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Basta mit der Pasta

Eine Tablette statt Zahnpasta: Ist sie so viel besser, wie der Hersteller behauptet?

F.A.Z.

22.03.2019

Theresa Weickert

Katholische Schule Liebfrauen, Berlin

Zahnpasta ist im Grunde Körperverletzung“, behauptet der Mitgründer von Denttabs innovative Zahnpflegegesellschaft mbH in Berlin, Axel Kaiser. „Um aus Wasser eine stabile, haltbare und gegen Keimbefall schützende Paste zu machen, benötigt man einen Cocktail aus Chemikalien.“ Diese Zusatzstoffe lagerten sich in Zahnfleisch und Mundhöhle ein und könnten Krankheiten verursachen. Kaiser ist gelernter Automechaniker und hat 1992 mit seinen zwei Brüdern ein Dentallabor gegründet. Für eine Doktorarbeit musste er ein wasserfreies Zahnputzmittel herstellen. Er wollte etwas kreieren, was das Gleiche leiste wie Zahnpasta, aber keine problematische Chemie enthalte, erklärt Kaiser.

„Die Tabletten bestehen streng genommen aus völlig unspektakulären Inhaltsstoffen“, berichtet Kaiser. Zu 70 Prozent seien sie aus Zellulose. Die mikrofeinen Zellulosefasern polierten die Zähne bis in die Zahnzwischenräume, ohne die Oberfläche zu schädigen. Außerdem unterstütze Kieselerde die Zahnreinigung. Inhaltsstoffe wie Menthol und natürliches (Minz-)Aroma sorgten für einen frischen Atem. Man bietet die Zahnputztabletten mit und ohne Fluorid an. „Bei Fluorid handelt es sich ebenfalls um Chemie, jedoch um keine problematische“, sagt Kaiser. Problematisch seien Konsistenzgeber, Stabilisatoren und Farbstoffe.

Man zerkaut die Tablette im Mund und putzt anschließend mit einer angefeuchteten Zahnbürste. „Im Grunde genommen braucht ein Zahnpflegemittel nicht viele Inhaltsstoffe“, sagt der Zahnarzt Christian Sternat, ein Beisitzer im Vorstand des Deutschen Zahnärzte Verbandes. In den Denttabs mit Fluorid seien alle notwendigen Inhaltsstoffe; deshalb seien sie medizinisch wirksam. Sternat befürwortet den Grundgedanken von Denttabs, ein Produkt mit möglichst wenigen Inhaltsstoffen herzustellen, stellt aber klar, dass die herkömmlichen Zahnpasten unbedenklich weitergenutzt werden könnten. Wissenschaftlich sei nicht nachgewiesen, dass Zahnpasta Schäden verursache.

Den großen Aufschwung hat Denttabs noch nicht erlebt. Es gebe kein organisches Wachstum, sagt Kaiser. Längere Zeit mussten sie das Unternehmen vor der Insolvenz bewahren. Eine Packung Denttabs enthält 125 Tabletten und kostet rund 6 Euro. „Der Umsatz lag im Jahr 2017 zwischen 300000 und 350000 Euro. Im Jahr 2018 lag er schon bei rund 500000 Euro.“ Anfang des Sommers 2018 sei es endlich zum Durchbruch gekommen. Über die Masse verdiene man Geld. In den nächsten fünf Jahren erwartet Kaiser einen achtstelligen Umsatz.

Ersten Rückenwind bekam das Unternehmen über die Unverpackt-Läden. Zahnpasta sei für diese Vertriebsform nicht geeignet, erklärt Kaiser. Die Tabletten ließen sich hingegen in mitgebrachte Mehrweggläser füllen. Einen weiteren Aufschwung soll eine neue Verpackung bringen. Die bisherige Plastikdose wird durch eine organisch abbaubare Verpackung aus Mais ersetzt; seit Februar wird Denttabs in dieser Verpackung auch in der Drogeriemarktkette DM in ganz Deutschland verkauft. Exportiert werden die Tabletten ebenfalls. „Fast täglich gibt es neue Bestellungen, zum Beispiel aus Läden in Großbritannien“, sagt Kaiser.

Der Kosmetikhersteller Lush bietet fluoridfreie Zahnputztabletten an. Die Toothy Tabs gebe es seit 2009 in vier verschiedenen Sorten, sagt Sarah Boedner von Lush. Die Preise liegen zwischen 8,75 Euro und 10,95 Euro für rund 100 Tabletten. Ein Inhaltsstoff ist Kaolin, das reinigend und absorbierend wirken soll. „Lush hat sich für die feste Form des Zahnputzmittels entschieden“, erklärt Boedner. Ein festes Produkt benötige keine Konservierungsstoffe und passe in das Sortiment der Naturkosmetikmarke.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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