Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist die Pollenallergie die häufigste allergische Erkrankung. Mehr als 20 Prozent aller Deutschen leiden Statistiken zufolge darunter. Präzise und aktuelle Daten zum Pollenflug sind für die Tagesplanung und Medikamenteneinnahme von Allergikern wichtig. Die Helmut Hund GmbH aus Wetzlar hat in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik den nach eigenen Angaben ersten vollautomatischen Pollenmonitor der Welt entwickelt, der tagesaktuelle Informationen über den Pollenflug liefert. 2017 wurde der Monitor nach einer langen Erprobungsphase realisiert. Das Unternehmen beschäftigt bei einem Jahresumsatz von rund 15 Millionen Euro 110 Mitarbeiter. Es vertreibt weitere Instrumente, darunter Mikroskope, Staubmessgeräte und Schnelltester.
Der „Bio-Aerosol-Analysator“ saugt nach Darstellung des Unternehmens die Umgebungsluft an und platziert die extrahierten Pollen auf einem mit Gel beschichteten Objektträger. Die Proben werden erwärmt und in Richtung des Lichtmikroskops bewegt. Ein in drei Achsen beweglicher Tisch verändert die Position des Objektträgers, um die gesamte beprobte Fläche zu erfassen und um mittels vertikaler Bewegung Bilder mit erhöhter Schärfentiefe zu erzeugen. Die Einzelbilder werden von einem Rechner zu einem einzigen Bild zusammengefasst und die abgebildeten Pollen durch eine Software in ihrer Art und ihrer Häufigkeit untersucht. Der Pollenmonitor erkennt mehr als 200 Merkmale wie Größe, Form und Kontur sowie innere Schichten der Pollen.
Das Gerät könne rund 40 Pollenarten identifizieren. Auf der Internetseite von Helmut Hund kann man die aktuellen Pollenflugwerte für Berlin, Freiburg, Leipzig, Wiesbaden, Wetzlar und München abrufen. Außerdem kann man die Werte weiterer bayerischer Standorte über die Internetseite des Zentrums für Allergie und Umwelt München erfahren.
Das Unternehmen plant, ein kleineres Modell zu bauen. „Dies ist erforderlich, weil die Geräte teilweise auf Dächern stehen, um Bodeneffekte wegzubekommen“, erläutert Jörg Haus, Verantwortlicher für Produktmanagement und Technische Beratung. Daher sei es manchmal nicht möglich gewesen, den Pollenmonitor mit einer Grundfläche von 90 mal 70 Zentimetern, einer Höhe von 1,8 Metern und einer Masse von rund 400 Kilogramm zu platzieren.
Verbessert wird außerdem die Software. 2021 habe man erstmalig Künstliche Intelligenz eingesetzt; da sehe man die Zukunft. Wegen des Auftretens neuer Pollenarten müsse der Monitor immer wieder neu trainiert werden. Da laut Haus Bilder von mindestens 1000 Pollen einer Art benötigt würden, könne sich die Trainingszeit bei seltenen Arten über ein bis zwei Pollenflug-Saisons erstrecken. Die Gestalt der Pollen kann sich, wie Haus erklärt, außerdem in Abhängigkeit vom Standort und der Witterung ändern. So hätten sich die Pollen im relativ feuchten Frühjahr 2021 teils deutlich von denen aus dem Jahr 2020 unterschieden.
Über ganz Deutschland verteilt gebe es derzeit 20 Pollenmonitore. Acht gehörten zum Elektronischen Polleninformationsnetzwerk (ePIN) in Bayern, dem ersten vollautomatischen Netzwerk dieser Art auf der Welt. Dieses vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) betriebene System ermögliche es Allergikern aus ganz Bayern, sich über den derzeitigen Pollenflug zu informieren. Das LGL hat 2021 rund 15 800 Zugriffe je Monat auf die Pollendaten gezählt.
In manchen Bundesländern stehen gar keine Monitore. „Es sind einzelne Projekte, die wir mit Instituten oder Kliniken haben“, berichtet Geschäftsführer Stefan Schäfer. Auch der Deutsche Wetterdienst besitze einen Monitor. „Der Wetterdienst wird sicherlich in den nächsten Jahren ein größeres Netz betreiben.“ Die Einsatzmöglichkeiten des Pollenmonitors seien noch nicht ausgeschöpft. Zu nennen seien die Allergie- und Symptomforschung. „Aber auch die Ausbreitung von Pflanzenarten infolge des Klimawandels war bereits ziemlich früh ein Thema“, berichtet Haus.