„Schwerelosigkeit bietet einzigartige Voraussetzungen“, sagt Geschäftsführerin Maria Birlem. 2019 haben sie und zwei Kollegen beim Flugzeughersteller Airbus gekündigt, um die Yuri GmbH in Meckenbeuren am Bodensee zu gründen. „Schon als Kind war ich fasziniert vom Weltraum“, erinnert sich die Luft- und Raumfahrttechnikerin, die in der männerdominierten Weltraumforschung ein Vorbild für junge Frauen sein möchte, „auch für meine Tochter“. Der Firmenname soll an Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltraum, erinnern.
Yuri bringt Forschungsprojekte in die Schwerelosigkeit. „Zu unseren Kunden gehören Forschungseinrichtungen, Pharmakonzerne, aber auch mittelständische Unternehmen“, sagt Birlem. Kunden wählen zwischen einem mehrmonatigen Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS oder kostengünstigeren Alternativen auf der Erde. Man ermöglicht Parabel-, Suborbital- und Orbitalflüge, um annähernde Schwerelosigkeit, die Mikrogravitation, zu erreichen. Auch Falltürme mit Vakuum sind eine Option. „Denn wenn Sie sich in einem Aufzug mit einem gerissenen Seil befänden, würden Sie in diesem fallenden Aufzug kurz auch eine Art Mikrogravitation erfahren“, veranschaulicht Birlem.
Das Unternehmen hat zudem das Gerät Yuri Clinostat entwickelt, das es an 30 Kunden auf vier Kontinenten verkauft oder vermietet. Durch ständige Rotation simuliert es im Labor auf der Erde Mikrogravitation. Der Verkaufspreis liegt zwischen 20.000 und 45.000 Euro.
Daniela Bezdan ist wissenschaftliche Leiterin von Yuri und Ko-Vorsitzende der Mikrobiom-Arbeitsgruppe am NASA-Genlabor in New York. Die Chemikerin und Biotechnologin erläutert Schwerelosigkeit am Wachstum von Zellen auf Petrischalen: „Durch die Schwerkraft wachsen Zellen auf der Erde nur flach in zwei Richtungen. Im schwerelosen Weltall sehen wir dreidimensionale Zellstrukturen, die denen in unserem Körper sehr ähneln.“ An diesen realitätsnahen Geweben könne man beispielsweise Medikamente besser testen. Außerdem gebe es im Weltall kaum Vibration, wodurch Proteinkristalle reiner und größer wüchsen. Auch hiervon könne die Arzneimittelforschung profitieren.
Yuri erwirtschaftet einen siebenstelligen Jahresumsatz und beschäftigt mehr als 30 Mitarbeiter. Es gibt einen weiteren Standort in Luxemburg und bald auch in Spanien und den USA. „Wir haben bereits 60 Kunden in mehr als 20 Ländern“, berichtet Mitgründer Mark Kugel. Drei Viertel der Aufträge stammten aus Europa. Ansonsten sei man vor allem in Australien und den USA tätig. So ist Joshua Chou von der University of Technology in Sydney schon aufgeregt; bald fliegt er mit Yuri zur ISS. „Sie kümmern sich wirklich um alles, was mir hilft, mich auf meine Krebsforschung zu konzentrieren“, sagt er.
Auf der Welt existierten knapp zehn Unternehmen, die ähnliche Dienstleistungen anböten, sagt Birlem. In Deutschland arbeite nur Airbus in diesem Bereich. „Das Team von Airbus ist inzwischen allerdings fast komplett bei Yuri“, ergänzt Kugel. Insgesamt sehe sich Yuri durch seine verschiedenen Angebote und vielen Kombinationsmöglichkeiten als deutscher Pionier. Einzigartig sei Yuri zudem wegen seiner handflächengroßen Minilabore. Diese seien voll automatisiert und flexibel auf die Forschungsprojekte anzupassen.
Oft dauerten Forschungsprojekte zwei bis fünf Jahre und kosteten mehr als eine Million Euro. „Durch die Bündelung mehrerer Experimente in einer Mission, die wiederverwendbaren Minilabore sowie eine auf sechs Monate verkürzte Dauer sind Missionen mit den Yuri-Laboren schon ab 10.000 Euro, solche zur ISS bereits ab 95.000 Euro möglich“, berichtet Birlem.
Am 7. November 2022 startete eine Rakete mit Yuri-Minilaboren für die Berliner Charité und die Frankfurter Goethe-Universität zu einer dreimonatigen ISS-Mission. Der wissenschaftliche Leiter des Frankfurter Projekts, Francesco Pampaloni, hofft, „neue Wege zu finden, um zum Beispiel die altersbedingte Beeinträchtigung des Immunsystems zu behandeln“. Die Mission ermögliche, den Einfluss der Schwerkraft auf den Körper zu verstehen, insbesondere auf die Immunzellen im Knochenmark.