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Christos stiller Triumph

Setex aus Greven hat den Stoff hergestellt, mit dem der Arc de Triomphe in Paris verhüllt wurde.

F.A.Z.

7.10.2021

Rawan Ammoura

Hans-Böckler-Berufskolleg, Münster

Das Wort ,,undenkbar“ gab es für Christo und Jeanne-Claude offenbar nicht – oder wer hätte sich einmal vorstellen können, mit Stoff verhüllte Inseln und Wahrzeichen sinnlich ganz  neu entdecken zu können? Die Kunst Christos schafft eine andere Sicht auf die Welt. Sie vermittelt die Botschaft, dass die wirklichen Dinge neue ­Empfindungen ermöglichen. Vor Christos Tod im Jahr 2020 wählten Jeanne-Claude und Christo abermals ein weltbekanntes Bauwerk, das sie in einer fünften Kooperation mit dem Material der Nomaden – mit Stoff –  neu erlebbar machen wollten: den Arc de Triomphe de l’Étoile. Der Triumphbogen in Paris soll  an die „Grande Nation“, an Napoleon erinnern.

Von Mitte September bis Anfang Oktober haben viele Besucher das verhüllte Bauwerk bestaunt. Sie werden sich  an den  Farben erfreut haben, wenn die Sonne den Stoff um den 50 Meter hohen Bogen  zum Leuchten gebracht hat, wenn die Textur des 25 000 Quadratmeter großen Gewebes die Kraft des Windes in wallenden Bewegungen abgebildet hat. 

 1995 verhüllte Christo   den Reichstag in Berlin mit einem Stoff des Unternehmens  Schilgen aus Emsdetten. Der Geschäftskontakt blieb bestehen, 2013 wurde  Schilgen  durch die Setex GmbH übernommen und in die Setex-Textil-GmbH,  nun mit Sitz in Greven, umfirmiert. So konnte  2016 das dahliengelbe Polyamid-Gewebe für die begehbaren „Floating Piers“ auf dem italienischen Iseo-See die Weltöffentlichkeit faszinieren, wie der  Geschäftsführer der Setex  GmbH, Konrad Schröer, berichtet.

„Die Textilfirma Setex-Textil-GmbH ist eine klassische vollstufige Textilfirma, das heißt,  alle Produktionsschritte –  Spinnerei, Weberei, Ausrüstung, Konfektion –  werden vom Unternehmen  selbst und zum größten Teil im Münsterland durchgeführt“, sagt   Schröer. Es gibt einen zweiten Standort im Münsterland, in Bocholt, eine Niederlassung im französischen  Mülhausen und ein Werk in Lubawka in Polen mit 350 Mitarbeitern. Der gesamte Jahresumsatz liegt nach Angaben des Geschäftsführers bei  100 Millionen Euro. Man beschäftigt rund 1000 Mitarbeiter.

Rund 250 000 Euro für die neuen Kleider der Inseln des Iseo-Sees mögen da gering erscheinen, sie tragen aber in hohem Maße zum Bekanntheitsgrad der Setex-Gruppe bei, wie  Schröer betont. Für die Verhüllung des Arc de Triomphe seien insgesamt 12 Millionen Euro veranschlagt worden. 

Das Unternehmen geo – die Luftwerker aus Lübeck  arbeite seit 2011 mit Setex bei den Christo-Projekten Hand in Hand, sagt der  Sprecher von  geo, Felix Dickenberger. Setex liefere den Stoff an  geo, das ihn ­weiter vernähe, erläutert Dickenberger.  „Der Stoff für die Verhüllung des Arc de Triomphe ist silbrig auf der Außenseite und bläulich auf der Innenseite.“

Setex verkauft ansonsten  schwer entflammbare Stoffe,  die für Uniformen von Feuerwehrleuten und  für Theatervorhänge verwendet werden.  Ständig verbessere  man  Arbeitsabläufe und Qualitäten.   Anders könne ein  Textilunternehmen im Herzen Europas nicht mehr existieren. Doch ist Setex von der  Corona-Pandemie getroffen worden. Es fanden keine Veranstaltungen und Konferenzen mehr statt.  „Der Umsatz  ist um rund 10 Prozent gesunken.“  Neben der Pandemie sei der Wettbewerbsdruck durch  Anbieter aus der Türkei und Asien eine große Herausforderung, sagt   Schröer.

Allerdings sei man trotz hoher Arbeitskosten in Deutschland geblieben. Das bringe auch Vorteile, beispielsweise eine einfachere Kommunikation im Betrieb.    Außerdem begünstige der Standort eine nachhaltige Produktion. Alle Produkte und Stoffe seien OEKO-TEX®-zertifiziert, auch der Stoff für die Christo-Projekte. Allerdings wird er nur einmal verwendet und anschließend recycelt; so hat es sich der  Künstler gewünscht.  Schröer berichtet, dass „der Stoff nach dem Projekt nicht verkauft wird, obwohl dies wahnsinnig viel Geld bringen würde“.

Nach Angaben Schröers  haben die Künstler ihre Projekte  selbst finanziert. Den  unternehmerisch denkenden Geschäftsführer  beeindruckt, dass  Christo und Jeanne-Claude  auf öffentliche Zuschüsse verzichtet hätten und das Kunstobjekt allein durch den Verkauf von vorbereitenden Studien und Zeichnungen sowie früherer Werke finanziert hätten.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

Rawan Ammoura

Hans-Böckler-Berufskolleg, Münster

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