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Gravierende Einschnitte

Ob Messer, Uhren, Gewehre oder Scrimshaw-Objekte: Sammler schätzen die Luxusobjekte des Weltklassegraveurs Richard Maier.

F.A.Z.

18.01.2022

Han Nguyen

Max-Planck-Gymnasium Lahr, Lahr

„Es  ist Passion, es ist mein Leben“, sagt der Graveur Richard Maier. Neben edlen Uhren und Jagdwaffen verwandelt er vor allem Luxusmesser in Unikate. In seinem Atelier Trompeter & Ritchi mit Sitz in Bondorf bei Stuttgart   arbeitet er mit seiner Lebensgefährtin zusammen; sie ist für die visuelle Darstellung der Werkstücke verantwortlich. Ein Arbeitstag von Maier dauert 8 bis  14 Stunden. Der Jahresumsatz bewegt sich nach eigenen Angaben im sechsstelligen Bereich.

Maiers  neue Kollektionen erscheinen in der Regel zu Jahresbeginn. Kunden  können sich  auch eine Gravur anfertigen lassen. Pro Jahr stellt  Trompeter & Ritchi bis zu 20 Messer mit und  ohne Gravur her.  Der Preis für ein nicht graviertes Messer beginnt bei rund 2000 Euro.  Maier entwirft die Messer und lässt sie von einem Messermacher anfertigen. Die Lederscheide kommt von einem Sattler. „Auch hier wird extrem präzise gearbeitet, alles muss passen“, sagt er. Am Ende des Produktionsprozesses steht die Buchbinderei, die von Hand Kartonboxen anfertigt.

Maier graviert auf Metallen, etwa auf Stahl, Gold und  Kupfer, und auf  Perlmutt.  „Ich graviere keine Rohmaterialien, welche dem Artenschutz unterliegen, und versuche, nachhaltige Materialien zu benutzen“, sagt er.   Manchmal gibt der Kunde  ein Motiv oder ein  Thema vor.   Manche Klienten wählten sehr persönliche Motive aus, beispielsweise den geliebten Jagdhund. Sie freuten sich, wenn er es schaffe, die Tiere mit ihrer Seele   darzustellen.   Einmal gravierte er Fasanenfedern auf eine Flinte. „Ich habe Stunden und Tage damit verbracht, Fasanen zu beobachten und zu fotografieren“, erzählt Maier.

Auf der Welt gebe es  eine  Handvoll Elitegraveure, die er als Wettbewerber sehe.  „Es ist so, als wenn man zwischen einem Ferrari, einem Bentley und einem Rolls-Royce entscheiden müsste. Da kommt es  auf den Kunden an und welchen Stil er bevorzugt“, sagt Maier selbstbewusst.

Maier benutzt klassische Werkzeuge,  in der linken Hand den Stichel und in der rechten den Ziselierhammer. Ein Stichel ist ein Meißel, versehen mit verschiedenen Schliffen und Schliffwinkeln an der Spitze. Durch den Ziselierhammer wird der Stichel vorangetrieben. Allerdings haben in der Welt der Handgraveure auch pneumatische Gravurwerkzeuge  Einzug gehalten: Die Stichel  werden   über Druckluft und Fußpedalsteuerung angetrieben. Dies ermöglicht  ein Arbeiten unter weniger  Kraftaufwand. Der Hammer fällt weg, und Maier kann schneller und konzentrierter arbeiten. „Die Hand führt nach wie vor den Meißel. Ob der jetzt pneumatisch betrieben wird oder durch die zweite Hand mit dem Hammer, das ist komplett egal.“  Wichtig für jeden Handgraveur ist zudem  die Gravierkugel.   Dies ist ein Schraubstock, in den  man die  Werkstücke einspannt; man kann sie dann  in jede beliebige Position drehen. Mikroskop, Lupe und gutes Licht sind darüber hinaus Voraussetzung für genaues Arbeiten.

Maier arbeitet oft an mehreren Gravuren gleichzeitig, um seine Konzentration und Präzision aufrechtzuerhalten. Wenn er zu lange an einem Objekt arbeite, sehe er „die Dinge nicht mehr, wie sie sein sollten“. Dann verstaut er die  Arbeit und holt sie bald  wieder  hervor. Ganz schnell entdecke er  dann kleine Details oder Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel „eine Passage, die noch nicht so graviert ist, wie sie sein sollte“.  Für kleine Monogrammgravuren braucht Maier wenige Stunden,  komplexe Projekte können weit mehr als  1000 Stunden beanspruchen.  Maier hat schon   mit dem Schweizer  Luxusgüterkonzern  Richemont zusammengearbeitet. Er  gravierte  Uhren der Marke   Piaget und  Schreibgeräte von Montblanc.

Eine genaue Auskunft über seine Kunden darf Maier nicht  geben. Es sind wohlhabende Menschen, unter ihnen befinden sich Sammler aus aller Welt, etwa aus  Abu Dhabi, Moskau und  San Francisco. Viele  Klienten vererbten ihr  Objekt   weiter. Der eine  Kunde präsentiere es    in einer Vitrine, der  andere in einem Panzerglaskasten. „Man gibt etwas von seiner inneren Energie, die man in seine Gravur einfließen lässt, weiter, und jemand anderes kann sich daran erfreuen“, sagt Maier.

Maier graviert auch „Scrimshaw“- Objekte. Als Scrimshaw bezeichnet man das Gravieren auf alten Horn- und Zahnmaterialien von Tieren. Zu den ältesten Kunstwerken der Erde, die etwa 45 000 Jahre alt sind,  zählen kleine Schnitzereien, zum Beispiel auf  Mammutelfenbein oder -zähnen. Auch auf einem sehr alten  Mondphasenkalender, der aus Mammutknochen besteht, fand man eingravierte Linien. Der frühere  US-Präsident John F. Kennedy verfügte über eine beeindruckende Sammlung von Scrimshaw-Objekten. Bei einer seiner Reden sah man die  gravierten Zähne auf seinem Schreibtisch.  Mitte der Achtzigerjahre kam Scrimshaw nach Europa. Maier  war einer der Ersten, der solche Objekte anfertigte. 

Bei Scrimshaw setzt er den Stichel  auf poliertem Hirschhorn oder Rinderknochen an. Zu  95 Prozent benutzt er  fossile Materialien wie Fragmente von Mammutzähnen aus Sibirien oder Alaska.  Je nach Qualität schwanken die Preise für ein Kilogramm fossiles Mammutmaterial zwischen 100 und 1000 Euro. Die Hauptwerkzeuge für das Gravieren der Tiermaterialien sind Steinnadeln.  

Oft  sind Maiers Gravuren nur wenige Zentimeter  klein. Der Preis für eine  Monogrammgravur beginnt im dreistelligen Bereich;  aufwendige Projekte sind wesentlich teurer.  Ein Objekt eines  Luxusherstellers,  das er graviert hat, ist  für eine Million Euro verkauft worden.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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