Spannende Inhalte finden

Bruno muss auf die Couch

Schweißpfoten und eingezogener Schwanz: Auch Hunde haben Ängste. Wird es zu schlimm, können sie zum Psychotherapeuten.

F.A.Z.

2.09.2021

Maria Jarjigs

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Kerstin Gebhardt arbeitet seit acht Jahren als Hundepsychologin in einer Hundeschule in Düsseldorf. Zuvor war sie 24 Jahre in einem Versicherungsunternehmen tätig, doch der Beruf gefiel ihr nicht mehr. Eines Tages sah sie eine Werbung im Fernsehen, in der eine Hundenanny von ihrer Tätigkeit erzählte, und  war  beeindruckt. „Ich hatte Angst vor Hunden, aber dieser Beruf hat mich trotzdem enorm angesprochen“, erzählt Gebhardt. Sie legte sich einen Hund zu.

Grundsätzlich kann sich jeder Hundepsychologe nennen, aber nach Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes brauchen Personen, die beruflich mit Tieren arbeiten, eine  behördliche Erlaubnis dafür. Es gibt verschiedene  Institute, in denen man sich ausbilden lassen kann.  „Ich  habe ein zweijähriges Studium bei der Akademie für Tiernaturheilkunde abgeschlossen“, erzählt  Daniela  Esch. Sie ist seit sieben Jahren Hundepsychologin; ihr Unternehmen heißt „Folgerichtig“ und befindet sich im saarländischen Tholey. Auch Hundeschulen bieten Ausbildungen an. „Man hat immer die Gelegenheit, sich fortzubilden, und es ist auch wichtig, sich dies zu Herzen zu nehmen. Vor allem sollte man viel Praxis machen, da die Verhaltensweise eines Hundes ein wirklich komplexes Thema ist“, erklärt Esch.

Zunächst versuchen Hundepsychologen, ein auffälliges Verhaltensmuster eines Tieres zu verstehen.  „Es ist sehr wichtig zu wissen, wo der Hund herkommt, denn wenn beispielsweise die Mutter ängstlich war, wirkt sich dieses Verhalten auf die Welpen aus“, erklärt Gebhardt.  Wenn ein Hund an einem ruhigen Ort groß wird, entwickelt er eher eine Angst vor lauten Geräuschen als ein Hund, der in einer Großstadt aufwächst. „Man kann sich das gar nicht vorstellen, was für eine Umstellung das ist, wenn ein Hund, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, plötzlich in einer Stadt lebt. Die Geräusche sind komplett fremd für ihn“, betont Gebhardt.

Diagnosen aus der Humanpsychologie werden auch Vierbeinern gestellt, denn sie sind ebenfalls soziale Wesen, die Gefühle wie Angst, Trauer und Verlust verspüren können. Die Hunde­psychologie beschreibt verschiedene Ängste: zum Beispiel vor dem Autofahren, vor Geräuschen,  vor Trennung. Tatsächlich drücken Hunde Ängste durch Mimik und Gestik aus. Sie  können vor Angst Magenschmerzen oder Schweißpfoten bekommen. Angst verdeutlichen sie mit einem eingezogenen Schwanz oder nach hinten gelegten Ohren. „Diese Angst hat einen Ursprung, und man sollte sie verstehen und verhindern, dass sie immer mehr wächst“, sagt Gebhardt.

Die meisten Hunde brauchen nicht mehr als vier Therapiestunden. „Ganz oft liegen die Probleme auch an der Kommunikation zwischen Hund und Hundebesitzer“, berichtet Esch. Manche Vierbeiner sind freilich schon seit einigen Jahren  in Behandlung; auf ein gelöstes Problem folgt das nächste ungelöste. Dann müsse man sich die Vergangenheit des Hundes ganz genau anschauen, und  nicht nur daran ar­beiten, das nach außen hin proble­matische Verhaltensmuster zu beseitigen,  sagt Esch. Einige Hunde wüchsen mit ­Alkoholikern auf, erzählt sie. Die Tiere waren Schutzhunde, weshalb sie gegenüber Menschen übertrieben aggressiv sind.

