Ein Golfplatz im Norden Deutschlands. Die Sonne scheint, ein See glitzert bläulich. Ein perfektes Bild, doch bei näherem Betrachten fallen kahle Stellen im Rasen auf. Für sie sind die Larven des Gartenlaubkäfers verantwortlich. Sie fressen die Wurzeln des Rasens. Chemische Mittel helfen nicht, denn die Engerlinge gewöhnen sich an solche Insektizide, wie Tillmann Frank erläutert, Geschäftsführer der E-Nema Gesellschaft für Biotechnologie und biologischen Pflanzenschutz mbH aus Schwentinental in Schleswig-Holstein. Eine Lösung ist ein biologisches Pflanzenschutzmittel aus klitzekleinen Fadenwürmern.
Diese Fadenwürmer – insektenpathogene Nematoden – stellt E-Nema seit 1997 her. Man verfüge über großtechnische Produktionsmöglichkeiten wie Bioreaktoren mit Kapazitäten von bis zu 60000 Litern. Laut Frank ist deshalb die Fertigungstiefe sehr hoch, sodass das Unternehmen nur auf wenige Partnerunternehmen angewiesen sei. Mit einem globalen Marktanteil von 40 Prozent ist man nach eigenen Angaben Weltmarktführer. Im Jahr 2019 verkaufte E-Nema 9000 Hektar Nematoden, dies entspricht nach Angaben des Vertriebsleiters Jan Burmeister 45 Billionen Fadenwürmern.
Im Heim- und Gartensektor kosten die Fadenwürmer für den Endverbraucher laut Burmeister 20,12 Euro netto je 50 Millionen Nematoden. Frank gibt den Jahresumsatz mit knapp 10 Millionen Euro an. Fast die Hälfte generiert man durch die Produktion von insektenpathogenen Nematoden für zwei Hauptkundengruppen. 10 Prozent des Gesamtumsatzes werden mit dem Hobbybereich erwirtschaftet. Ungefähr 40 Prozent erziele man mit dem Verkauf an professionelle Kunden. Einer ist Heiko Tock, leitender Greenkeeper im Golfclub Großensee. Er setzt die Nematoden seit mehreren Jahren erfolgreich gegen Engerlinge ein. Zuvor hatte der Golfplatz lange Probleme mit dem Gartenlaubkäfer. Man müsse die Fadenwürmer allerdings oft ausbringen, da sie ihre volle Wirkung nur in Flüssigkeit entfalteten und dies in besonders trockenen Jahren schwierig sei, erklärt Tock. Im professionellen Bereich sei der Kundenkreis sehr international, sagt Frank. Der Exportanteil des Unternehmens belaufe sich auf 80 Prozent. Jeweils 35 Prozent machten die EU-Länder und die USA aus.
Eine weitere knappe Hälfte des Gesamtumsatzes entstehe durch die Produktion von biologischen Pflanzenschutzmitteln für andere Unternehmen, die nicht über dieselben Produktionsmöglichkeiten wie E-Nema verfügten. Für diesen Bereich produziert man Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Zu guter Letzt stellt das Unternehmen Substanzen durch Bakterien her, die in Kosmetikprodukten wie Selbstbräunern eingesetzt werden.
Im vergangenen Jahr ist der Umsatz laut Frank stark gestiegen. Das komme einerseits daher, dass die Menschen im Lockdown „in die Gärten stürmen“. Andererseits merke man besonders in den USA ein wachsendes Bewusstsein für die Gesundheit; die Menschen wollten durch das Essen keine Chemie mehr aufnehmen.
Nach Frank, der zudem der Vorsitzende des Branchenverbands für biologische Pflanzenschutzmittel in Deutschland und Österreich ist, beträgt der Anteil der biologischen Pflanzenschutzmittel am gesamten Weltmarkt rund 4 Prozent. Das Ziel seien 10 bis 20 Prozent, was wegen der zunehmenden gesetzlichen Einschränkung von chemischen Insektiziden erreicht werden könne. Die Umwelt werde durch herkömmliche Insektizide vergiftet; das habe beispielsweise das Bienensterben verdeutlicht. Annette Herz, Leiterin des Fachgebiets für Nützlinge am Julius-Kühn-Institut für biologischen Pflanzenschutz, sagt: „Eine zukunftsfähige Landwirtschaft muss ökologischer werden.“ Dafür stünden biologische Verfahren aufgrund der guten Umweltbilanz an erster Stelle.
Auch August Jost, Landwirt und Kunde von E-Nema aus der Steiermark in Österreich, nutzt die Nematoden. Ihm ist „das Schützen des Bodenlebens“ sehr wichtig, weshalb er die Fadenwürmer auf seinen Maisfeldern einsetzt. Er benutzt „Dianem“. Das Mittel sei ungefährlich für andere Tiere wie Bienen, besiege aber den Maiswurzelbohrer. Dieser sorgte für erhebliche Ertragsausfälle; seit der Nutzung der Würmer sind diese nur noch minimal. Auf die Nematoden ist Jost durch einen Versuch der Landwirtschaftskammer Steiermark im Jahr 2013 aufmerksam geworden. Dort wurden chemische Mittel mit den Nematoden verglichen. Obwohl diese damals etwas schlechter wirkten, sah der Landwirt auf Dauer mehr Potential in den Fadenwürmern; Umweltschutz war ihm schon damals sehr wichtig.
Laut Jost wurde die Wirkung der Nematoden durch weitere Versuche verbessert; aktuell seien sie den chemischen Produkten gleichwertig. 2014 übernahm Jost den Vertrieb der E-Nema-Nematoden in der Steiermark. Ein Nachteil sei jedoch, dass es komplizierter sei, Nematoden auszubringen. Vor allem im landwirtschaftlichen Bereich will E-Nema laut Frank mehr Produkte verkaufen. Das sei zwar finanziell nicht so ergiebig. Doch sei wegen der großen Flächen der Beitrag zum Umweltschutz besonders groß.
Die Fadenwürmer sind so klein, dass sich in einer Kaffeesahnekapsel 250000 bis 300000 in flüssiger Lösung befänden. Für einen Hektar Rasen braucht man rund 5 Milliarden Nematoden. Die Fadenwürmer haben laut Frank eine große Zukunft, da sie im Gegensatz zur Chemie auch für die Person, die sie ausbringt, ungefährlich seien. Die flüssige Form der Nematoden stelle nur für jene Insekten eine Gefahr dar, für die das Produkt gedacht sei. Es entstünden zudem keine Dämpfe, die vor allem in Gewächshäusern zu großen gesundheitlichen Problemen führen können.
Chiara Lesch
Gymnasium Ohmoor, Hamburg