Andrea Pirlo, Weltmeister von 2006, hat einmal gesagt: „Fußball wird mit dem Kopf gespielt.“ Als defensiver Mittelfeldspieler erkannte er die Unverzichtbarkeit kognitiver Fähigkeiten. Dazu zählten Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, das Lösen von Problemen und die Verarbeitung von Informationen, sagt Sportpsychologe Marius Schröder.
Wie Pirlo dachte Tammo Neubauer. Als Trainer im Nachwuchsleistungszentrum der Spielvereinigung Unterhaching registrierte er im Sommer 2018, dass seine Schützlinge auf dem Platz oft zu langsame und falsche Entscheidungen trafen. „Die Spieler müssen heutzutage viel schneller Situationen wahrnehmen und Entscheidungen treffen können“, erklärt der frühere Scout von Werder Bremen. Es fehlten jedoch geeignete Trainingsmethoden. Deshalb entwickelte er die Reswitch-Trainingsleibchen: Leibchen, die mit zwei Farben (Rot und Weiß), zwei Zahlen (1 und 2), zwei Buchstaben (A und B) und zwei Symbolen (Raute und Kreis) bedruckt sind. Er vermarktet sie seit Anfang 2019 mit Alexander Bitzke und Jan Vomacka über die Matchconcept UG aus Grünwald. Unterstützt werden die drei von freien Mitarbeitern.
Wie funktioniert Reswitch? Im Training spielen zwei Mannschaften gegeneinander, getrennt zum Beispiel durch die Leibchenfarben Rot und Weiß. Mit dem Signal „Switch“ kann der Trainer die Zusammenstellung der Teams in Sekundenschnelle verändern, ohne dass die Spieler ihr Überziehshirt wechseln müssen. Damit die Mannschaften wissen, welches Tor sie verteidigen müssen, werden diese mit Markierungen an den Pfosten versehen.
„Durch schnelle, unvorhersehbare Wechsel der Teamkonstellationen und der Richtungen werden die Spieler immer wieder vor die Herausforderung gestellt, Situationen neu wahrzunehmen und schnelle, aber vor allem auch richtige Entscheidungen zu treffen“, erklärt Neubauer. Auch Sportpsychologe Schröder, der an der Triagon Academy in Ismaning lehrt, lobt: „Mit Re-switch können im Bereich des kognitiven Funktionstrainings die Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozesse sowie das Erkennen von Situationen unterstützend trainiert werden. Dadurch können Fußballer schneller Spielsituationen erkennen und so taktische Entscheidungen schneller und effizienter treffen.“
Der Markt solcher Praktiken wächst. So sei der Umsatz mit den Leibchen stetig gestiegen, sagt Neubauer. Insgesamt habe man knapp 1500 Sets verkauft und einen Umsatz von rund 300.000 Euro erwirtschaftet. „In diesem Jahr gehen wir wahrscheinlich auf die 2000 Kunden seit Gründung zu.“ Mit der Marke Skillshirtz gibt es einen weiteren Anbieter. Reswitch sei auf dem Nischenmarkt der kognitiven Leibchen aber Marktführer.
Angeboten werden verschiedene Sets; sie kosten 70 bis 300 Euro. Man hat Bestellungen aus gut zwanzig Ländern erhalten. Auch Profis sind Kunden, etwa die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen, die Fußballvereine TSG 1899 Hoffenheim, VfL Wolfsburg, SC Freiburg und FC St. Pauli sowie die Basketballer von Alba Berlin. Reswitch kooperiert mit dem „Kicker“. Die Zeitschrift macht die Leibchen bekannter, dafür prangt auf ihnen das Kicker-Logo.