Spannende Inhalte finden

Der Patient hat etwas auf dem Herzen

Biotronik hat den ersten deutschen Herzschrittmacher entwickelt und geht auch in der Telemedizin voran.

F.A.Z.

6.10.2022

Antoni Starak

Katholische Schule Liebfrauen, Berlin

Durch die konstante Durchblutung der Blutgefäße hält das Herz den Menschen am Leben. Groß sind die Sorgen, wenn es nicht gleichmäßig oder im richtigen Tempo schlägt. Da helfen Herzschrittmacher, zum Beispiel der  Biotronik SE & Co. KG aus Berlin. „Biotronik ist ein auf der Welt führendes Medizintechnikunternehmen, das seit über 50 Jahren zuverlässige und innovative kardio- und endovaskuläre Lösungen entwickelt“, sagt  Thomas Kraft, der Vertriebsleiter des Unternehmens. „Bisher wurden über 20 Millionen Biotronik-Produkte in mehr als 100 Ländern von Ärzten eingesetzt.“

Gegründet wurde Biotronik  1963 von den Studenten  Max Schaldach und  Otto Franke –  sie entwickelten an der TU Berlin Deutschlands ersten  Herzschrittmacher. Bis heute ist Biotronik ein Familienunternehmen. 1963 präsentierte das Team den Prototyp des IP-3, der zuverlässiger, kleiner, leichter und besser implantierbar war als die  Konkurrenzprodukte. Wegen  seiner abgerundeten Gehäuseform, die Gewebeschäden minimierte, konnte ein Schrittmacher erstmals statt unter dem Bauchnabel,  weit vom Herzen entfernt, in Brusthöhe unter die Haut gesetzt werden.

Bis heute implantiert man Herzschrittmacher normalerweise in Brusthöhe. „Das Schrittmacheraggregat wird im Bereich des Brustmuskels unter dem Schlüsselbein platziert. Hierbei kann das Aggregat entweder direkt auf dem Muskel oder unter diesem angebracht werden“, erklärt  Patrick Nagel, Oberarzt und stellvertretender  Leiter der Rhythmologie an der Medizinischen Klinik für Kardiologie der Berliner Charité.

Biotronik produziert   Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren und Stents. Zudem  bietet man  telemedizinische Dienstleistungen  an.   „Sie sind  eine Firma, die aus Berlin heraus weltweit Beachtung gefunden hat“, sagt  Ulf Landmesser, Direktor der Berliner Charité-Klinik für Kardiologie.   „Im Bereich der Forschung arbeiten wir innerhalb von Studien unter anderem  mit Biotronik“, berichtet Landmesser. „Beispielsweise ist ein Fachgebiet die Entwicklung von Scaffolds,  Magnesium-Stents, die sich  mit der Zeit auflösen.“

Oberarzt Nagel erklärt die Funktionsweise von Herzschrittmachern: „In den meisten Fällen erfolgt eine Stimulation nur im Bedarfsfall, das heißt, wenn keine Eigenaktion des Herzens wahrgenommen wird.“  Die Geräte  überwachen  permanent den Herzrhythmus.   „Einige  sind in der Lage, auch aus der Ferne abgefragt zu werden.“ Diese Funktion besitzt  das „Home Monitoring System“ von Biotronik.  „Mithilfe der Home-Monitoring-Technologie ist es Kardiologen möglich, tagesaktuell telemedizinische Informationen zur Herz- und Implantatfunktion ihrer Patienten abzurufen,  unabhängig davon, wo diese sich gerade befinden“, sagt Produktmanager Max Karl. Nach einer  Studie sinkt so die Mortalität um 60 Prozent. 

Für Herzschrittmacher und Defibrillatoren muss man laut  Landmesser    1500 bis  10 000 Euro bezahlen. „Am billigsten ist der Herzschrittmacher, der nur eine Herzkammer stimuliert. Dann folgt das Gerät, das beide Herzkammern stimulieren kann. Als Nächstes kommt das Gerät, das drei Stimulationsmöglichkeiten hat.“   Geräte mit eingebauter Überwachungsfunktion seien  um 1000 bis 1500 Euro teurer.

Die Konkurrenten  von Biotronik sind die amerikanischen  Konzerne Boston Scientific und  Abbott Laboratories sowie  der Weltmarktführer Medtronic, der in Irland sitzt.  Biotronik  ist nach eigenen Angaben der einzige Hersteller Europas in den Bereichen aktiver kardialer Implantate und beim elektronischen Monitoring kardialer Implantate. Aktive kardiale Implantate verfügen über eine Energiequelle, um die Funktion des Herzens zu überwachen, zu unterstützen oder zu ersetzen.

Nach  Angaben des jüngsten  Jahresabschlussberichts von Biotronik  im Bundesanzeiger belief sich der Umsatz im Jahr 2020 auf 696,7 Millionen Euro. Gegenüber  2019 war das ein Rückgang um 7,5 Prozent. „Das ist vor allem durch die Verschiebung von Operationen während der Corona-Pandemie zu erklären“, sagt  Anne Uhlemann,  Pressesprecherin von Biotronik.  Für  2021 hat man   im Abschlussbericht ein Umsatzwachstum im niedrigen zweistelligen Prozentbereich prognostiziert. Im Jahr 2020 lag die Mitarbeiterzahl    bei rund 2400. 

 2003 entwickelte Biotronik den ersten Herzschrittmacher mit telemedizinischer Funktion und  2012 den ersten Defibrillator, mit dem man  MRT-Untersuchungen wahrnehmen kann. Derzeit forscht man  an  Möglichkeiten, durch  Diagnostik das Auftreten von Herzinfarkten, Schlaganfällen und  Herzrhythmusstörungen präventiv zu verhindern.

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

Weiterlesen

Cookie Einstellungen