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Der Dreck macht sich aus dem Staub

Weltmarktführer Wandres sorgt für saubere Oberflächen in der Industrie. Die werden immer wichtiger.

F.A.Z.

5.09.2019

Florence Auer

Max-Planck-Gymnasium Lahr, Lahr

Mach dir selbst Konkurrenz, bevor es ein anderer tut.“ Oder: „Was würde ich tun, um mich selbst in Schwierigkeiten zu bringen?“ Das sind Leitsätze von Claus Wandres, Geschäftsführer der Wandres GmbH Micro-Cleaning. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Stegen im südlichen Schwarzwald ist nach Aussage des Seniorgeschäftsführers Weltmarktführer auf dem Gebiet der industriellen Oberflächenreinigung, die immer bedeutender für die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte wird. Den Marktanteil schätzt er auf 80 Prozent.

Die Idee, ein Unternehmen für Reinigungssysteme zu gründen, entstand aus einer Not heraus. Bei der Programmierung von Floppy Disks kam es durch Partikel auf deren Magnetbändern zu einem Datenverlust. Wandres suchte nach einer Lösung und entwickelte mit einer Gruppe von fünf Ingenieuren das erste Reinigungssystem.

Ein Auftrag, schwarze Lautsprecherboxen zu reinigen, brachte Wandres auf die, wie er sagt, beste Idee seiner Karriere: die Reinigung der Oberflächen durch „feuchtes Abwischen“. Was banal klingt, ist kompliziert. Partikel haften oft mit der Kraft ihrer 107-fachen Erdanziehung an einer Oberfläche. Bei der von Wandres entwickelten Methode geht es um die Nutzung von kapillaren Haftkräften zwischen der mikrobefeuchteten Linearbürste und dem Partikel. Zunächst wird in Laufrichtung der Linearbürste eine Reinigungs- und Antistatikflüssigkeit aufgetragen, die für die kapillaren Haftkräfte sorgt.

Den Effekt der kapillaren Haftkraft kennt man aus dem Alltag: Beim Zeitunglesen beispielsweise befeuchtet man manchmal den Finger, damit man die Seite besser umblättern kann. Genau wie das Papier am befeuchteten Finger haftet, werden die zu entfernenden Partikel an die befeuchteten Filamente (Borsten) der Linearbürsten gebunden. Durch Absaugung werden die Partikel schließlich von der Linearbürste entfernt und entsorgt. Diese Reinigungstechnik ist eine der beiden Haupttechniken von Wandres; die andere ist die Lufttechnik.

Die Kundschaft erstreckt sich über viele Branchen von der Automobil- und Elektronikbranche über die Glas- und Kunststoffindustrie bis hin zur Papier-, Druck- und Möbelindustrie. Unter den Kunden sind Konzerne wie Volkswagen, Opel, Ikea und Tetra Pak. Die Systeme werden in der Automobilfertigung zur Reinigung der Karosserien, im Metallbau zur Reinigung von Blechen, im Fertigbau zur Reinigung der Einzelteile zum Beispiel von Fertighäusern und in der Möbelfertigung zur Veredelung verschiedener Hochglanzoberflächen eingesetzt.

„Die Anfragen aus der blechverarbeitenden Industrie haben in den vergangenen Jahren überproportional zugenommen“, berichtet Wandres. „Die Anforderungen an die Oberflächenqualität steigen ständig. Letztlich hat dies damit zu tun, dass man in einer modernen Industrie nur mit fehlerfreien Produkten Geld verdienen kann und so dauerhaft auf dem Markt präsent bleibt.“

In modernen Produktionsbetrieben führen Partikel schnell zu hohen Qualitätseinbußen. Bei der Beschichtung und Lackierung von Produkten wie Karosserien sind partikelfreie Oberflächen essentiell, da man die kleinsten Partikel schon sieht. „Kontaminationen auf Oberflächen haben jedoch nicht nur optische Fehler zur Folge, sondern in vielen Fällen führen Oberflächenkontaminationen auch zum Ausfall der Funktionsfähigkeit eines Bauteils“, erklärt Wandres. Ohne die industrielle Oberflächenreinigung ist zum Beispiel das Kleben und Schweißen unmöglich. Außerdem schützen die Reinigungssysteme die Mitarbeiter in den Produktionsbereichen, weil sie Partikel und Staub entfernen, die sonst in die Raumluft gelangen und so eingeatmet werden würden.

Die Bürsten für die Reinigungssysteme stellt das Unternehmen selbst her; sie machen etwa 10 Prozent des Umsatzes aus. Produziert werden die Reinigungssysteme und Bürsten im südlichen Schwarzwald, unter anderem in der alten Dorfschule Buchenbach-Wagensteigs sowie im Tochterunternehmen im Nordosten der Vereinigten Staaten.

In Amerika wachse man um 30 Prozent im Jahr, in Deutschland nur um 6Prozent. Das höhere Wachstum in den Vereinigten Staaten liege an den niedrigeren Steuern dort, sagt Wandres. Geliefert werden die Produkte in die gesamte Welt, die Exportquote beträgt rund 50Prozent.

Der Preis eines Systems hängt stark von der Größe ab. Durchschnittlich kostet eine Maschine 30000 bis 80000 Euro, sehr große auch mal rund 300000 Euro. Der Weltmarktführer erwirtschaftet nach Aussage des Geschäftsführers einen Jahresumsatz von 22 Millionen Euro und beschäftigt derzeit 140 Mitarbeiter. Aus der anfänglichen Ingenieursgruppe sind noch alle bei Wandres beschäftigt.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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