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Alles muss man selber machen

Der Bundesliga-Zweitligist FC St. Pauli war auf der Suche nach nachhaltig produzierter Kleidung. Doch er fand keinen Hersteller – nun stellt er seine Trikots selbst her.

F.A.Z.

1.06.2023

Lena Göttsche

Gymnasium Ohmoor, Hamburg

Der  Bundesliga-Zweitligist FC St. Pauli stellt seine Trikots selbst her. Dafür hat der Verein den Hersteller DIIY gegründet. Damit ist  man nach eigenen Angaben im Profifußball der einzige Hersteller, der die Trikots ausschließlich nachhaltig produziert.  Nach zwei Jahren Planung und Verhandlungen ging im Juni 2021  die fair produzierte Trainingskollektion in den Verkauf. Der Verein hatte lange nach Partnern gesucht, die in der Lage sein sollten, die Trikots nach den gewünschten Standards zu produzieren; es ging zum Beispiel um  recycelten Kunststoff, Bio-Baumwolle und zertifizierte Materialien. Dem Verein wurde schnell   klar, dass er die Trikots selbst herstellen muss, nach dem  selbst gewählten Motto: „Alles muss man selber machen.“ So kam auch der Name DIIY zustande: Do it Yourself.  DIIY ist Teil der Merchandising GmbH; die  Umsätze betrugen  2022  laut Bernd von Geldern, Geschäftsleiter im Bereich Wirtschaft des FC St. Pauli,  rund 2 Millionen Euro. 

Nach seinen Angaben  sind  die Kosten für die nachhaltigen Produkte rund 25 Prozent höher.  Allerdings fallen nun  Geldbeträge, die an die Ausstatter der Vereine gezahlt werden, weg. Deshalb kann der FC St. Pauli die Trikots trotzdem  zu fairen Preisen in seinem  Onlineshop anbieten.  „Nachhaltigkeit wäre auch, keine T-Shirts mehr zu verkaufen, aber wir haben im Merchandising über hundert Leute be­schäftigt, die sich darauf verlassen, dass wir ein guter Arbeitgeber sind“, sagt von Geldern.  Man müsse auch Geld verdienen, um einen größeren Ausstattervertrag  ersetzen zu können, heißt es auf der Internetseite von DIIY. Ein Ausstattervertrag bringe einen siebenstelligen Betrag für den Verein ein, berichtet von Geldern. 

Im vergangenen Jahr wurden rund 60.000 Teile  aus der DIIY-Kollektion verkauft. Am wichtigsten waren die Trikots. Es gibt die  Varianten „tailliert“ und „nicht-tailliert“.  Beide bezeichnet der  Verein als „unisex“, denn  er legt viel Wert darauf,  Geschlechterzuweisungen zu meiden und  seine Fans dazu zu ermutigen, das zu tragen, was sie selbst schön finden.

Die Trikots seien  so nachhaltig wie möglich produziert und mit  Gütesiegeln ausgezeichnet. So trägt  die „Totenkopf-Kollektion“  die  Siegel „GOTS – Global Organic Textile Standard“ und „Fairtrade Cotton“. Zudem werden  nach und nach alle Artikel  aussortiert,    die nicht dem vom FC St. Pauli festgelegten Minimum an Standards entsprechen.

Unter dem Namen DIIY gibt es auch    Jacken, Hosen und  Kapuzenpullover.  Um die Arbeitsbedingungen und  Zustände in den Produktionsstätten zu überprüfen, sind gelegentlich  Mitarbeiter des FC St. Pauli vor Ort. Neben der Nachhaltigkeit spielt  die Fairness in der Produktion eine große Rolle. Auf seiner Internetseite gibt der Verein an, den Mitarbeitern an den einzelnen Produktionsstätten  „Löhne weit über dem Mindestlohn“  zu zahlen.

Die Hauptproduktionsorte sind  in der Türkei und  Portugal, nur  die Jacken werden in China hergestellt, da sie viel Handarbeit benötigen und „die Produktion in Fernost unumgänglich ist, wenn die Jacken zu sozialverträglichen Preisen an­geboten werden sollen“. Auch die chinesischen Produktionsstätten hielten  nachweislich hohe ökologische und soziale Standards ein. Grundsätzlich stammen alle Stoffe und Zutaten  aus der jeweiligen Region. Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt beschafft werden,  tragen  Zertifikate wie  „GRS - Global Recycled Standard“. 

Der FC   St. Pauli lässt sich auch selbst kontrollieren.  Dafür ist er  im Frühjahr 2021 als bisher einziger Fußballverein der Fair Wear Foundation beigetreten. Es wird kontrolliert,  ob die Trikots wie angegeben aus  mindestens 50 Prozent recycelten Fa­sern bestehen, was dem Verein nach  eigenen Angaben schon  in der ersten Saison zu fast 100 Prozent gelungen ist. Im März 2023 bekam der FC St. Pauli  die Bewertung  „Good“. Während der Verein im Bereich des Austauschs mit anderen Un­ternehmen  sehr gut abschneidet, muss im Bereich der Einkaufspraktiken noch nachgebessert werden. „Viel läuft aus dem Bauch heraus schon gut und richtig, aber es fehlte bisher ein systemischer Ansatz, um Einkaufsentscheidungen auf Basis von sozialer Verantwortung zu treffen und zu überprüfen“, heißt es vom Verein. Um diese Anforderung in Zukunft umzusetzen, werde unter anderem an einer umfassenden Risikoanalyse gearbeitet.

Der FC St. Pauli könnte mit DIIY laut  Bernd von Geldern ein Vorbild für andere Fußballvereine werden. Er vermutet, dass  Nachhaltigkeit  zu einem Kernthema im Profifußball werden wird. „Für Fußballvereine ist es essenziell, Fans anzusprechen, da sie mitgliedergeführt sind.“  

 Von Geldern kann sich auch Kooperationen mit anderen Fußballvereinen vorstellen. Dabei denkt er  eher an kleinere Klubs als an Profivereine, weil   St. Pauli nicht bereit sei, Sponsorengelder zu zahlen und somit als Ausstatter zu agieren. Kleinere Vereine   sind derzeit mit DIIY im Gespräch. Zu ihnen  zählt der Eimsbütteler Turnverband (ETV), ein Sportverein aus Hamburg; er erwägt, seine Trikots ab 2025 von DIIY   produzieren zu lassen. „Grundlegende Faktoren in unserer Entscheidungsfindung waren zum einen die Nachhaltigkeit und zum anderen die gute Qualität, die DIIY gewährleistet“, berichtet Jasper Hölscher,  Koordinator im Bereich Fußball im ETV.

Von Geldern sieht weitere Umweltpro­bleme  im Profifußball: „Es ist  eine ökologische Schande, das Stadion für nur 17 Heimspiele in der Saison vorzuhalten, da an den Spieltagen sehr viel Müll entsteht und der Rasen sehr intensiv gepflegt werden muss.“ Jeder  Verein müsse das so gut es geht kompensieren.  Der  FC St. Pauli wolle  den Müll an den Spieltagen  reduzieren und bewirke mit den nachhaltigen Trikots einen Ausgleich. Der Fußballverein, der für soziales Engagement bekannt ist, hat  die erste Kollektion von DIIY zudem dazu genutzt, ein soziales Zeichen zu setzen: Sie ließen die Auswärtstrikots mit „Kein Fußball den Faschisten“ bedrucken.

 

Zur Veröfffentlichung in der F.A.Z

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