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Geschmack ist lokalisierbar

Mit dem Restaurantführer Taste Twelve bekommt man einen Hauptgang geschenkt.

F.A.Z.

1.10.2020

Paula Aschmann

Kath. Schule Liebfrauen, Berlin-Charlottenburg

Ein Paar betritt das Restaurant „Bar Brass“ in Berlin-Wilmersdorf. Am Eingang zeigt es ein blaues Buch vor. Am Ende des Abends steht ein Hauptgang weniger auf der Rechnung. Das ist das Prinzip von Taste Twelve, einem „Restaurantführer mit Einladung“. Auf ansprechende Weise werden darin zwölf Restaurants einer Stadt vorgestellt. Wer das Buch für 38 Euro erwirbt, erhält einen Hauptgang „geschenkt“ – vorausgesetzt, man wird von mindestens einer Person begleitet, die den vollen Preis zahlt.

Die Idee kam Jochen Schmelzer in Schweden. Das, was es gab, gefiel ihm nicht: „Gutscheinhefte sind in Restaurants verpönt, weil sie nur ein Angebot für die geizigeren Kunden sind.“ Schmelzer gründete 2006 das Unternehmen EAT Sweden und entwickelte einen Führer für Stockholm. Im ersten Jahr wurden 8000 Exemplare verkauft. Die Restaurants hatten nicht mit so viel Nachfrage gerechnet. Seitdem hat Schmelzer die Auflagenhöhe auf 4000 Exemplare begrenzt. 2008 erschienen weitere Restaurantführer für Skandinavien.

Nachdem er „EAT Düsseldorf“ und „EAT Köln“ auf den Markt gebracht hatte, entschloss er sich zur Gründung der Taste Twelve GmbH in Köln. Inzwischen gibt es Ausgaben für Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und Köln. Schmelzer ist mit seiner Geschäftsidee nicht mehr der Einzige in Deutschland. Der Piper-Verlag bietet mit einem Produkt von „Essen & Trinken“ etwas Ähnliches an.

Taste Twelve achtet darauf, dass immer ein Traditionsbetrieb, ein recht neues, ein unterschätztes und ein exotisches Restaurant im Buch sind. Für die Suche nach ihnen arbeiten Schmelzer freie Mitarbeiter zu. Verkauft werden die Bücher im Online-Shop, in Buchläden, Delikatessgeschäften und Weinhandlungen. 2019 lagt der Umsatz laut Schmelzer bei rund 600.000 Euro. Allerdings waren die Erfolge in Deutschland nie so groß wie in Skandinavien. Die Stadt mit dem meisten Umsatz war bislang Helsinki.

Die meisten Kunden verschenken den Führer. Die leitende Beamtin Birgit Vatterodt hat ihn auch selbst genutzt. Die Hamburgerin und ihr Mann sind repräsentativ für den Kundenkreis: Sie legen Wert auf gutes Essen, kochen hervorragend und sind bereit, für exquisite Menüs tief in die Tasche zu greifen. Vatterodt und ihrem Mann geht es weniger um den geschenkten Hauptgang als darum, neue Restaurants kennenzulernen. In den Restaurants seien sie wie „ganz normale Kunden“ behandelt worden.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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