„Im Falle eines Falles, bei Loebner gibt es alles.“ Das ist das Motto der Familie Loebner, die das Spielwarengeschäft Carl Loebner – „Das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands gegr. 1685“ e.K. betreibt. Inmitten der sächsischen Stadt Torgau, in der sich vor 77 Jahren amerikanische und sowjetische Soldaten die Hände reichten, gehen dort seit 337 Jahren Kunden ein und aus. Gegründet wurde das Geschäft 1685 vom Drechslermeister Christoph Loebner; es befindet sich seit zwölf Generationen im Familienbesitz. Das Unternehmen wurde jeweils vom Vater auf den ältesten Sohn vererbt. „Mir wurde es in die Wiege gelegt, dass ich das Geschäft weiterführen werde“, sagt Ingo Loebner. Er hat es von seinem Vater Jörg Loebner übernommen und führt es mit acht Mitarbeitern.
Die frühen Vorfahren haben noch mit viel handwerklichem Geschick filigrane Spielzeuge wie Schachspiele aus Elfenbein und die kleinste Gliederpuppe der Welt hergestellt. Ab 1830 konzentrierten sich die Loebners dann auf den Vertrieb und stellten die Spielzeugproduktion nach und nach ein. Bis heute befindet sich das Geschäft im ursprünglichen Gebäude. Das Haus wurde 1750 für 300 Goldtaler erworben und beherbergt auch ein Archiv, in dem sich Kunden alte und besondere Spielzeuge ansehen können. „Alte Dielen aus der Renaissancezeit und Stuck an den Decken erinnern außerdem an die lange Geschichte und Tradition unseres Unternehmens“, sagt Ingo Loebner.
„Um das Geschäft jahrhundertelang so zu erhalten, gehörte unwahrscheinlich viel Glück dazu“, beteuert Seniorchef Jörg Loebner. So sei im Zweiten Weltkrieg nur eine Bombe auf Torgau gefallen, die glücklicherweise nicht das Spielzeuggeschäft traf. Auch als die Stadt nach Kriegsende von Plünderern heimgesucht wurde, sei das Geschäft wie durch ein Wunder verschont geblieben. „Als alle Einwohner der Stadt in den nahe gelegenen Wald flohen, vergaß mein Vater in der ganzen Aufregung die Haustür abzuschließen, welche nun sperrangelweit offen stand. Da die Plünderer dachten, dass das Haus schon ausgeräumt worden war, zogen sie vorbei und ließen alles verschont.“
Als 1972 zu Zeiten der DDR alle Unternehmen mit zehn oder mehr Mitarbeitern verstaatlicht werden sollten, sei das Unternehmen auch diesem Schicksal entronnen. „In derselben Woche, in der das Geschäft verstaatlicht werden sollte, kündigte einer unserer Mitarbeiter zufällig, wodurch wir statt zehn nur noch neun Angestellte hatten“, erinnert sich der Seniorchef.
Während des Sozialismus habe er seine Kontakte spielen lassen und sei mit einem Lada und einem Anhänger regelmäßig und unter viel Zeitaufwand in den Westen gefahren, um dort Exportüberhänge zu kaufen. „Ich habe die Spielwaren ins Auto gestapelt, dass keine Hand mehr dazwischen passte“, erzählt er schmunzelnd. Zeit und Mühe hätten sich aber gelohnt. Denn es habe sich stets ein gewaltiger Menschenauflauf vor dem Geschäft versammelt, um die begehrten Spielzeuge aus dem Westen zu kaufen.
Heute wird Geschäftsführer Ingo Loebner durch die Pandemie und die starke Konkurrenz durch Onlineanbieter wie Amazon auf eine harte Probe gestellt. Doch er hat eine Lösung gefunden. Seit 2013 führe man einen Onlineshop mit rund 21 000 Artikeln von 220 Herstellern. „Jährlich versenden wir mithilfe unseres Onlinehandels rund 120 000 Pakete, was uns während der Corona-Pandemie über Wasser gehalten hat“, sagt Loebner. Manche Pakete schickte man sogar nach Indien, Australien und Japan. Im vergangenen Jahr seien 90 bis 95 Prozent des Umsatzes von rund 4 Millionen Euro auf den Onlinehandel zurückzuführen gewesen. „Der Entschluss, uns online noch breiter aufzustellen, hat dafür gesorgt, dass sich unser Umsatz die vergangenen vier Jahre jeweils im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt hat“, berichtet der Unternehmensleiter.
„Vor allem in den Sommermonaten von April bis September besuchen Touristen unseren Laden und kaufen Kleinigkeiten“, berichtet Ingo Loebner. Beliebte Produkte seien Legosteine, Brettspiele wie Monopoly, Barbiepuppen und Experimentierkästen. „Vor zehn Jahren ist ein Kunde extra aus New York mit einem Flugzeug angereist, um sich für zwei Stunden im Laden aufzuhalten, während draußen ein Taxi mit laufendem Motor auf ihn gewartet hat“, erzählt Ingo Loebner. „Nach einem Spielzeugkauf für seine Enkel im Wert von 1500 Euro ist er wieder zurückgereist, und wir haben das ausgewählte Spielzeug hinterhergeschickt.“