Vom Genusswandern bis hin zu Extremtouren: Wandern ist Volkssport. Gut 40 Millionen Deutsche ab 14 Jahren gehen laut Statista dieser Freizeitbeschäftigung nach. Die Wanderbranche ist im Aufschwung. Auf dem Markt findet man Wander-Apps genauso wie Outdoor-Magazine. Es gibt zudem immer mehr Qualitäts- und Premiumwanderwege. Auch die Wanderschuhhersteller spüren diesen Trend deutlich. Die Lowa GmbH aus dem bayerischen Jetzendorf bei München hat ihn schon früh erkannt. „Einige Jahre nachdem die Bergregionen in den 1950er Jahren nach und nach touristisch erschlossen wurden, wurde Wandern ein richtiger Volkssport“, sagt Geschäftsführer Alexander Nicolai. „Die Menschen zog es in die Berge, da sie bereits damals einzigartige Momente erleben wollten. An diesem Antrieb hat sich auch heute nichts geändert.“
Lowa stattet Expeditionen aus und begibt sich mit dem Lowa-Pro-Team auf die höchsten Berge der Welt. Profibergsteiger wie David Göttler erreichen den Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff in Lowa-Schuhen. Weitere Expeditionen, die Lowa ausstattete, sind die Erstbegehung in der Zugspitze-Nordwand der Athleten Fritz Miller und Michaela Schuster und die Erstbegehung der Route „24 hours of freedom“ im November 2020 von Martin Feistl und Sven Brand an der Sagwand-Nordwand in Österreich.
Lorenz Wagner, dessen Anfangsbuchstaben den Firmennamen bilden, gründete 1923 in seinem Elternhaus eine kleine Schuhmacherwerkstatt. Zunächst fertigte er klassische Haferlschuhe, baute die Produktion dann schnell aus und produzierte Bergstiefel. Im Jahr 1936 beschäftigt er in seiner „Ilmtaler Schuhfabrik“ 54 Mitarbeiter. Die Skischuhe der ersten Generation waren aus Leder und trugen die Namen von Bergen. Für die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen 1936 wurde das Modell „Kreuzeck“ entwickelt. Seine Tochter Berti und ihr Mann Josef Lederer hätten die Schuhfabrik dann in eine neue Epoche geführt, sagt Nicolai. 1972 erhöht sich der Bekanntheitsgrad des Unternehmens durch die Entwicklung des Skischuhs Lowa Air. Dieser steht für einen sehr guten Sitz durch Luftpolsterung. Zehn Jahre später begründet Lowa mit dem ersten Trekking-Bergschuh Trekker eine neue Kategorie.
Doch Ende der 1980er Jahre gerät das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. „Um die Arbeitsplätze weiterhin sichern zu können, entschließt sich die Familie Lederer, ihre Unternehmensanteile abzugeben“, berichtet Nicolai. 1993 übernimmt die italienische Unternehmensgruppe Tecnica Lowa. Das Skischuhgeschäft wird nach Italien verlagert. „Lowa konzentriert sich fortan auf die Produktion von Bergschuhen“, berichtet Nicolai.
Einen großen Erfolg erzielt man mit dem Modell Renegade, einem leichten und flexiblen Multifunktionsschuh. „Dieses Modell wird zum Bestseller“, berichtet Nicolai. Eine neue Produktionsmethode wurde ausgetüftelt. „Was bisher nur in anderen Schuhsegmenten gängig war, bildete den Grundstein einer neuen Schuhgeneration.“ Lowa habe damals erstmals einen Schuh gefertigt, bei dem die Sohle nicht mehr verklebt, sondern direkt angespritzt worden sei. Der Renegade sei einer der am meisten verkauften Outdoorschuhe in Europa. „Im Jahr 2017 wurde bereits das fünfmillionste Paar verkauft.“ Kaum ein anderes Modell werde so lange und so erfolgreich produziert, sagt Nicolai.
Im Jahr 2000 verkaufte Lowa eine Million Paar Schuhe. Zehn Jahre später waren es 2 Millionen Paar, 2021 rund 3 Millionen. Der Umsatz betrug 2021 229,3 Millionen Euro, 23 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch für das laufende Jahr rechnet Nicolai mit einem Erlöswachstum auf mehr als 240 Millionen Euro. Die Preise beginnen bei rund 160 Euro für den Lowa Renegade GTX. Das Unternehmen beschäftigt international mehr als 2000 Mitarbeiter. Der stärkste Absatzmarkt sind die deutschsprachigen Länder: In Deutschland, Österreich und der Schweiz generiert man gut 50 Prozent des Umsatzes. Lowa exportiert in mehr als 80 Länder.
Man verarbeite hochwertige Materialien, sagt Nicolai. Sie sind wasserdicht und aus atmungsaktivem Gore-Tex. Zu den Kunden gehören Familien ebenso wie ambitionierte Bergsportler. Unter dem Motto „Reparieren statt Wegwerfen“ spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. In den hauseigenen Werkstätten werden Neubesohlungen, Absatzerneuerung, Nahtreparatur, Fersenfutterreparatur, Haken- und Bordürenreparatur sowie diverse Ersatzteile angeboten. Die Werkstätten befinden sich in Jetzendorf, in Interlaken in der Schweiz und im österreichischen St. Martin und werden laut Nicolai stark nachgefragt.
Lowa unterhält außerdem Center, in denen man Wander- und Outdoorschuhe kostenlos testen kann. Sie befinden sich in der Nähe beliebter Wandergebiete, zum Beispiel der Traufgänge bei Albstadt, in Langweiler im Nationalpark Hunsrück und in Reit im Winkl. Im kommenden Jahr will Lowa nicht nur weiter wachsen und investieren – man feiert auch das hundertjährige Jubiläum.