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Er sprengt nicht das Budget

Sie haben den AfE-Turm und die Salzbachtalbrücke in die Luft fliegen lassen. Die Reisch GmbH hat schon viele Bauwerke zu Fall gebracht.

F.A.Z.

7.07.2022

Maximilian Barthel

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Im November 2021 wurde die einsturzgefährdete Salzbachtalbrücke in Wiesbaden gesprengt. Mit 221 Kilogramm Sprengstoff brachte man den Koloss zu Fall. Sprengmeister Eduard Reisch und seine Reisch Sprengtechnik GmbH aus Peißenberg in Oberbayern hatten die Sprengung monatelang bis ins kleinste Detail geplant. Am 6. November um 12:01 Uhr ging es dann ganz schnell, in wenigen Augenblicken war das Spektakel vorbei, alles verlief planmäßig. Sprengungen dieser Größenordnung sind sogar für Reisch eine Seltenheit. 2014 erregte das Unternehmen Aufsehen, als es den AfE-Turm der Frankfurter Universität in einem dicht bebauten Gebiet zu Fall brachte; es war damals die größte Gebäudesprengung Europas.

Unterschiedliche Gebäude benötigten unterschiedliche Herangehensweisen, sagt Reisch. „So wie man aufbaut, baut man auch zurück.“ Die Sprengung sei dann das Verdichten monatelanger Vorgänge in wenigen Sekunden. Die Herausforderung sei das, was ihn auch nach mehr als 36 Jahren an diesem Beruf so reize, sagt der Geschäftsführer. Der Sechzigjährige erzählt, er habe schon als Fünfjähriger gewusst, dass er diesen Be­ruf einmal ergreifen wollte. Bereits im Kindesalter sei er mit Selbstlaboraten tä­tig gewesen, was nicht immer ganz sicher gewesen sei.

Reisch erinnert sich an die Planung der Sprengung des AfE-Turms. Als er zum ersten Mal  auf dem Tower war und nach unten sah, fragte er sich, ob eine Sprengung   möglich ist.  „In diesen begrenzten Platz soll man  den Turm reinlegen, ohne die angrenzende dichte Bebauung in irgendeiner Art und Weise zu beschädigen“,  beschreibt Reisch die Herausforderung. Bis zum Tag der Sprengung arbeiteten an dem Projekt mehr als 30 Sprengberechtigte.

Reischs 1985 gegründete Firma ist  auf der ganzen Welt in der Spreng-, Abbruch- und Pyrotechnik tätig. Jede Woche ist laut der Prokuristin Rosita Kandlhofer eine Sprengung angesetzt. Man ist nach eigenen Angaben marktführend in Deutschland; mit der langen  Erfahrung von  Eduard Reisch hebe man sich  von der Konkurrenz ab. Der Umsatz des Unternehmens, das 30 Mitarbeiter beschäftigt, lag 2021 im mittleren siebenstelligen Be­reich. Der Gewinn war  laut Kandlhofer gegenüber dem schon guten Jahr 2020 nochmal gestiegen

Den Umsatz erwirtschaftet man hauptsächlich  mit Sprengungsarbeiten.  Angeboten werden neben Gebäude-, Kamin- und Brückensprengungen auch  Abtragungssprengungen für Tunnel- und Straßenbau sowie  Gewinnungssprengungen für Steinbrüche.  Auch Abbrucharbeiten mit der Hand, wo eine Sprengung nicht infrage kommt, bietet das Unternehmen an. Weitere Produkte sind Pyrotechnik und Großfeuerwerke für Hochzeiten und Firmenfeiern sowie   Hydraulikschläuche und Sonderteile aus Stahl für Baumaschinen und Bohrgeräte. 

Damit eine  Sprengung keine Schäden im Umfeld anrichtet, müssen einige Faktoren beachtet werden; dazu gehören  die Statik von Sprengungsobjekt und Umgebung,   die Berechnung der benötigten Sprengladung  und die durch die Sprengung entstehenden Erschütte­rungen.  „Sobald eine Bebauung in der Nähe ist, muss eine Erschütterungsprognose erstellt werden“, erklärt Kandl­hofer. Reisch erinnert sich, dass  „schon der eine oder andere Kamin“   nicht richtig ge­­sprengt worden sei. Insgesamt seien   Sprengungen aber  „zumindest zu  99 Pro­zent sicher“.

 Vor der Sprengung werden   Löcher für die Sprengladungen von 30 bis zu 127 Millimetern in Fels und Stahlbeton ge­bohrt. Die  Sprengstoffe variieren nach  Reisch  von gelatinösen Gesteinssprengstoffen über Emulsionssprengstoffe wie Ammoniumnitrat bis hin zu  Nitropenta. Die  Planung eines  Auftrags dauere in der Regel drei bis vier Monate.  Auftraggeber sind  laut Reisch  „alle Rückbauunternehmen in Deutschland“ und  oftmals der Staat, wenn beispielsweise Brücken wie die Salzbachtalbrücke zu­rückgebaut werden müssen. „Das Sprengen wird eine größere Bedeutung kriegen“, sagt Reisch mit Blick auf die vielen maroden Brücken und auch Ge­bäude in Deutschland, denn „ein normales Rückbauverfahren dauert wesentlich länger als ein Sprengverfahren“.

Weitere wichtige Vorteile  seien, dass  im Vergleich zur manuellen Abtragung  die Staubentwicklung und der Baulärm we­sentlich geringer seien und oft auch die Kosten. Nach Reisch hätte die manuelle Abtragung des AfE-Turms in Frankfurt mehr als  4 Millionen Euro gekostet und über Monate  viel Lärm verursacht. Die Kos­ten der Sprengung inklusive der Sicherheitsmaßnahmen hätten sich hingegen  auf „unter einer Million“ belaufen. Die Zeitersparnis mache sprengtechnische Verfahren vor allem für den Rückbau der für den Verkehr so wichtigen  Brücken attraktiv.  

 

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