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Bloß nicht sitzen bleiben

Wer mit dem „Hokki“ kippelt, soll mehr lernen.

F.A.Z.

11.09.2023

Niklas Off

Mallinckrodt-Gymnasium, Dortmund

Hör auf, mit dem Stuhl zu wackeln!“, sagen Lehrkräfte zu Schülern.  Das Bewegungsbedürfnis von  Kindern und Jugendlichen ist jedoch  ausgeprägt. Deshalb hat die  VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG aus Tauberbischofsheim den „Hokki“  konzipiert. Sein Sitz sieht aus wie ein Kronkorken. Der  Fuß hat denselben Durchmesser wie die Sitzfläche und  ist  zum Boden hin konvex.  Diese Rundung ermöglicht, sich frei über die Hüfte in alle Richtungen zu bewegen und dabei ständig eine neue Körperhaltung einzunehmen. Die Bodenauflage ist weich, und der Nutzer soll nicht wegrutschen.

Wer sich auf den Hokki setzt,  wippt nach Lust und Laune  –  und soll so aktiv beim Lernen bleiben. „Die Kinder lieben den Hokki, aber den Lehrern muss man erklären, dass dynamisches und aktives Sitzen auch gut für die körperliche und geistige Entwicklung und die Konzentrationsfähigkeit der Kinder ist“, sagt Alex Haberer, der Leiter der Marketingabteilung von VS.

Dass Bewegung  die Hirnentwicklung und Wahrnehmung von Heranwachsenden positiv beeinflusst, zeigen  Studien:  Durch körperliche Aktivität würden  Schüler  ruhiger und könnten sich besser  konzentrieren.  Bei der Entwicklung ihrer Möbel würden wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt, sagt Haberer.

Der Korpus des Hokkis besteht aus Kunststoff und ist recycelbar. Der Hocker ist leicht, Kinder können ihn tragen. Entwickelt wurde der Hokki vom englischen Designer John Harding, der  das Thema Bewegungsmangel in der Schule erkannte, denn in englischen Schulen waren Stühle zumeist aus Holz und damit starr, nicht mobil und teuer.  Harding baute 2005 einen Prototypen aus Holz auf einem runden Fuß und machte damit Studien in englischen Schulen. „Mit seinen Erkenntnissen kam Harding dann auf uns zu“, erzählt Haberer. Das Sitzkonzept war neu: flexibles, dynamisches und zeitweises Sitzen. Laut Haberer haben die Vereinigten Spezialmöbelfabriken das Produkt bis 2009 fertig entwickelt, die erste Variante des Hokkis wurde 2010 auf der Bildungsmesse Didacta präsentiert.

Man steigerte den Verkauf  auf 100.000 Stück im Jahr,  in den Spitzenjahren auf bis zu 150.000 Stück. Dann bauten    andere Hersteller den Hokki nach,  was sich negativ  auf die Stückzahlen ausgewirkt hat. Jedoch hat VS  Design-Schutzrechte auf den Hokki und ist das eine oder andere Mal gegen Eins-zu-eins-Kopien rechtlich vorgegangen. „Der Markt für den Hokki hat sich derzeit stabilisiert, die Herstellungszahl liegt jetzt bei knapp 100.000 jährlich“, sagt Haberer. Inzwischen gibt es den Hokki in verschiedenen Ausführungen. Der kleinste Hokki kostet für Privatkunden 65 Euro und die teuerste, höhenverstellbare Variante rund 130 Euro.

Der Hauptexportmarkt von VS sind mit 12 Prozent die USA. Der Umsatz der VS-Gruppe betrug im Jahr 2022 laut Haberer 336,8  Millionen Euro. Hinsichtlich Umsatz und Zahl der Mitarbeiter,  rund 1500,   sei man der  größte Schulmöbelhersteller in Deutschland. In diesem Jahr  feiert das Familienunternehmen in vierter Generation  125. Geburtstag.  Bekannt wurde VS  durch den Holzkufen­stuhl. Auf ihm haben  Generationen von Schülern  gesessen.

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