Das Faszinierende sei, dass man mit den Figuren innerhalb von Minuten zu den Römern, ins Mittelalter, in die Stadt der Zukunft oder ins Krankenhaus reisen könne, sagt Oliver Schaffer über das Spielzeug, das zum Hauptbestandteil seines Berufs geworden ist: Playmobil. „Außerdem lächeln die Figuren immer.“ Es sei ein positiv besetztes Spielzeug. Der Hamburger ist Playmobil-Ausstellungskünstler. „Ich habe mich darauf spezialisiert, Auftragsarbeiten für Museen, die sich auf ein bestimmtes Thema fokussieren, zu erstellen“, erklärt der 44-Jährige. Dabei gehe es nicht darum, Playmobil an sich zu zeigen, sondern zum Beispiel historische oder phantastische Themen mithilfe von Playmobil zu veranschaulichen. Er verwende Teile aus seiner Playmobil-Schausammlung, die die größte ihrer Art auf der Welt sei.
Schon als Kind begeisterte sich der in Kiel aufgewachsene Schaffer für Playmobil: „Wenn ich mit Playmobil gespielt habe, konnte ich den Alltag vergessen.“ Nach der Schule habe er eine Ausbildung in Singen, Tanzen und Schauspielen gemacht und zehn Jahre lang als Musicaldarsteller gearbeitet, bevor er dann zwölf Jahre lang bei Aida Cruises Sänger für Kreuzfahrtschiffe ausgesucht habe.
2003 habe ihn die Horst Brandstätter Group aus Zirndorf, die die Marke Playmobil 1974 auf den Markt brachte, zum 30-jährigen Jubiläum der 7,5 Zentimeter großen Figuren kontaktiert. Man hatte einen Fanbrief aus seiner Kindheit archiviert. „Anhand der Fotos glaubte man, ich habe die größte Playmobil-Zirkussammlung in Deutschland.“ Zum Jubiläum habe es eine Wanderausstellung gegeben, die im Historischen Museum der Pfalz in Speyer begann. „Und da habe ich dann mit meinem Zirkus mitgemacht.“
2009 hatte auch Playmobil Frankreich Interesse an einer Ausstellung im Pariser Musée des Arts décoratifs im Nordflügel des Louvre-Palasts. „Weil die Franzosen insbesondere zur Weihnachtszeit riesige Zirkusfans sind, wollten die unbedingt das Thema Zirkus dabeihaben“, erzählt Schaffer. „Ich habe da meinen Circus Oliver, den ich als Kind gesammelt habe, mit Blick auf den Eiffelturm ausgestellt.“ Sein Vater hatte ihm das Zirkuszelt aus Holz und Segelstoff gebaut. „Er stand da mit Tränen in den Augen. Denn wer hätte jemals gedacht, dass dieses Zirkuszelt aus meiner Heimat einmal in Paris 200 Meter von der Mona Lisa entfernt zu sehen sein würde?“
Danach hätten immer mehr Museen gefragt, ob er auch andere Themen als Zirkus ausstellen könne, erzählt Schaffer. So habe er Schaulandschaften zu den Römern, zum Mittelalter und zum Wilden Westen gemacht. Anfangs habe er jährlich etwa drei bis fünf Ausstellungen nebenberuflich gestaltet und sich dafür Urlaub genommen. „Mit der Zeit habe ich mehr und mehr Material gekauft, und die Themen wurden immer spezieller.“ 2019 seien es dann zehn Ausstellungen gewesen. Er kündigte und machte sich selbständig.
Für dieses Jahr hat er zehn Ausstellungen konzipiert. Bis Ende Juli fand auf Schloss Philippsruhe in Hanau eine Schau zu „175 Jahre Paulskirche“ statt. Seine Ausstellung im Archäologischen Museum in Hamburg sei gerade verlängert worden. Auch in Münster, Speyer, Bremen und Bad Sachsa stellt er aus. Bisher habe er 60 Ausstellungen, die insgesamt gut fünf Millionen Besucher hatten, kreiert.
Fast die Hälfte des Jahres verbringt Schaffer in Hotels. Der krönende Abschluss sei immer der Aufbau der Ausstellung. Dafür brauche er zwei bis sechs Wochen. „Jede einzelne Figur, jeder einzelne Baum ist mit meiner Hand aufgestellt. Danach kann ich auch einige Zeit erst mal kein Playmobil mehr sehen.“ Schaffer gestaltet Dioramen, die von ein mal ein bis acht Meter groß sind. Beim Aufbau helfe ihm eine Person, die als freiberuflicher Mitarbeiter mit ihm reise. Die Museumsdirektoren und -kuratoren überprüften, ob inhaltlich alles richtig sei. „Die sagen zum Beispiel bei einer Mittelalterausstellung, kannst du bitte ein paar Bärte wegnehmen, weil man weiß, dass Bärte im Mittelalter noch nicht so weit verbreitet sind.“
Der Künstler kann auf eine Sammlung von geschätzt zwei bis drei Millionen Playmobil-Teilen und rund 400.000 Figuren zurückgreifen. „Für Playmobil habe ich bestimmt schon über eine Million Euro ausgegeben.“ Den Wert seiner Sammlung könne er schwer beziffern: „Die Frage ist, ob alles, was ich besitze, noch so viel wert ist, wie es einmal war.“ Denn er besitze die Teile nicht im Originalzustand in den Packungen. Nur eine sehr wertvolle Figur habe er: „Ich habe eine der ersten Playmobilfiguren aus den 1970er-Jahren; die ist auch noch in der Originalverpackung und mittlerweile wahrscheinlich 300 Euro oder etwas mehr wert.“
Schaffers Sammlung ist die größte Playmobil-Schausammlung der Welt. Die Betonung liege auf „Schau“. Denn ein norwegischer Sammler besitze alle jemals erschienenen Playmobil-Sets in ihrer Originalverpackung, sagt Schaffer. Er zeige seine Sammlung aber nicht. Zwei Sammler aus Frankreich besäßen sehr viel Playmobil, stellten ihre Figuren jedoch viel seltener aus. „Bei mir zu Hause ist playmobilfreie Zone. Alles, was ich besitze, besitze ich nur, um es zu zeigen“, sagt Schaffer. Ein mit ihm vergleichbarer Playmobil-Ausstellungskünstler existiere nicht.
