„Das sind kleine Städte, die wir da entwerfen“, sagt Siegfried Schindler, Geschäftsführer und Mitbegründer der „Partner Ship Design“ State of the Art Cruise Ship Design GmbH. Das Hamburger Architekturbüro entwirft die meisten Bereiche auf Kreuzfahrtschiffen. Partner Ship Design arbeitet hauptsächlich für die Kreuzfahrtanbieter Aida, Costa, P&O und Carnival Cruise Line. Diese Marken gehören zum Carnival-Konzern, dem Weltmarktführer im Bereich Kreuzfahrten.
„Grundsätzlich ist der Schiffbau wesentlich komplizierter als der gewöhnliche Gebäudebau“, sagt Schindler. Herausfordernd sei zum einen der Platzmangel. Da der Reeder das Platzangebot so effizient wie möglich nutzen wolle, müsse sich jede Einrichtung am Kriterium der Multifunktionalität messen lassen. „Dieser Gedanke hat uns auf den Entwurf des Theatriums gebracht.“ Es ist tagsüber ein Begegnungsraum, ein Atrium und abends ein Theater. Das Konzept wurde mittlerweile auf elf Aida-Schiffen verwirklicht.
Zum anderen gälten auf See erhöhte Sicherheitsvorschriften, berichtet der Geschäftsführer. „Die Anordnung der Kabinen und der öffentlichen Bereiche richtet sich immer nach der Festlegung der wasserdichten Abteilungen und Feuerzonen im Schiff.“ Nur von diesen ausgehend könne das Interieur entworfen werden. Auch schreibe die International Maritime Organization (IMO) die Nutzung von zertifizierten und auf Feuerbeständigkeit geprüften Materialien vor.
Zuletzt plante Partner Ship Design die beiden Aida-Schwesterschiffe Cosma und Nova, die zu den sechs größten Passagierschiffen der Welt gehören. Bei acht weiteren ähnlich großen Schiffen des Carnival-Konzerns habe Partner Ship Design als wichtigstes Architekturbüro mitgewirkt. Auch die MS Deutschland, die 15 Jahre lang als Drehort der ZDF-Serie „Das Traumschiff“ diente, wurde von den Hamburgern entworfen.
Für die Cosma entwarfen die Innenarchitekten 17 Restaurants, 23 Bars, 3500 Quadratmeter Wellnesslandschaft und 2732 Kabinen. Das 337 Meter lange Schiff beherbergt bis zu 5400 Passagiere; hinzu kommen etwa 1500 Crew-Mitglieder. Im Schwesterschiff Nova ließen die Architekten einen Klettergarten bauen. Auf der Mardi Gras der Carnival Cruise Line steht auf dem von ihnen entworfenen Außendeck eine Achterbahn. Innenarchitektonisch seien solche Projekte an Komplexität kaum zu überbieten.
Wegen dieser Vielschichtigkeit übersteige der Entwurf eines ganzen Kreuzfahrtschiffs die Kompetenz gewöhnlicher Innenarchitekten, sagt Schindler. „Ich bin seit 42 Jahren im Geschäft, mein Partner seit 37 Jahren. Mit unserer Erfahrung bekommen wir das hin.“ Sie verfügten über ein besonderes Fachwissen. Nach eigenen Angaben gibt es kein anderes Unternehmen auf der Welt, das Kreuzfahrtschiffe in diesem Umfang entwirft, von der Konzeption bis zum Bau in der Werft.
Ihre Zuverlässigkeit sei ein weiterer Grund für ihren Erfolg. „Die von uns kalkulierte Rechnungssumme für den Reeder passt in 95 Prozent der Fälle.“ Auch werde die Zeitplanung nahezu immer eingehalten. In einem Geschäftsjahr bearbeitet Partner Ship Design durchschnittlich acht Projekte unterschiedlichen Umfangs, wie Silke Förster, JuniorPartnerin und eine von fünf Geschäftsführern, mitteilt. Das reicht von kleineren Umbauten des Innenlebens der Kreuzfahrtschiffe bis hin zur vollständigen Ausgestaltung eines Neubaus. Jeweils 0,5 bis 1 Prozent der Gesamtkosten des Projekts entfallen auf die Architekten und die an der Entwicklung beteiligten Beraterfirmen. Die Baukosten eines mittelgroßen Kreuzfahrtschiffs von rund 140 000 Bruttoregistertonnen (BRT) liegen bei 700 bis 800 Millionen Euro. Ozeanriesen mit 180 000 BRT oder mehr kosten mehr als eine Milliarde Euro.
