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Eine Erfindung mit Ecken und Kanten

Das Geodreieck wurde 1964 in Österreich erfunden und wird dort heute noch hergestellt – und nach Deutschland exportiert.

F.A.Z.

4.03.2021

Johannes Willner

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Es ist eine geschützte Marke und heißt Aristo-Geodreieck. Aristo wurde 1936 als Markenname des Hamburger Unternehmens Dennert & Pape eingeführt, einer Werkstatt für geodätische und mathematische Instrumente. 1943 errichtete man in Österreich eine Produktionsstätte. 1964 erteilte die Muttergesellschaft den Auftrag, ein durchsichtiges Zeichengerät zu entwickeln, das für die Bestimmung von Winkeln und zum Zeichnen von Linien geeignet ist. Das Ergebnis hat sich seitdem nicht verändert. Damals wie heute ist die Hypotenuse 16 Zentimeter lang, und der gelbe Halbkreis mit den Winkelangaben ist der gleiche geblieben. Das Geodreieck wurde zum Standardwerkzeug in den Schulen.

Das Wort Aristo ist dem Altgriechischen entnommen und steht für "das Beste". Aristo ist inzwischen eine Marke der Geotec Schul- und Bürowaren GmbH aus Wörgl in Österreich, die mit der Unverwüstlichkeit der Geodreiecke wirbt. "Wir vertreten bei den Geodreiecken eine Top-of-Class-Philosophie", sagt Verkaufsleiter Peter Bier selbstbewusst. Anfang der siebziger Jahre entwickelte man auch den ersten serienmäßig in Deutschland hergestellten Taschenrechner, den Aristo M27.

2003 kauften leitende Mitarbeiter in einem Management-Buyout den Standort Wörgl, sie übernahmen auch sämtliche Markenrechte für die Aristo-Zeichengeräte. Heute beschäftigt Geotec zwischen 30 und 35 Mitarbeiter. Lag der Jahresumsatz 2003 noch bei 2,5 Millionen Euro, liegt er nach Unternehmenangaben nun bei 8,5 Millionen Euro. Diese Steigerung sei einerseits im wachsenden Sortiment der Marken Aristo und Geodreieck zu begründen, vor allem aber durch Geotecs Funktion als exklusiver Vertreter in Österreich von Marken wie Schneider, Staedtler Fimo, Tarifold und Tombow, erläutert Marketingleiter Gregor Kabosch. Auch die Produktpalette wuchs: von etwa 50 Produkten 2003 auf rund 700 Produkte.

Jedes Jahr würden etwa 200 000 Geodreiecke verkauft. Von den klassischen Geodreiecken gingen 35 000 nach Deutschland, sagt Kabosch. Es kostet zwischen 3 und 5 Euro. Inzwischen umfasst das Angebot 19 Geo- und TZ-Dreiecke; sie sind mit dem Österreichischen Umweltsiegel ausgezeichnet. Geotec sei auch in der Corona-Zeit gewachsen, sagt Bier. "Viele Menschen haben den Wert ihrer Zeit wiederentdeckt, was wir bei unseren Zeichen- und Skizzierprodukten merken."

Die Geodreiecke bestehen aus Plexiglas und werden aus sortenreinem Granulat hergestellt. Plexiglas ist transparenter und kratzfester als vergleichbare Kunststoffe. Im Spritzgussverfahren wird das Kunststoffgranulat erhitzt und mit hohem Druck in die Form gepresst, um Lufteinschlüsse zu vermeiden. Seit vielen Jahren kooperiere man mit Mitarbeitern der Lebenshilfe Tirol. "Diese üben bei uns im Haus wertvolle Konfektionierungs- und Produktionsarbeiten aus. Das ist gelebte Inklusion" sagt Bier.

Hergestellt wurden die Geodreiecke bis Dezember in Wörgl. Ein Großbrand zerstörte jedoch am 7. Dezember die Lager- und Produktionsbereiche. Mit der Hilfe von Partnerunternehmen kann nun langsam wieder produziert werden. "Wir werden das jetzt zum Anlass nehmen, den Neubau der Produktions- und Lagerhalle so zu gestalten, dass wir gestärkt und zukunftsorientiert auf dem bestmöglichen technischen Stand aus dieser Situation herausgehen", betont Bier.

In Österreich beherrscht Geotec nach eigener Aussage mit Abstand den Markt. Man exportiert in mehr als 50 Länder. International kommt die Konkurrenz hauptsächlich aus Asien. Diese versuche mit Billigprodukten, mit Preisen von 50 Cent, den Markt zu überschwemmen, berichtet Bier.

Die Geodreiecke werden in umweltfreundlichen Schutzhüllen verpackt. Dass sie bei schlechter Behandlung zu Bruch gehen können, berichtet ein Kunde aus Aachen. "Einer meiner Söhne hat das begnadete Talent, diese Dinger ständig zu zerbrechen, weshalb ich 10 Stück auf einmal gekauft habe, an denen er sich nun abarbeiten kann." Die Schülerin Lorena Krämer aus der 12. Klasse des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums in Gießen sagt, das Geodreieck werde in ihrem Jahrgang nur noch wenig benutzt, da man immer mehr auf Tablets umsteige. "Für die jüngeren Kinder ist seine Bedienung oftmals eine logische wie auch motorische Herausforderung und muss wiederkehrend trainiert werden", berichtet die Mathematiklehrerin Jerry Maute-Möhl. Zeichnen funktioniere aber kaum ohne Geodreieck. Nach Ansicht der Lehrerin sind Zeichnungen wichtig, "um sich Sachverhalte besser vorstellen zu können und nicht zuletzt auch um ein flächiges und räumliches Vorstellungsvermögen zu gewinnen".

Johannes Willner

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

 

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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