Das ist ein bedienendes Element für die Willensbildung innerhalb einer Gesellschaft“, sagt Michael Kunert, Geschäftsführer der Infratest dimap GmbH, über Bürgerumfragen. Das Berliner Unternehmen setzt auf Qualität, Neutralität und Transparenz. Eine angemessene Art der Datenbearbeitung sei wichtig, erklärt Kunert. Denn die Umfragen könnten gesellschaftliche Diskussionen beeinflussen. Das 1996 gegründete Institut für Meinungs- und Wahlforschung ist nach eigenen Angaben einer der leistungsstärksten Anbieter von Wahl- und Politikforschung in Deutschland. Es gehört zur Kantar-Gruppe aus London. Das Unternehmen beschäftigt 25 Mitarbeiter. Die Datenerfassung übernimmt Kantar.
Die Umfragen in der ARD am Wahlabend haben das Unternehmen bekannt gemacht. Es erwirtschaftet laut Kunert einen Jahresumsatz im unteren einstelligen Millionenbereich. Kunden sind weitere Rundfunkanstalten, Zeitungen sowie das Bundesgesundheitsministerium und das Familienministerium. Man stellt auch Forscherteams Daten zur Verfügung, zum Beispiel der Stanford University und dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz.
Erhoben werden repräsentative Zufallsstichproben. Ein Paradebeispiel ist die Befragung am Wahltag, der „Exit Poll“. Sie bildet die Basis der 18-Uhr-Prognose und der Hochrechnungen. Das Wahlverhalten der ganzen Bevölkerung wird analysiert, auch von Teilgruppen. Zudem werden Wanderbewegungen sichtbar gemacht. Die Antwortbereitschaft ist hoch, denn die Anonymität der Befragten ist sichergestellt und der Zweck der Befragung nachvollziehbar. Durch die Befragung direkt nach Verlassen des Wahllokals wird das tatsächliche Abstimmungsverhalten ermittelt und nicht nur die Wahlabsicht. Die 18-Uhr-Prognose liegt meistens nah am Endergebnis.
Vor einer Wahl macht Infratest dimap repräsentative Telefonumfragen zur politischen Stimmung in der Bevölkerung, man stellt zum Beispiel die berühmte Sonntagsfrage: „Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?“
Seit 2013 werden auch Mobilfunknummern zur Datenerhebung genutzt, das ist dann eine sogenannte Dual-Frame-Stichprobe. Mitarbeiter des Instituts lesen Fragen von einem digitalen Fragebogen ab und geben die Antworten in den Computer ein. Durch das sogenannte Random-Last-2-Digit-Dialling-Verfahren werden die letzten beiden Ziffern der Telefonnummer zufällig bestimmt, um eine repräsentative Umfrage zu bekommen.
In der Branche der politischen Meinungsforschung ist Infratest dimap zusammen mit der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen e. V. für das öffentlich-rechtliche Fernsehen tätig. Laut Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen, Yvonne Schroth, setzen beide Institute die gleichen Erhebungszeiträume ein. Sie seien auf der regelmäßigen Deutschlandtrend-Politbarometer-Ebene keine Wettbewerber. „Wir sind Konkurrenten am Wahlabend.“ Bei der 18-Uhr-Prognose werde geschaut, wer besser abschneide. Die Unterschiede seien allerdings minimal.
Neue Institute versuchen den Markt für sich zu gewinnen. Die Berliner Civey GmbH, gegründet 2015, ist nach eigenen Angaben „das führende Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsdaten mit dem größten Panel in Deutschland“. Mit Kunden aus der Medienbranche wie dem Online-Auftritt des „Spiegels“ ist Civey einer der größten Konkurrenten von Infratest dimap. Pressesprecherin Judith Klose ist sich sicher, dass sie „auf jeden Fall“ weiter wachsen werden. Civeys Umsatz bewege sich im unteren einstelligen Millionenbereich; man beschäftigt rund 60 Mitarbeiter. Civey führt Online-Umfragen durch, die in den klassischen Instituten für Kritik sorgen. „Ich sehe keine ausreichende Begründung bei dem Verfahren, das Civey anwendet“, sagt Kunert auf die Frage, ob Civeys Methodik den Repräsentativstandards genügt.
Bei Civey rekrutiert sich der Befragte selbst. Kommt ein Nutzer auf eine von Civey genutzte Internetseite, so kann er eine Frage beantworten und wird erst anschließend aufgefordert, sich zu registrieren. Dann kann er Echtzeitergebnisse sehen, die Civey laut Pressesprecherin als „sofort repräsentative Ergebnisse“ interpretiert. „Viele Leute wissen einfach nicht, dass da ein vielschichtiger Mechanismus, ein Algorithmus, dahintersteckt, der diverse Steps macht, damit die Ergebnisse am Ende auch verlässlich sind.“ Doch Fachleute argumentieren, dass nur interessierte Menschen teilnehmen, die womöglich Einfluss nehmen wollen.
Was Kunert besorgt, ist, dass Civey seine Dienste erheblich günstiger anbieten kann. „Unsere Umfragen müssen viel teurer sein, weil wir Manpower bezahlen – und Civey muss keine Manpower bezahlen, da sich die Leute selbst rekrutieren“, sagt auch Schroth.