Seit der Gründung 1991 ist Partner Ship Design stetig gewachsen, bis zur Corona-Pandemie. Man profitierte von ständig steigenden Passagierzahlen. „In 31 Jahren Firmengeschichte haben wir noch nie Akquise gemacht, die Reeder kommen auf uns zu“, erzählt Schindler. „Vor der Pandemie haben wir 20 Prozent des Weltmarktes im Schiffsdesign abgedeckt.“ Der Jahresumsatz lag zu dieser Zeit bei 3 bis 4 Millionen Euro, wie das Unternehmen mitteilt. Doch die Pandemie traf die Kreuzfahrtbranche hart. Das wirkte sich auch auf die Auftragslage von Partner Ship Design aus. In der Folge sind nur noch 35 Mitarbeiter im Unternehmen tätig, vor der Pandemie waren es rund 50.
„Wir sind gerade dabei, uns zu erholen, und sehen aktuell eine positive Tendenz“, sagt Schindler. Denn die Reeder müssten ihre Umbauten rechtzeitig in Auftrag geben, um dann voll einsatzfähige Schiffe zu haben, wenn der Betrieb wieder richtig anlaufe. Zudem müssten sie jetzt Planungen neuer Schiffe in Auftrag geben, um langfristig konkurrenzfähig zu sein. Außerdem hätten die ersten Schiffe aus den Neunzigerjahren bald das Ende ihrer Lebensdauer erreicht.
Bei einem Neubau beginnen die Hamburger Architekten mit dem Erstellen des Generalplans, also der Festlegung der grundlegenden Konzeption einzelner Bereiche des Schiffs; das dauert etwa ein Dreivierteljahr. Von Beginn an müsse auf die Anordnung der Gänge und Treppenhäuser geachtet werden, damit sich die bis zu 8000 Passagiere und Crew-Mitglieder auf einem Schiff nicht ständig begegneten, erklärt Schindler. „Hierfür erstellen wir Bewegungsprofile, um daraus ein optimiertes Wegekonzept zu erarbeiten.“
Danach werde die Ausstattung der Kabinen und der öffentlichen Bereiche geplant; dafür benötigt man bei großen Schiffen etwa eineinhalb Jahre. Eine einzelne Kabine auszustatten kostet nach Schindlers Angaben bis zu 40 000 Euro, eine Suite rund 100 000 Euro.
Die Möbelstücke werden von Partner Ship Design gezeichnet und dann von Ausbauunternehmen gefertigt. „Die ältere Generation Architekten bei uns sind sämtlich gelernte Schreiner. Wir wissen daher, mit Materialien und Konstruktionen umzugehen“, sagt Schindler, der selbst Schreiner ist.
Eine besondere Herausforderung bestehe zudem darin, das Interieur möglichst zeitlos zu gestalten, sodass die Schiffe drei Jahrzehnte lang gerne gebucht werden. „Man muss aus meiner Sicht ganz viel aus der Natur auf das Schiff übertragen, denn Natur ist zeitlos“, erklärt Schindler.
Die genauen Entwürfe erstellen die Architekten am Computer in 3-D. „Dennoch fordern wir von unseren Mitarbeitern, dass sie ihre ersten Skizzen immer mit Bleistift auf Papier bringen“, sagt Schindler. Ein kreativer Gedanke lasse sich per Hand am besten umsetzen.
Auch Renovierungen gehören zu den Leistungen des Unternehmens. Ein Wechsel der Teppiche, Gardinen und Stoffmöbel erfolge meistens nach fünf bis sieben Jahren.
Ein gesteigertes Umweltbewusstsein stehe der Kreuzfahrtbranche nicht im Weg, glaubt Schindler. So werde an Wasserstoffmotoren gearbeitet. Außerdem würden Materialien wie Teppiche aus alten Schiffen herausgenommen und ressourcenschonend weiterverarbeitet.
Verwirklicht werden die Pläne von Partner Ship Design in den Werften. „Zuletzt haben wir intensiv mit der Meyer Werft in Papenburg und im finnischen Turku zusammengearbeitet, wo auch die Cosma und die Nova gebaut wurden“, berichtet Schindler. Andere von ihnen entworfene Kreuzfahrtschiffe wurden von der italienischen Fincantieri-Werft, dem größten Schiffbauunternehmen Europas, gebaut.