neu  angemieteten Werkshalle in Brandenburg.  Trotz der  Aufstockungen haben sich die Lieferzeiten  teilweise mehr als verdoppelt, auch aufgrund von pandemiebedingten Engpässen bei den  Zulieferern.

Kunden sind Pharmapackmittelhersteller, die  pharmazeutische Betriebe beliefern. Besonders gefragt sind die Produkte  in den USA, in  China, Indien, Frankreich, Spanien und Italien. Zu den Kunden gehört  die deutsche Schott AG. Diese stellte nach eigenen Angaben bis zum dritten Quartal 2021 unter anderem  mit Ambeg-Maschinen Fläschchen für mehr als zwei Milliarden Impfdosen gegen Covid-19 her.  

 Nach Andreas  Dichter wird auch der nicht in der EU zugelassene Sinovac-Impfstoff aus China in Spritzen abgefüllt, die in Ambeg-Maschinen produziert wurden. Dass Ambeg der einzige deutsche Betrieb in dieser Branche ist, erklärt er mit Patentrechten auf Teilprozesse und damit, dass die Herstellung der Maschinen „wirklich absolutes Spezialwissen“ erfordere. 

Wichtig für das korrekte Funktionieren der Anlagen  sind Fachleute, die sich mit der Flammeneinstellung zur korrekten Formung der Glascontainer auskennen. Etwa 20 Flammen gibt es an jeder Maschine; nur wenn alle präzise eingestellt sind, die Formwerkzeuge in der richtigen Position sind und die vorgesehenen Bewegungen machen, entstehen am Ende aus dem Röhrenglas automatisch und schnell Fläschchen, Spritzen oder Karpulen.  In einem eigentlich automatisierten  Herstellungsprozess Glas zu verformen habe immer noch mit der Beobachtung der Flamme und dem richtigen Gefühl für die Bearbeitung zu tun, erklärt Dichter. „Ein bisschen wie die Kunst der Glasbläserei.“

 „Die größte und sehr ernst zu nehmende Konkurrenz kommt aus Italien“, berichtet der Geschäftsführer Dort spielten sogar drei Unternehmen  etwa in der gleichen Liga wie Ambeg. Gegen die asiatische Konkurrenz  sieht sich Dichter  besser gewappnet: „Es ist Fakt, dass unsere Maschinen schneller und präziser sind als die aus China oder Indien.“ Für die nächsten Jahre erwartet der Geschäftsführer auch nach der Pandemie eine gleichbleibend hohe Nachfrage und setzt dabei vor allem auf eine verbesserte Gesundheitsversorgung in  den Entwicklungsländern. 

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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