In seinen Ausstellungen mischt Schaffer verschiedene Generationen von Playmobil-Figuren. So spreche er Mama und Papa genauso an wie ihre Kinder. Etwa alle zehn Jahre veränderten sich die Figuren etwas. Während ein Pferd früher etwa einfarbig und fast wie aus Holz geschnitzt ausgesehen habe, gebe es nun verschiedene Farben, Drucke, Augen und Hufe.
95 Prozent seines Playmobils hat Schaffer gekauft, über Ebay, auf Börsen in Frankreich, Spanien und Luxemburg sowie bei Einzelhändlern. Oft nutze er auch Angebote, etwa für auslaufende Sets. Nur selten kaufe er Produkte direkt bei Playmobil. „Dann kaufe ich zum Beispiel 100 Frösche und 100 Schmetterlinge, da können schon hohe Summen zusammenkommen, dann bekomme ich Mengenrabatt“, sagt Schaffer, der seit drei Jahren offizieller Playmobil-Markenbotschafter ist.
Für sein ganzes Playmobil hat er in Kiel ein 200 Quadratmeter großes Lager angemietet. Dort ständen fast 1000 Kisten mit einem Volumen von jeweils 130 Litern. Wenn man Playmobil einigermaßen gut pflege und es nicht der prallen Sonne oder schimmeligen Kellern aussetze, halte das Spielzeug ewig, sagt Schaffer.
Schaffer verwendet in seinen Ausstellungen fast ausschließlich Playmobil, ansonsten arbeitet er mit Naturmaterialien. „Ästhetisch gehe ich quasi mit dem Look der Playmobil-Kataloge der Siebziger- und Achtzigerjahre. Da hat Playmobil selbst mit Moos, Steinen und anderen Naturmaterialien dekoriert.“ Er verwendet aber kein Holz, um daraus Häuser zu bauen. „Das wäre ja Modellbau. Manches geht dann eben einfach nicht, zum Beispiel eine Renaissancekirche, weil es solche Teile von Playmobil nicht gibt.“ Bei Lego könne man aus einem Haufen Steine alles bauen; bei Playmobil müsse man sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegen. „Aber das macht mir gerade Spaß: ein bisschen römische Arena, ein bisschen Mittelalter, ein bisschen Scooby-Doo – daraus mache ich dann die Paulskirche.“
Wie viel Geld er für eine Ausstellung bekomme, hänge unter anderem von der Größe des Museums sowie der Größe und Dauer der Ausstellung ab. „Ich bin weg von einer 500-Euro-Unkostenpauschale, aber es ist auch nicht so, dass ich pro Ausstellung 200.000 bis 300.000 Euro bekomme. Da weiß ich, dass es Lego-certified collectors gibt, die teilweise so viel bekommen“, berichtet Schaffer. Je Ausstellung erhalte er Beträge im ein- oder zweistelligen Tausenderbereich. „Ich kann davon leben und viel Playmobil kaufen.“ Sein Jahresumsatz liege im niedrigen sechsstelligen Bereich.
Playmobil-Ausstellungen zögen oft besonders viele Besucher an. „Das sind keine verkopften, schwierigen Ausstellungen, sondern Ausstellungen, die Spaß machen.“ Und auch die kritischsten Museumsmitarbeiter, die sich eine Playmobil-Ausstellung nicht hätten vorstellen können, kämen nach zwei bis drei Tagen auf ihn zu und seien begeistert. „Ich hatte noch nie jemanden, der davorstand und nicht irgendwie eine positive Emotion hatte“, sagt Schaffer. Für Kinder seien seine Ausstellungen meistens kostenlos, Erwachsene müssten in der Regel maximal zehn Euro zahlen.
Seine Ausstellungen entwickelt er stetig weiter. Während er vor zehn Jahren nur Ausstellungen vor Plexiglas gehabt habe, baue er nun Musik, Projektionen und Animationen ein. „In Speyer gibt es ab Oktober zum Beispiel 19 interaktive Räume, da kann man Playmobil nicht nur angucken, sondern auch richtig erleben.“