Spannende Inhalte finden

Die Wärme kommt scheibenweise

Heizfenster statt Wärmepumpe: Die Produkte eines jungen Unternehmens sollen den Klimaschutz voranbringen.

F.A.Z.

3.11.2022

Max Scharnhoop

Heinz-Berggruen-Gymnasium, Berlin

Mit der  Heizung kann man einiges  zum Klimaschutz beitragen. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einer Gasheizung stößt nach Angaben von Effizienzhaus-online  rund 5 Tonnen CO2 im Jahr aus, mehr  als die Hälfte des gesamten energiebedingten CO2-Ausstoßes eines  Durchschnittsdeutschen. Die Vestaxx GmbH aus Berlin bietet  eine innovative Fensterheizung an, die nach  Angaben ihres Gründers Andreas Häger eine klimaneutrale und deutlich günstigere Heizlösung für Neubauten darstellt.  Diese Fenster funktionieren mit Strom und sollen in Konkurrenz zur Wärmepumpe treten.

Das Unternehmen, in dem fünf Personen arbeiten, ist 2019 gegründet worden, doch die Idee zur Fensterheizung entstand schon früher.  Häger arbeitete für Schüco,  ein Unternehmen aus der  Bauzuliefererbranche, das  Solarmodule in die Fassaden, die es verkauft, integrieren wollte. Manche Solarmodule haben   eine Schicht aus Zinkoxid  über der Solarzelle, die sich aufheizt, wenn Strom durchgeleitet wird.

Der Elektrotechniker Häger experimentierte mit dieser Schicht, indem er sie auf Glas installierte und die Scheibe so zum Erhitzen der Umgebung brachte.  Im Jahr 2014 wurde die Vestaxx GbR gegründet. Der allererste Auftrag des  Start-ups ist Häger gut  im Gedächtnis geblieben. „Der Auftrag war für ein im Jahre 1850 gebautes Kurhotel.“ Der Seminarraum konnte über die Heizkörper nicht mehr versorgt werden, weil diese aufgrund ihres Alters  innen verdreckt waren.  „Wir installierten sechs  Fensterscheiben und waren eigentlich sicher, dass dieser Raum mit zwei Außenwänden allein mit den Heizscheiben nicht ausreichend zu heizen war.“ Es war  Anfang Januar und draußen minus 15 Grad kalt. „Kurz nach der Montage bekam ich einen Anruf des Bauleiters, der mich fragte, wie er die Temperatur niedriger stellen könne“, erzählt Häger weiter.  Dem Bauleiter war der Raum zu warm geworden. 

 Das Vestaxx-Heizfenster besteht aus drei  Scheiben. Die innere Scheibe ist auf beiden Seiten mit Zinkoxid beschichtet.  Diese Schicht ist hochtransparent und leitfähig. Die mittlere und äußere Scheibe sind  mit einer ebenso hochtransparenten Schicht Silber bedeckt, die zur Reflexion der Wärmestrahlung aus den Zinkoxidschichten dient. Normale Fenster seien   durchlässiger für Wärmestrahlung, was zu einem höheren Wärmeverlust führe, erklärt Häger.  Die Zwischenräume des Fensters sind mit dem Gas Argon gefüllt, das sich besonders gut zur Wärmeisolation eignet. Dies führt nach Hägers Angaben  dazu, dass die Wärme zu 95 Prozent ins Hausinnere abgestrahlt wird.  Die Fenster sind nicht viel dicker als normale, doppelt verglaste Fenster.

Der eigentliche Heizvorgang geschieht in den Zinkoxidschichten auf der inneren Scheibe, durch die Strom mit einer Spannung von 230 Volt geleitet wird. Teile der elektrischen Energie werden dann wegen des elektrischen Widerstands im Zinkoxid in Wärmeenergie umgewandelt. Etwa 40 Prozent dieser Energie werden konvektiv, das heißt direkt über Berührungskontakt, an die Luft abgegeben. Die restlichen 60 Prozent der Wärmeenergie werden als Strahlung abgegeben, erläutert Häger. Diese treffe dann auf feste Körper wie  Wände oder Menschen, die  erwärmt würden. So sorge die Wärmestrahlung dafür, dass sich der ganze Raum erhitze.

Die Erwärmung des Körpers durch Strahlung soll wohltuend sein.  „Die Strahlen dringen tief in das Gewebe ein und regen die Durchblutung an. Es entsteht das gleiche Gefühl auf der Haut wie bei Sonnenstrahlen“, erklärt Häger.  Nach Angaben des  Bundesamtes für Strahlenschutz hat eine  langwellige Wärmestrahlung  in moderaten Mengen positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden.

Die Fenster von Vestaxx werden nach eigenen Angaben auf der Oberfläche maximal 50 Grad  heiß, also weit unter der Grenze für eine Verbrennungsgefahr. Die Fenster seien  auch für Kinder sicher.   Das Unternehmen fertigt nicht selbst, sondern in  Partnerunternehmen. 

Die Fenster lassen sich laut Häger  ganz normal öffnen, da sie über ein Kabel im Scharnier mit dem Strom verbunden sind. Nach eigenen Angaben sind  sie  wartungsfrei und reagieren viel schneller auf Temperaturveränderungen als eine herkömmliche Wärmepumpe. Derzeit seien die Fenster nur in Deutschland und dem nahen Ausland verfügbar, doch man plant, in ganz Europa zu expandieren. „Gerade die Gaskrise bewegt viele momentan dazu, umzudenken.“ Man baut die  Fenster nur in Neubauten ein;  Altbauten könnten in der Regel nicht ausreichend mit ihnen beheizt werden.   Ein Fenster  von einem Quadratmeter kostet laut Häger  500 Euro. 

Ein Neubauhaus von 150 Quadratmeter Wohnfläche habe mit eingebauten Vestaxx-Heizfenstern einen Heizwärmebedarf von 4500 Kilowattstunden Strom im Monat, das koste ungefähr 135 Euro. Da die Kosten für Gas wegfielen  und man zusätzlich mit einer Solaranlage bis zu 60 Prozent des nötigen restlichen Hausstroms selbst produzieren könne, könnten die gesamten Energiekosten, inklusive Hausstrom, auf unter 100 Euro gesenkt werden.

Kunden des Unternehmens sind  hauptsächlich Privatkunden,  jedoch auch Großabnehmer aus der Wirtschaft wie die Fensterunternehmen Rekord aus Itzehoe und Wagner aus Niederwürschnitz. Im Jahr 2021 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 600 Heizfenster verkauft und einen Umsatz von 350 000 Euro erzielt. Der Erlös hat sich  seit der Gründung jährlich verdoppelt.  „Wir befinden uns  in einer Phase des exponentiellen Wachstums“, sagt Häger.

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

Weiterlesen

Cookie Einstellungen