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Die Veganer durchkreuzen alles

Auf den Schiffsreisen von Vegan Travel wird viel Gemüse verzehrt – ist das umweltfreundlich?

F.A.Z.

18.12.2020

Jason Klassen

Albert-Einstein-Gymnasium, Frankenthal

Es scheint ein Gegensatz zu sein: vegane Kreuzfahrten. Die Vegan Travel UG aus Münster veranstaltet solche Reisen. Das Unternehmen wurde 2013 gegründet. „Es war lange sehr schwierig für vegan lebende Menschen oder solche, die an einer gesunden Lebensweise interessiert sind, vernünftig Urlaub zu machen. Diese Nische haben wir versucht zu schließen“, sagt Geschäftsführer und Gründer Dirk Bocklage. Das Unternehmen sei der einzige Anbieter auf der Welt, der 100 Prozent pflanzliche Kreuzfahrten im Vollcharter durchführe. Man chartere die Schiffe mit Besatzung, bringe aber ein eigenes Team mit, zum Beispiel eigene Köche und Yogalehrer.

Der Vollcharter habe auch Nachteile. „Der Reederei ist egal, ob 20 oder 120 Gäste an Bord sind. Der Charterpreis bleibt gleich.“ Man nehme aber, wenn das Schiff nicht ganz voll sei, keine anderen Reisenden mit an Bord, nur um die Kabinen zu füllen. Das Unternehmen hat fünf Angestellte. Der Jahresumsatz liegt nach Bocklage im sechsstelligen Bereich und sei stetig gestiegen.

Doch dieses Jahr ist alles anders. Wegen der Corona-Pandemie gibt es derzeit keine Reisen. „Die meisten unserer Kunden haben auch keine Chance, nach Europa zu kommen; wir haben sehr viele internationale Kunden.“ Viele Gäste kämen aus anderen europäischen Ländern und aus Amerika, Kanada und Australien. Reisen an Silvester zögen ein etwas jüngeres Publikum an. Insgesamt seien die Passagiere zwischen 20 und 80 Jahren alt. Laut Bocklage gibt es viele Stammkunden.

Vor Corona hat Vegan Travel fünf bis sieben Reisen im Jahr veranstaltet. „Wir bereisen regelmäßig alle Flüsse in Europa, schauen aber auch über Europa hinaus.“ So habe man in Südamerika eine Expeditionsreise zum Kap Horn gemacht. Der Preis für eine Woche in Europa fängt bei 700 bis 800 Euro je Person an. „Am beliebtesten ist die Galapagos-Reise, weil viele davon träumen, die Galapagosinseln einmal im Leben zu besuchen“, sagt Bocklage, der bei allen Reisen mit dabei ist. Der Preis je Person für die zehn Übernachtungen in einer Deluxe-Doppel-Balkonkabine beträgt rund 7700 Euro, in der Premiere-Deluxe-Kabine 8200 Euro. Enthalten sind eine „gehobene 100 Prozent pflanzliche Vollpension-Verpflegung im eleganten Panoramarestaurant“, die Landausflüge und ein Rahmenprogramm. Sehr beliebt seien auch die Südfrankreich-Reisen.

„2019 hatten wir rund 1500 Gäste, und es gab sieben Reisen, unter anderem eine Hochseereise, die wir nur alle paar Jahre machen.“ An ihr nahmen 1000 Gäste aus 23 Ländern teil. 80 Prozent der Kunden kamen nicht aus Deutschland. „Die Flussschiffe haben jeweils 80 bis 120 Betten“, berichtet Bocklage. Auf dem Hochseeschiff könne man viel mehr machen als auf einem Flussschiff; es gebe Swimmingpools, Saunen und Fitnessangebote. „Auf dem Flussschiff ist das ein bisschen begrenzt, da gibt’s aber Vorlesungen, Kochshows und Yogastunden.“ Ein Flussschiff zu chartern koste 200.000 bis 500.000 Euro. Für ein Hochseeschiff werde ein siebenstelliger Betrag fällig. Da man für solche Summen nicht in Vorleistung treten könne – „da würden die Banken nicht mitspielen“ – seien die beiden bisherigen Hochseefahrten buchhalterisch über die Reederei gelaufen.

Man „veganisiere“ die Schiffe vor der Abfahrt. „Das dauert etwa 5 bis 6 Stunden, bis alle Bettdecken durch unsere eigenen ausgetauscht sind.“ Veganisiert wird auch die Kosmetik. „Das, was wir veganisieren können, wird vegan gemacht, aber Möbel mit einem kleinen Lederbezug werden wir nicht runterschmeißen.“ Bei gecharterten Schiffen sei das nicht möglich.

„Alle Fahrten werden ohne die Verwendung von Schweröl durchgeführt“, sagt Bocklage. Die Hochseeschiffe verbrauchten „Marine Gas Oil“. Das sei „nicht perfekt, aber deutlich besser als das schädliche Schweröl“. Die Flussschiffe führen, wann immer möglich, mit Landstrom.

Laut Bocklage gibt es noch andere Anbieter von veganen Reisen; das seien aber eher kleine exklusive Gruppenreisen, die mehr kosteten. Er nennt Go’n joy Africa und Naturamerica Reisen. Umweltschützer äußern sich kritisch über vegane Kreuzfahrten. Man müsse gegenüberstellen, wie viel CO2 man einspare, weil man sich vegan ernähre, und wie viel CO2 man mit einer Kreuzfahrt verursache, sagt Daniel Rieger, Leiter Verkehrspolitik des Naturschutzbunds Nabu, und kommt zu dem Schluss: „Eine Kreuzfahrt ist nicht klimafreundlich und wird auch nie umweltfreundlich sein.“ Dass die Kunden zum Teil über sehr weite Strecken mit dem Flugzeug anreisten, verhagele die CO2-Bilanz dann komplett.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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