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„Der größte Widerstand kommt von den Eltern“

Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) spricht im Interview über die übertriebene Angst vor der Digitalisierung

F.A.Z.

5.03.2020

Florian Kroeger Niklas Mengkowski

Gymnasium an der Willmsstraße, Delmenhorst

Frau Staatsministerin, inwieweit waren Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung des Digitalpaktes beteiligt?

Der Bund stellt beim Digitalpakt „nur“ die Gelder zur Verfügung, die Umsetzung erfolgt in den Ländern. In der Regel muss jede Schule für den Antrag im Land ein entsprechendes Medienkonzept erstellen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Schülervertretungen an die Schulleitungen und Schulträger wenden und ihre Beteiligung einfordern.

Wer sind Ihrer Ansicht nach die stärksten Widersacher der Digitalisierung?

Den größten Widerstand erlebe ich auf Seiten der Eltern. Ich führe in meiner Funktion viele Gespräche mit Elternvertretern. Einige von diesen sind der Meinung, dass die Kinder bis zum Alter von 18 Jahren keinen Zugang zu digitalen Technologien haben sollten. Meine Lieblingszuschrift der vergangenen Jahre erhielt ich von einem Vater, der die These vertrat: W-Lan ist das neue Asbest an den Schulen. Diese Haltung lässt sich auch in den Bestsellerlisten des Buchhandels ablesen: Die ersten Bücher zum Themenbereich Digitalisierung sind diejenigen, die dramatisieren und vor digitaler Demenz warnen. Diese ganzen „Experten“ schüren in der Bevölkerung Angst, verdienen damit ihr Geld und behindern die digitale Weiterentwicklung der deutschen Schulen nachhaltig. Wir müssen dringend unsere Anstrengungen im Bereich digitaler Bildung ausweiten. Nur durch digitale Bildung werden Schülerinnen und Schüler befähigt, sich als selbstbestimmte Persönlichkeiten in einer sich beständig verändernden Gesellschaft zurechtzufinden und verantwortungsvoll ihre eigenen Lebensentwürfe zu verfolgen.

Die deutsch-österreichische Grenze ist landschaftlich nicht greifbar. Wann verschwindet auch die Grenze, was die Netzabdeckung angeht?

So schlecht ist die Netzabdeckung in Deutschland nicht. Wir decken bereits 98 bis 99 Prozent der Haushalte ab. In Grenzgebieten ist das Netz mitunter schlecht, weil es sich dort um Flächen mit einer geringen Besiedlung handelt. Misst man die Netzabdeckung der Fläche und nicht der Haushalte, hat Deutschland Handlungsbedarf. Wir haben als Bundesregierung eine Mobilfunk-Strategie verabschiedet. Wir haben die Förderung von bis zu 5000 neuen Masten beschlossen. Einen neuen Mobilfunkmast in Deutschland aufzustellen dauert mit 18 bis 24 Monaten allerdings einfach zu lange. Während die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine schnelle Verbesserung des Mobilfunkangebotes in ihren Orten möchten, gibt es überall Bürgerinitiativen, die sich dem öffentlichkeitswirksam entgegenstellen.

Die Gründe hierfür sind häufig Unwissenheit und diffuse Ängste. Ich erhalte Wäschekörbe voller Postkarten mit der Aufforderung, den 5G-Netzausbau zu stoppen. Kürzlich stellten Landwirte das Insektensterben auf ihren Feldern mit dem Netzausbau in Beziehung. Obwohl ich sie darauf hinwies, dass es in ihrer Gegend keinen einzigen 5G-Mast gebe, blieben sie bei ihren Theorien. Die CSU hat deswegen Anfang des Jahres beschlossen, dass eine Bundeszentrale für digitale Aufklärung geschaffen werden soll, um solchen Aussagen mit wissenschaftlichen Fakten zu begegnen und die Menschen besser zu informieren.

Wie wollen Sie konkret erreichen, dass die digitale Transformation stärker akzeptiert wird?

Vertrauen in den digitalen Wandel versuche ich insbesondere durch Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern zu gewinnen, um ihnen aufzuzeigen, inwiefern ihre Belange bei der Digitalpolitik berücksichtigt werden, und um ihnen zu vermitteln, dass der Staat Rahmenbedingungen schafft, die allen Halt und Stabilität für die Zukunft geben. Wir werden als Bund gemeinsam mit der Wirtschaft und den Verbänden der Zivilgesellschaft im Rahmen des am 19. Juni 2020 erstmals stattfindenden bundesweiten Digitaltags die Menschen in Bahnhöfen und an ähnlichen Orten mit der Digitalisierung in Kontakt treten lassen. Hierdurch wollen wir den diffusen Ängsten entgegentreten und die Digitalisierung erlebbar machen. Dort sollen Pflegeroboter gezeigt werden, es sollen Flugtaxis vorgestellt und 3D-Brillen probiert werden können.

Wird die Digitalisierung in der Klimaschutz-Diskussion zu stark vernachlässigt?

Nur ein Beispiel: Das Versenden von Kurznachrichten und E-Mails verbraucht viel Energie. Es wird häufig nur thematisiert, ob es ökologisch verwerflich ist, eine E-Mail auszudrucken. Aus meiner Sicht sollte aber vielmehr überlegt werden, ob eine Mail oder Nachricht überhaupt geschrieben werden muss. Das wäre ökologisch sinnvoll, weil sich hierdurch viel Energie sparen ließe.

 

Das Gespräch führten Florian Kroeger und Niklas Mengkowski vom Gymnasium an der Willmsstraße in Delmenhorst.

 

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

 

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