Zwanzig bis dreißig BHs soll eine Frau besitzen. Das behauptet zumindest das Online-Modemagazin Kleidung.com. Der BH macht nicht nur ein schön geformtes Dekolleté, sondern sorgt primär dafür, dass der Busen gestützt wird, wodurch das empfindliche Gewebe entlastet wird. Da die Brust lediglich aus Drüsen-, Fett- und Bindegewebe besteht, ist eine Unterstützung nötig, damit das Gewebe nicht einreißt.
„Stückmäßig verkaufen wir ungefähr 3Millionen BHs im Jahr“, sagt Peter Hofmann, kaufmännischer Leiter der Anita Dr. Helbig GmbH. Das 1886 gegründete Familienunternehmen in vierter Generation mit Hauptsitz im oberbayerischen Brannenburg entwickelt BHs und Unterwäsche für die unterschiedlichsten Figuren und ganz speziell für kurvige Frauen, die große Cups brauchen. Das Unternehmen ist nach Hofmann ein international führendes Traditionsunternehmen für Damenwäsche und Bademode. Dem Unternehmen ist es ein Anliegen, „Produkte für die verschiedensten Anforderungen und Figursituationen zu entwickeln“. Man habe sich als „Nischenanbieter eine Passformkompetenz bis in große Größen und Cups“ erarbeitet.
Das Unternehmen vertreibt zwei Marken, und das international: Anita since 1886 und Rosa Faia. Zu den Marken gehören unterschiedliche Kollektionen. Anita Active richtet sich zum Beispiel an sporttreibende Frauen, Anita Maternity an schwangere und stillende Frauen. Man beschäftige 1600 Mitarbeiter an sechs Produktionsstandorten in Europa und Fernost, berichtet Hofmann. „Unsere BHs gibt es in der Regel ab einem Preis von 50 Euro.“ Produziert werden BHs bis zur Cup-Größe K. Man habe viele Stammkundinnen, sagt Hofmann. Im Jahr 2019 hat das Unternehmen einen Umsatz von 110 Millionen Euro erwirtschaftet.
Für die Herstellung der BHs, Slips und Bodys wird hochwertiges, weiches Material verwendet; die Unterwäsche soll gut sitzen, aber kaum spürbar sein. „Der BH besteht aus verschiedenen Materialien“, sagt Katja Hartenstein, die Leiterin der Abteilung Forschung & Entwicklung. „Polyamid, Polyester, Naturfasern und viele elastische Fasern.“ Die Zusammensetzung der BHs sei unterschiedlich. „Die Außenlage ist anders als das Futter, und der Träger hat noch mal ein anderes Material.“ Heutzutage legten Frauen vor allem Wert auf einen bequemen BH. Es gehe ihnen weniger darum, dass er verführerisch und sexy ist. Nach Hartensteins Beobachtung stellt Anita BHs her, die in der „Alltagsschublade“ lägen. „Man geht morgens zum Schrank und sucht sich den gleichen BH wieder heraus, weil er einem gefallen hat.“
Das Unternehmen verkauft auch „Shapewear“. Sie wird von Frauen nachgefragt, die mit ihrem Körper nicht ganz zufrieden sind. Shapewear ist figurformende Unterwäsche. Die gibt es schon seit Hunderten von Jahren, beginnend mit dem Korsett, um den Körper perfekt in Szene zu setzen. Heute bestehen Bodys aus funktionellem Material, um einen hohen Tragekomfort zu bieten.
Anita hat außerdem eine besondere Kollektion: Anita Care für Frauen, die sich aufgrund einer Brustkrebserkrankung einer Brustoperation unterziehen mussten. Sie umfasst Prothesen-BHs, Prothesen-Bademoden und Prothesen. Die Brustprothese wird in eine Tasche im BH eingelegt. Im Voralpenland fertige man seit mehr als 20 Jahren in Handarbeit qualitativ äußerst hochwertige Brustprothesen, heißt es vom Unternehmen. Man sei Pionier in diesem Bereich und einer der wenigen Anbieter auf der Welt, der Mieder- und Badeartikel für Betroffene und Brustprothesen wirklich selbst entwickele und produziere.
Jedes Jahr erkranken nach Angaben von Krebsdaten.de rund 69000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Manche müssen sich einer Mastektomie unterziehen, damit das gesamte Tumorgewebe entfernt werden kann. Die Brustprothesen sollen helfen, den veränderten Körper zu akzeptieren. Auf dem Markt der medizinischen BHs gibt es laut Hofmann nur wenige Konkurrenten. Die Anita Dr. Helbig GmbH sei der zweitgrößte Anbieter, der solche Post-OP-BHs herstelle. Der größte Anbieter ist das bayerische Unternehmen Amoena, der auf der Welt führende Hersteller von Produkten für brustoperierte Frauen.
Die Corona-Krise hat Anita stark geschadet, weil die Geschäfte geschlossen waren. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz laut Hofmann um gut 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Positiv wirkt sich der Export in Länder wie die USA aus. Im Ausland erwirtschaftet Anita rund 60 Prozent des Umsatzes. Für das laufende Jahr ist man zuversichtlich, einen Erlös von etwa 105 Millionen Euro zu erzielen; so viel waren es im Jahr 2018.
Das Unternehmen hatte bis vor Kurzem keinen Onlineshop. Man hat auf den Fachhandel gesetzt, wo die Kundinnen beraten werden. „Das ist die Stärke des Fachhandels. Wenn die Rücklaufquoten zu hoch sind, verdient man im Onlineshop nichts mehr“, erklärt Hofmann. Nun verkauft man über den Shop Wäsche und Bademode aus den Sortimenten Anita since 1886, Rosa Faia, Maternity und Active. Die Anita-Care-Produkte sind dort nicht erhältlich.
Iman Benouirade
Alfred-Krupp-Schule, Essen