Spannende Inhalte finden

Die Kultur ist im Keller

In Kassel bauen zwei junge Frauen im Untergrund Pilze an.

F.A.Z.

1.07.2021

Paulina König

Jacob-Grimm-Schule, Kassel

Die Kultur ist im Keller

Wie zwei junge Frauen im Untergrund Pilze anbauen

 

Gemüse hatten Johanna Quendt und Katrin Becker schon länger in dem kleinen Garten des Mehrfamilienhauses in Kassel angebaut. Irgendwann entstand der Gedanke, dass der feuchte Altbaukeller der ideale Platz für essbare Pilze sein müsste. In Kassel waren nach dem Zweiten Weltkrieg im Weinbergbunker Pilze angebaut worden. Der Hauseigentümer hatte nichts gegen die Pilzzucht einzuwenden. Zusammen mit der dritten Gründerin Gina Schwarzmaier, die sich inzwischen  zurückgezogen hat, war das Unternehmen Kasseler Bunkerpilz geboren. Man wollte ungenutzte urbane Räume für den Pilzanbau erschließen, mit dem Anspruch, eine nachhaltige Wertschöpfungskette in der Stadt aufzubauen, erklärt Quendt. „Und so auch den Bezug zum eigenen Essen wiederherstellen, der vor allem in der Stadt oft nicht mehr gegeben ist.“

Ende 2018 bewarben sie sich für das Hessen-Ideen-Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Sie erhielten 2000 Euro im Monat und konnten ihre Lebenshaltungskosten für ein halbes Jahr decken. Die drei konnten sich  einarbeiten und eine Produktionsmethode entwickeln.  Schwarzmaier hat Musikwissenschaft und ökologische Landwirtschaft studiert. Becker studiert Produktdesign und schreibt ihre Diplomarbeit über den Anbau von Pilzen nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, einer Kreislaufwirtschaft ohne Abfall. Quendt hat Psychologie und ökologische Landwirtschaft studiert und zu nachhaltiger Ernährung geforscht.

Durch eine erste Crowdfunding-Kampagne über 5000 Euro finanzierten sie einen Betonmischer, einen Luftbefeuchter, ein Messgerät und  ein Lastenfahrrad.  Das zweite Crowdfunding-Ziel lag bei 8000 Euro; diese Mittel dienten dazu, Räume anzumieten und die Produktentwicklung voranzutreiben. „Wir haben das bewusst ,Low Budget‘ gemacht, also nichts mit Investoren und Investorinnen, sodass die Leute ganz genau wussten, wo das Geld hingeht und was wir konkret damit vorhaben“, erklärt Quendt.

Die Produktion der Pilze, ausschließlich Seitlinge wie zum Beispiel Austernpilze, erfolgt in ungenutzten Kellerräumen. Die Basis bilden Kaffeesatz, den sie in  Cafés einsammeln, und Stroh.  Da der Kaffeesatz eher sauer ist, sorgt der basische Kalk für einen neutralen Boden, der ideal für die Pilzzucht ist. Sie füllen  alles in Eimer oder Säcke, die sie in einen feuchtwarmen Inkubationsraum stellen.  Nach einigen Wochen werden die  Säcke und Eimer in den helleren Fruchtungsraum gebracht, wo die Pilze nach ein bis zwei Wochen erntereif sind. Das Substrat, das zweimal eingesetzt wird,  kompostiert ein Betrieb der solidarischen Landwirtschaft in Kassel.

„Wöchentlich können wir so 10 bis 15 Kilogramm Pilze ernten“, berichtet Quendt. Der größte Teil wird über die solidarische Landwirtschaft in Kassel verkauft.  Im Onlineshop bieten sie Pilzsalze, Trockenpilze und „Homegrow-Sets“ an. Die frischen Pilze werden für 24 Euro je Kilogramm verkauft. Insgesamt erzielte Kasseler Bunkerpilz 2020 einen Umsatz von rund 10 000 Euro, etwa die Hälfte mit den frischen Pilzen. Die Gründerinnen bieten zudem Workshops für 65 Euro an, in denen sie Pilzwissen  vermitteln.

 

 Paulina König

 Jacob-Grimm-Schule, Kassel

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

Weiterlesen

Cookie Einstellungen