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Der Kunde liegt richtig

HP Velotechnik setzt auf den Klimawandel: Liegeräder könnten mehr und mehr das Auto ersetzen

F.A.Z.

2.04.2020

Marius Sellke

Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule, Ober-Ramstadt

Alles fing mit einer Idee in der kleinen Garagenwerkstatt an“, erzählt Alexander Kraft, Pressesprecher der HP Velotechnik GmbH & Co. KG. Paul Hollants und Daniel Pulvermüller nahmen 1992 am Konstruktionswettbewerb „Jugend und Technik“ teil. Dafür entwickelten sie ein überdachtes Liegedreirad, mit dem sie trocken zur Schule kommen wollten. Schnüre, die sie in einer Schublade fanden, mussten für die Befestigung des Sitzes reichen und Dämpfer aus einer alten Waschmaschine für die Federung. Sie wurden Bundessieger und gründeten 1993 HP Velotechnik. Das Unternehmen beschäftigt an seinem Sitz in Kriftel 35 Mitarbeiter.

Produziert werden Liegedreiräder ungefedert als „Gekko“ und gefedert als „Scorpion“. Es gibt auch Liegezweiräder, sogenannte Einspurer. Insgesamt stellt HP Velotechnik 15 Modellreihen her. Laut Kraft werden die Rahmen der Liegeräder in Taiwan und sehr ausgefallene Teile wie die Stoßdämpfer und Spezialanfertigungen von Handgriffen oder Akkuhalterungen in Deutschland gefertigt.

Fahrer von Liegerädern schwörten auf die entspannte Sitzposition und kennten Probleme wie Rückenschmerzen nicht, behauptet Kraft. „Das Design ist darauf ausgelegt, beim Fahren einen Panoramablick zu haben.“ Arno Hecker, Kunde von HP Velotechnik, schwört auf die Stabilität und den Komfort eines Liegerads. Er nutzt es als Ersatz für das Auto und fährt damit auch in den Urlaub oder zur Arbeit.

Liegeräder seien recht teuer, sagt Hecker. Das günstigste Modell liegt bei 1990 Euro. Voll ausgestattet können die Räder zwischen 5000 und gut 10000 Euro kosten. Kraft rechtfertigt den Preis damit, dass jedes Liegerad individuell und in Handarbeit gefertigt werde. Konfigurieren kann sich der Kunde sein Rad online oder bei einem der gut 100 HP-Velotechnik-Händler. Es gebe mehr als 300000 Möglichkeiten, sagt Kraft. Es führen mehr Männer als Frauen Liegerad, das Interesse der Frauen steige aber. Neuerdings biete man auch Liegeräder für körperlich eingeschränkte Menschen an. Diese hätten erhöhte Sitze, Einstiegshilfen, Ablagen für die Arme oder Spezialpedale.

Jährlich produziert HP Velotechnik 2000 Liegeräder, rund 55 Prozent davon mit Elektroantrieb. Nach Kraft ist man Marktführer in Deutschland und einer der größten Hersteller der Welt. Man verkauft vor allem in Amerika, Europa und Ostasien. „Über 50 Prozent des Umsatzes kamen 2018 über das Exportgeschäft zustande“, berichtet Kraft. Andere große Liegeradhersteller aus Europa sind Hase Bikes aus Deutschland, die überwiegend Liegedreiräder bauen, Azub aus Tschechien und Ice aus Großbritannien. Der Umsatz von HP Velotechnik liegt nach eigenen Angaben zwischen 5 und 7 Millionen Euro und steigt jedes Jahr. Kraft erwartet einen Anstieg der Verkaufszahlen, vor allem weil wegen des Klimawandels immer mehr Menschen eine Alternative zum Auto suchten.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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