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Zeit läuft buchstäblich ab

Bei zwei Schwaben ticken die Uhren anders

F.A.Z.

8.01.2015

Aileen Heselich

Rosenstein-Gymnasium, Heubach

Eine Welt ohne Uhrzeit ist unvorstellbar. Von der Sonnenuhr über die Wasser- und Sanduhr zur mechanischen Uhr mit Uhrwerk, weiter zur Pendel- und Taschenuhr bis hin zur heutigen Automatikuhr mit Zifferblatt oder Digitalanzeige – 2009 fassten dann Marco Biegert und Andreas Funk, zwei umtriebige Geschäftsleute aus Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis, die Uhrzeit in Worte. Qlocktwo heißt die Wortuhr, die Biegert, im Nebenjob Sänger einer Rockband, und Funk erfunden haben. Auf dem „Wortuhrenmarkt“, so Funk, seien sie bislang das einzige Unternehmen. Hinter dieser so simpel erscheinenden Idee stecken viel Technik und Design.

Die knapp 40 Jahre alten Geschäftsführer sind beste Freunde seit ihrer Kindheit. Gemeinsam gründeten sie Unternehmen verschiedener Art, führten eine Werbeagentur und beschäftigten sich mit der Entwicklung eigener Produkte. Inspiriert von der alltäglichen Aussprache der Uhrzeit in Worten, setzten sie auf das Prinzip der Wortuhr. Sie entwickelten einen Prototyp und hängten ihn in ihrer Agentur auf. Die Kunden waren begeistert und wollten die Uhr kaufen. So fertigten Biegert und Funk in Handarbeit und in kleinen Auflagen in einer ehemaligen Schmuckfabrik selbst Wortuhren an. Als die Nachfrage wuchs, gründeten sie 2009 die Biegert&Funk GmbH & Co. KG. Das Startkapital entnahmen sie aus dem Gewinn ihrer Werbeagentur.

Qlocktwo heißt die Uhr, weil der Anfangsbuchstabe Q den Namen unverwechselbar machen soll, und die Endsilbe two steht für die zweite selbsterfundene Uhr der beiden. Die Uhr gibt die Uhrzeit so an, wie Menschen miteinander sprechen. Jede fünf Minuten wird die Uhrzeit in Worten dargestellt. Die Sekunden können auf Knopfdruck als große Zahl abgelesen werden. Die Qlocktwo Classic, mit der alles begann, ist 45 mal 45 Zentimeter groß, es gibt die Qlocktwo auch 90 mal 90 Zentimeter. Je nach Design und Größe kostet die Wanduhr zwischen 985 und 8000 Euro. Die Frontplatte besteht meistens aus farbigem Acrylglas oder Edelstahl, manchmal ist sie auch mit Blattgold überzogen, und es gibt auch eine Rostedition.

Die Qlocktwo ist in dreizehn Sprachen erhältlich, wobei die Frontplatte je nach Sprache erstellt werden muss. Jährlich kommen zwei neue Sprachen hinzu. Arabisch, Berndütsch, Deutsch, Dänisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Russisch, Schwedisch und Türkisch sind vorhanden. Eine Herausforderung sei die Anordnung der Buchstaben und Wörter im Russischen gewesen, da die russischen Wörter sehr lang sind und insgesamt nur 110 Buchstaben zur Verfügung stehen. Aussichtslos ist Finnisch. Bei Wörtern wie „neljänneksellä“, was „Viertel“ bedeutet, ist es unmöglich, die Uhrzeit in Finnisch zu fassen; schon dieses eine Wort überschreitet eine ganze Buchstabenreihe der Matrix. Bei der deutschsprachigen Version kann unterschieden werden zwischen Süddeutsch – „Es ist drei viertel fünf“ – und Norddeutsch – „Es ist Viertel vor fünf“. „Es isch drei viertel fünfe“ heißt es auf der schwäbischen Qlocktwo.

Biegert und Funk entwickelten außerdem eine Wortuhr, die Japanisch, Chinesisch und Koreanisch beherrscht. Sie besteht aus nur 25 Zeichen, anders als die Uhr der anderen Sprachen, die ganze 110 Buchstaben aufs Zifferblatt bringt. 2014 entwickelten die beiden angesichts der großen Unabhängigkeitsdebatte eine Qlocktwo, die Katalanisch beherrscht und die Farben der rot-gelb gestreiften Flagge trägt. Es gibt die Qlocktwo auch als Uhr fürs Handgelenk und als kleine Tischuhr mit Alarmfunktion. Mit der Qlocktwo haben Biegert und Funk zwanzig internationale Designpreise gewonnen.

Die hochwertigen Materialien für die Uhr werden hauptsächlich in Deutschland hergestellt. Nur die Netzgeräte und USB-Stecker werden aus dem Ausland importiert. Die Materialien werden in der näheren Umgebung von Schreinern und Künstlern in Handarbeit bearbeitet. Die Produktion einer Uhr kann von einer halben bis zu zwei Stunden dauern, bei aufwendigem Design auch Tage.

Mit 35 Mitarbeitern beliefert Biegert & Funk den Weltmarkt. Das Unternehmen verkauft rund 15 000 Qlocktwo im Jahr, die Hälfte wird exportiert. Im Ranking der Exportländer führt die Schweiz, mit oben dabei sind Frankreich, Belgien und die skandinavischen Länder. Es wird auch über den Atlantik exportiert, die Ausfuhr in die Vereinigten Staaten wächst. Der Umsatz sei stetig gestiegen, 2013 betrug er rund 7 Millionen Euro. Auch für 2014 wurde eine weitere Steigerung erwartet. In diesem Jahr soll die Qlocktwo auch in Australien verkauft werden.

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