Spannende Inhalte finden

Am Ende liegt der Krieg am Boden

Seaterra macht Munition unschädlich, nicht nur an Land, sondern auch im Meer.

F.A.Z.

1.12.2022

Arion Wiesler

Max-Planck-Gymnasium Lahr, Lahr

Noch heute zeigen beide Weltkriege ihre Spuren in Deutschland und in anderen Teilen  der Welt. Rund 300 000 Tonnen Munition rotten zum Beispiel in der Ostsee vor sich hin, berichtet der Fernsehsender NDR, mehr als  das Vierfache in der Nordsee. Die Munition ist nicht nur im Meer durch langsam frei werdende Stoffe oder Detonation  gefährlich, auch an Land kann es zu gefährlichen und teuren Komplikationen kommen.

„Mit Kampfmitteln kontaminierte Infrastruktur, Agrarflächen und Erholungsflächen müssen untersucht und geräumt werden“, erklärt der Diplom-Geophysiker Edgar Schwab, der Geschäftsführer der Seaterra GmbH aus Wandlitz in Brandenburg. Das im Jahr 2003 als Ein-Mann-Firma gegründete Unternehmen beschäftigt heute 54 Mitarbeiter, von  Geowissenschaftlern und Feuerwerkern bis hin zu Seeleuten und Tauchern.  Man arbeitet  an Land und  im Wasser. Die Arbeitsgebiete umfassen neben der  Kampfmittelsondierung und -räumung Seevermessungen, geophysikalische Untersuchungen,  Archäologie, Taucharbeiten und Unterwasserinspektion mittels Robotern. Im Vorfeld von Baumaßnahmen sei oftmals eine Sondierung und Räumung von Kampfmitteln (UXO – Unexploded Ordnance, Blindgänger) im Zuge einer Gefahrenabwehr notwendig oder vorgeschrieben, berichtet Schwab.

„Es gibt rund  30 Unternehmen  in Deutschland, die vergleichbare Leistungen an Land durchführen, und rund fünf Firmen in Deutschland, die diese Dienstleistungen auch unter Wasser anbieten, und etwa zehn Firmen in Europa, die im Offshore-Bereich  vergleichbar arbeiten“, sagt Schwab. Er hebt die  eigens entwickelten Verfahren und Instrumente hervor.  „Zum Beispiel haben wir Instrumente, die tiefer in den Untergrund blicken. Oder wir haben  eine Sondierdrohne, die in der Lage ist, bei hoher Datenqualität Flächen aus der Luft zu erkunden.“ Auch nutzt man als eines der ersten Unternehmen  Unterwasser-Crawler, zum Beispiel beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen. Durch die semiautonome oder  autonome Arbeit der Unterwasserfahrzeuge erreiche man  mehr Sicherheit, was  besonders im Bereich von Munitionsverklappungsgebieten im Meer von Bedeutung sei.

Die Kosten für ein Projekt reichen von 1000 bis 30 Millionen Euro. Man verwirkliche rund  200 Projekte im  Jahr, der Umsatz liege zwischen  15 und 30 Millionen  Euro. Die Kunden kommen aus den Bereichen Energie, Verkehr, Baugewerbe, Militär, Wasserbau, Bergbau und Behörden; rund  60 Prozent stammen aus  Deutschland und 30 Prozent aus dem übrigen Europa. Das Geschäft  sei  sehr wechselhaft, da Projekte nicht langfristig planbar seien; es komme  immer wieder zu Phasen mit sehr viel Arbeit und dann wieder mit wenig Arbeit.

Bisher habe man rund  2500 Aufträge ausgeführt, darunter auch  für die East Side Gallery in Berlin. Der größte  sei  die Kampfmittelräumung der Seewasserstraße von Swinemünde nach Stettin gewesen. Etwa  14 Millionen  Quadratmeter seien untersucht und geräumt worden, ungefähr 40 000 Verdachtsobjekte habe es gegeben. Einer davon sei eine der  größten Bomben der Welt gewesen, ein 5,4 Tonnen schwerer „tall boy“, der zusammen mit dem polnischen Militär gesprengt wurde. Im Durchschnitt seien etwa 10 Prozent der gefundenen Munition gefährlich und müssten gesondert behandelt werden, wozu auch Sprengungen gehörten. Unfälle habe es bisher keine gegeben.

Auch an Nord Stream 2 hat  das Unternehmen nach der  Mitwirkung  an Nord Stream 1 im Jahr 2010 gearbeitet.  Seaterra untersuchte die  komplette Pipeline-Trasse im deutschen Sektor, auf der außergewöhnlich viel Munition gefunden wurde. Wegen der Invasion Russlands in die Ukraine  gab es  Schwierigkeiten mit der Bezahlung.

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

Weiterlesen

Weitere Artikel von Arion Wiesler

Cookie Einstellungen