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Auf der Erde ist alles schwer in Ordnung

Yuri bietet Forschungsprojekte in der Schwerelosigkeit an – auch auf der Raumstation ISS.

F.A.Z.

17.03.2023

Mara Kathrin Diehl

Albert-Einstein-Schule, Schwalbach

„Schwerelosigkeit bietet einzigartige Voraussetzungen“, sagt  Geschäftsführerin Maria Birlem. 2019 haben sie und zwei Kollegen beim Flugzeughersteller  Airbus gekündigt, um die  Yuri GmbH in Meckenbeuren am Bodensee zu gründen. „Schon als Kind war ich fasziniert vom Weltraum“, erinnert sich die Luft- und Raumfahrttechnikerin, die in der männerdominierten Weltraumforschung ein Vorbild für junge Frauen sein möchte, „auch für meine Tochter“. Der Firmenname  soll an Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltraum, erinnern.

 Yuri bringt Forschungsprojekte in die Schwerelosigkeit. „Zu unseren Kunden gehören Forschungseinrichtungen, Pharmakonzerne, aber auch mittelständische Unternehmen“, sagt Birlem.  Kunden wählen zwischen einem mehrmonatigen Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS oder kostengünstigeren Alternativen auf der Erde. Man  ermöglicht Parabel-, Suborbital- und Orbitalflüge, um annähernde Schwerelosigkeit, die Mikrogravitation, zu erreichen. Auch Falltürme mit Vakuum sind eine Option. „Denn wenn Sie sich in einem Aufzug mit einem gerissenen Seil befänden, würden Sie in diesem fallenden Aufzug kurz auch eine Art Mikrogravitation erfahren“, veranschaulicht Birlem.

Das Unternehmen hat zudem  das Gerät Yuri Clinostat entwickelt, das es an 30 Kunden auf vier Kontinenten verkauft oder vermietet. Durch ständige Rotation simuliert es im Labor auf der Erde Mikrogravitation. Der Verkaufspreis liegt zwischen 20.000 und 45.000 Euro. 

 Daniela Bezdan ist wissenschaftliche Leiterin von Yuri und Ko-Vorsitzende der Mikrobiom-Arbeitsgruppe am NASA-Genlabor in New York. Die  Chemikerin und Biotechnologin erläutert  Schwerelosigkeit am Wachstum von Zellen auf Petrischalen: „Durch die Schwerkraft wachsen Zellen auf der Erde nur flach in zwei Richtungen. Im schwerelosen Weltall sehen wir dreidimensionale Zellstrukturen, die denen in unserem Körper sehr ähneln.“ An diesen realitätsnahen Geweben könne man beispielsweise Medikamente besser testen.  Außerdem gebe es im Weltall kaum Vibration, wodurch Proteinkristalle reiner und größer wüchsen.  Auch hiervon könne die Arzneimittelforschung profitieren. 

 Yuri erwirtschaftet   einen siebenstelligen Jahresumsatz und beschäftigt mehr als 30 Mitarbeiter. Es gibt einen weiteren  Standort in Luxemburg und bald auch in Spanien und den USA.  „Wir haben bereits 60 Kunden in mehr als 20 Ländern“, berichtet Mitgründer Mark Kugel. Drei Viertel der Aufträge stammten aus Europa. Ansonsten  sei man  vor allem in Aus­tralien und den USA tätig. So ist  Joshua Chou von der University of Technology in Sydney schon aufgeregt; bald fliegt er mit Yuri  zur ISS. „Sie kümmern sich wirklich um alles, was mir hilft, mich auf meine Krebsforschung zu konzentrieren“, sagt  er.

Auf der Welt  existierten knapp  zehn Unternehmen, die ähnliche Dienstleistungen anböten, sagt  Birlem. In Deutschland arbeite nur Airbus in diesem  Bereich. „Das Team von Airbus ist inzwischen allerdings fast komplett bei Yuri“, ergänzt Kugel. Insgesamt sehe sich Yuri  durch seine verschiedenen Angebote und vielen Kombinationsmöglichkeiten als deutscher Pionier. Einzigartig sei Yuri zudem wegen seiner  handflächengroßen Minilabore. Diese seien voll automatisiert und flexibel auf die Forschungsprojekte anzupassen.

 Oft dauerten Forschungsprojekte zwei bis fünf Jahre  und kosteten mehr als eine Million Euro. „Durch die Bündelung mehrerer Experimente in einer Mission,  die wiederverwendbaren Minilabore sowie eine auf sechs Monate verkürzte Dauer sind Missionen mit den Yuri-Laboren schon ab 10.000 Euro, solche zur ISS bereits ab 95.000 Euro möglich“, berichtet Birlem.

 Am 7. November 2022 startete eine Rakete mit Yuri-Minilaboren für die Berliner Charité und die Frankfurter Goethe-Universität zu einer dreimonatigen ISS-Mission. Der wissenschaftliche Leiter des Frankfurter Projekts,  Francesco Pampaloni, hofft, „neue Wege zu finden, um zum  Beispiel die altersbedingte Beeinträchtigung des Immunsystems zu behandeln“. Die Mission ermögliche, den  Einfluss der Schwerkraft auf den Körper zu verstehen, insbesondere auf die Immunzellen im Knochenmark.

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

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