Ob im Fußboden, in der wetterfesten Regenjacke, im Smartphone, als Folie über dem Aufschnitt oder gar in der Zahncreme: Kunststoffe sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Basis für Kunststoffe bildet zumeist Erdöl, in dem klimaschädliches Kohlendioxid steckt. Außerdem landen jährlich fast 7 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen. Wie lassen sich diese Umweltprobleme lösen, ohne auf Kunststoff verzichten zu müssen? Einige meinen: mit Biokunststoff. „Einerseits werden darunter Kunststoffe verstanden, die biologisch abbaubar sind. Andererseits werden auch Kunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind, als Biokunststoffe bezeichnet, wenn sie aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen“, erklärt Christoph Heß, Leiter Forschung und Entwicklung des Biokunststoffherstellers Biotec Biologische Naturverpackungen GmbH & Co. KG.
Derzeit ist der Markt noch klein. „Biokunststoffe machen weniger als ein Prozent der jährlich produzierten Kunststoffmenge von rund 300 Millionen Tonnen aus“, berichtet Hasso von Pogrell, Leiter des Branchenverbandes European Bioplastics e.V. in Berlin. Allerdings verzeichne die Branche ein starkes Wachstum: Für 2018 sagt der Verband eine Vervierfachung der auf der Welt hergestellten Menge voraus, von derzeit rund 1,6 Millionen Tonnen auf etwa 6,7 Millionen Tonnen.
Biotec hat seinen Sitz in Emmerich am Rhein und beschäftigt 35 Mitarbeiter. Gegründet wurde das Unternehmen 1992 von der Melitta-Gruppe. Man entwickelte den ersten biologisch abbaubaren und kompostierbaren Beutel für die Sammlung von Bioabfällen. Das Unternehmen produziert biobasierte, bioabbaubare und kompostierbare Werkstoffe unter dem Markennamen Bioplast. Nach eigenen Angaben gehört man zu den fünf auf der Welt führenden Unternehmen in der Herstellung von Biokunststoffen. Biotec setzt auf Kartoffelstärke als natürliche Basis. „Die Kartoffelstärke mischen wir mit weiteren Biopolymeren“, erklärt Heß. „Auch setzen wir einen Polyester ein, der zwar biologisch abbaubar ist, jedoch aus Erdöl hergestellt wird. Diesen und andere fossile Rohstoffe versuchen wir durch biobasierte Alternativen zu ersetzen.“
Mit einer Produktionskapazität von mehr als 25 000 Tonnen Biokunststoff erwirtschaftet Biotec einen Jahresumsatz von gut 20 Millionen Euro. „Unsere Kunden verarbeiten Bioplast zu flexiblen oder festen Verpackungen“, berichtet Geschäftsführer Peter Brunk. Im Allgemeinen seien die Kosten für Biokunststoffe um den Faktor 1,5 bis 2,5 höher. Die Lücke werde sich in den kommenden Jahren aber zunehmend schließen, ist Pogrell überzeugt.
Doch es gibt auch Kritik. So vertritt das Umweltbundesamt die Position, dass biologisch abbaubare Kunststoffe keinen ökologischen Vorteil böten. Zwar verringerten sich der CO2-Ausstoß und der Erdölverbrauch, auf der anderen Seite versauerten Böden, und es gelangten zu viele Nährstoffe in Gewässer. Andere beklagen eine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion, denn in der Produktion werden Kulturpflanzen wie Mais, Zuckerrüben, Maniok und Zuckerrohr eingesetzt.
Pogrell hält dagegen. Die Branche sei für eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion noch viel zu klein. Von der auf der Welt genutzten Landwirtschaftsfläche verbrauche sie weniger als 0,01 Prozent. Hinzu komme, dass aus einer Pflanze Grundstoffe für mehrere Produkte gewonnen werden könnten, also beispielsweise Nahrungs- und Futtermittel sowie Biokunststoffe gleichzeitig.
Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen komme es oft zu einem Missverständnis. „Biologisch abbaubar heißt nicht automatisch, dass sich das Produkt sofort zersetzt, sobald es weggeworfen wurde. Biologische Abbaubarkeit darf nicht missverstanden werden als eine Aufforderung zum achtlosen Wegwerfen“, sagt Pogrell. Sie sei ein sinnvoller Zusatznutzen: Produkte würden so entwickelt, dass sie in der Biotonne gesammelt und anschließend in einer industriellen Kompostanlage verwertet werden könnten, und zwar unter genau definierten Bedingungen.