In der Corona-Pandemie haben sich mehr Menschen gegen die Einsamkeit einen Hund zugelegt. Nach dem Verband für das Deutsche Hundewesen sind im Jahr 2020 im Vergleich zu den vorherigen Jahren 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden. Das bedeutet im Prinzip auch mehr Arbeit und Einkommen für die  Hundepsychologen. Im ersten Lockdown mussten die Unternehmen allerdings schließen;  aber seitdem die Hundepsychologen wieder Einzeltrainings anbieten dürfen, ist die wirtschaftliche Lage recht gut. „Ich stehe wirtschaftlich langsam wieder dort, wo ich vor dem Ausbruch von Corona stand“, sagt Esch. In normalen Zeiten gibt sie auch Seminare, die einen  Hundehalter 100 Euro kosten und  schnell ausgebucht sind.

Die Therapiestunden sollten im Abstand von drei bis vier Wochen abgehalten werden. Hundepsychologen behandeln etwa 15 bis 20 Hunde gleichzeitig. „Vor allem kommen Besitzer zu mir, die einen Hund aus dem Ausland haben, der vorher nur auf der Straße lebte. Ein Haus ist für so einen Hund natürlich komplett neu, weshalb er es aus Angst erst gar nicht betreten will“, erzählt Gebhardt.

Die Erstberatung, die zwei bis drei Stunden dauert, kostet 50 bis 90 Euro. Daraufhin wird für 40 bis 50 Euro ein persönlicher Therapieplan  erstellt. Die Therapiestunden kosten dann mindestens 60 Euro je Einheit. Im Monat verdient ein Hundepsychologe etwa 2500 Euro brutto.

„Wenn ein Hund beispielsweise schon seit drei Jahren ein auffälliges Problemverhalten aufzeigt, muss dementsprechend auch länger und intensiver therapiert werden“, sagt Gebhardt.  Es passiert öfter, dass die Therapie für die Hundebesitzer zu teuer wird und beendet werden muss. Manchmal scheitert sie auch am Zeitmangel des Halters. „Leider denken manche Hundebesitzer, dass man das Problem einfach nur mit Medikamenten lösen kann“,  erzählt Hundepsychologin Manuela Mühlbauer aus Wedemark.

Wichtig ist es,  zwischen Hundepsychologen und Hundetrainern zu unterscheiden. Letztere sind Übungsleiter und erziehen zum Beispiel Welpen, bringen  Grundkommandos bei und üben mit den Tieren ein bestimmtes Verhalten ein. Meistens arbeiten die Trainer in Hundeschulen. Das Internetportal Snautz.de listet fast 2100  Hundeschulen in Deutschland auf. Jens Küther betreibt seine Hundeschule Dogs & Teamtraining in Netphen in Nordrhein-Westfalen. Er bilde etwa  100 Hunde im Jahr aus, berichtet  Küther. „Wenn man das Ganze mit einem vernünftigen Marketing angeht, kann man  damit rechnen, dass man schon zu Beginn relativ viele Anfragen bekommt.“ Von Hundepsychologen habe er gelernt, das Tier aus einer tieferen Sicht zu betrachten.

Ute Grundey ist  Grundschullehrerin und arbeitet im hessischen Beltershausen im Verein „Spaß für Mensch und Hund“. Dort werden Trainings angeboten, die die Kommunikation von Mensch und Hund fördern sollen. Zum Beispiel soll der Hund acht Bälle in ein Tor treiben lassen, und der Hundebesitzer dirigiert vom Torpfosten aus. Manche Halter ignorierten leider die Gefühle des Hundes, sagt Grundey. Nach ihrer Ansicht müssen  bestimmte Symptome, die  Menschen als störend wahrnehmen, gar nicht weg,  da sie zum Hund dazugehörten. „Früher habe ich gedacht, dass bei meinem Hund zumindest das Problem verschwindet, dass er immer hysterisch bellt.“ Mittlerweile denke sie aber, dass weder beim  Hund noch beim Mensch irgendetwas verschwinden sollte.

Für sie ist es wichtig, die Probleme nicht zu beseitigen, sondern zu schauen, mit welchen Maßnahmen man gemeinsam nicht gegen, sondern mit dem Verhalten des Hundes leben kann. „Natürlich sollte man einen  Hund nicht bewusst in eine Situation bringen, die ihn   ängstigt. Aber man sollte die Begleitung für ihn verändern und das Problem akzeptieren“, sagt Grundey.  „Ich fordere in Angstsituationen nichts vom Hund, sondern biete mich an, ihm zu zeigen, dass Angst machtlos ist, er sie aber trotzdem spüren darf.“

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

 

Maria Jarjigs

Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, Gießen

Weiterlesen

Cookie Einstellungen