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Der Endverbraucher reagiert allergisch

Ein Gerät liefert aktuelle Daten zum Pollenflug. Allergikern erleichtert das die Tagesplanung.

F.A.Z.

18.01.2022

Niklas Schäfer

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Nach  Angaben des Robert-Koch-Instituts ist die  Pollenallergie die häufigste allergische Erkrankung.  Mehr als 20 Prozent aller Deutschen leiden Statistiken zufolge darunter.  Präzise und  aktuelle Daten zum Pollenflug sind für die Tagesplanung und Medikamenteneinnahme von Allergikern wichtig. Die Helmut Hund GmbH aus Wetzlar hat in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik den nach eigenen Angaben   ersten vollautomatischen Pollenmonitor der Welt entwickelt, der tagesaktuelle Informationen über den Pollenflug liefert. 2017 wurde der Monitor nach einer langen  Erprobungsphase realisiert. Das Unternehmen beschäftigt  bei einem Jahresumsatz von rund 15 Millionen Euro 110 Mitarbeiter. Es  vertreibt weitere Instrumente, darunter Mikroskope, Staubmessgeräte und Schnelltester.   

Der „Bio-Aerosol-Analysator“  saugt nach Darstellung des Unternehmens  die Umgebungsluft an und platziert die   extrahierten Pollen auf einem mit  Gel beschichteten Objektträger. Die Proben werden erwärmt und  in Richtung des Lichtmikroskops bewegt. Ein in drei Achsen beweglicher Tisch verändert die Position des Objektträgers, um  die gesamte beprobte Fläche zu erfassen und um mittels vertikaler Bewegung Bilder mit erhöhter Schärfentiefe zu erzeugen. Die Einzelbilder werden von einem Rechner zu einem einzigen Bild zusammengefasst und die abgebildeten Pollen durch eine Software  in ihrer Art und ihrer Häufigkeit untersucht.  Der Pollenmonitor erkennt  mehr als 200 Merkmale wie  Größe, Form und Kontur sowie innere Schichten der  Pollen.

Das Gerät könne rund 40  Pollenarten  identifizieren.  Auf der Internetseite von Helmut Hund kann man die aktuellen Pollenflugwerte für Berlin, Freiburg, Leipzig, Wiesbaden, Wetzlar und München abrufen.  Außerdem kann man  die Werte weiterer bayerischer Standorte  über die Internetseite des Zentrums für Allergie und Umwelt München   erfahren. 

Das Unternehmen plant, ein kleineres Modell zu bauen. „Dies ist erforderlich, weil die Geräte teilweise auf Dächern stehen, um Bodeneffekte wegzubekommen“, erläutert  Jörg Haus, Verantwortlicher für Produktmanagement und Technische Beratung.  Daher sei es  manchmal nicht möglich gewesen, den Pollenmonitor mit einer Grundfläche von 90 mal 70 Zentimetern,  einer Höhe von 1,8 Metern und einer Masse von rund  400 Kilogramm zu platzieren.

Verbessert wird   außerdem die Software.  2021 habe man erstmalig Künstliche Intelligenz eingesetzt; da sehe man die Zukunft.  Wegen des  Auftretens neuer Pollenarten müsse der Monitor immer wieder neu trainiert werden. Da  laut Haus Bilder von mindestens 1000  Pollen einer Art benötigt würden, könne sich  die Trainingszeit bei seltenen Arten   über ein bis zwei Pollenflug-Saisons erstrecken.   Die Gestalt der Pollen kann  sich, wie Haus erklärt, außerdem in Abhängigkeit vom Standort und der Witterung ändern. So hätten sich die Pollen im relativ feuchten Frühjahr 2021  teils deutlich von denen aus dem Jahr 2020 unterschieden.

Über ganz Deutschland verteilt gebe es derzeit 20 Pollenmonitore. Acht gehörten zum Elektronischen Polleninformationsnetzwerk (ePIN) in Bayern, dem  ersten vollautomatischen Netzwerk dieser Art auf der Welt.  Dieses vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) betriebene System ermögliche es Allergikern aus ganz Bayern, sich über den derzeitigen Pollenflug zu informieren. Das LGL hat  2021 rund  15 800 Zugriffe je Monat auf die Pollendaten gezählt.

In manchen Bundesländern stehen gar keine Monitore.  „Es sind einzelne Projekte, die wir mit Instituten oder Kliniken haben“, berichtet   Geschäftsführer Stefan Schäfer. Auch der Deutsche Wetterdienst besitze einen Monitor.  „Der Wetterdienst wird sicherlich in den nächsten Jahren ein größeres Netz betreiben.“  Die Einsatzmöglichkeiten des Pollenmonitors seien noch nicht ausgeschöpft. Zu nennen seien die  Allergie- und Symptomforschung.   „Aber auch die Ausbreitung von Pflanzenarten infolge des Klimawandels war bereits ziemlich früh ein Thema“, berichtet  Haus.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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