Viele Menschen sind schon einmal Achterbahn gefahren; aber während der Fahrt mit Hilfe einer VR-Brille in eine ganz andere Welt einzutauchen, das ist noch etwas Besonderes. Die VR Coaster GmbH & Co. KG aus Kaiserslautern ermöglicht dieses Erlebnis. Für Freifalltürme und Achterbahnen hat man eine „Virtual Reality“-Technik entwickelt. Der Geschäftsführer und Professor an der Hochschule Kaiserslautern, Thomas Wagner, wollte 2012 das VR-Erlebnis mit einer wirklichen Achterbahn synchronisieren und kontaktierte den Achterbahnhersteller Mack Rides GmbH und Co. KG. „Die Familie Mack, Besitzerin des Europa-Parks in Rust, ermöglichte es uns, im Jahr 2014 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf Achterbahnen unser Projekt geheim zu testen“, erzählt Wagner. Im Anschluss sei das Patent angemeldet worden.
Als es dann die ersten mobilen VR-Brillen gab, konnten auch die technischen Probleme gelöst werden. Nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem erstmals eine Achterbahnfahrt mit VR-Brillen zu sehen war, erhielt das Unternehmen viele Anfragen von Freizeitparks. Schließlich gründete Wagner im Mai 2015 gemeinsam mit Mack Rides und Michael Mack VR Coaster. Aus dem Studentenprojekt wurde ein Unternehmen mit derzeit rund zwanzig Mitarbeitern.
Jeder Fahrgast trage während der gesamten Achterbahnfahrt eine VR-Brille, erklärt Jakob Krumke; der Schüler hat die neue Technik ausprobiert. Die Brille ermöglicht einen Rundumblick auf das dreidimensional animierte Erlebnis, denn sie erfasst jede Kopfbewegung und passt das Bild an diese an. Die genaue Synchronisation der Fahrt mit der Simulation verhindert Übelkeit. „Da man die Bewegungen in der Animation gleichzeitig selbst wahrnimmt, erhält man als Gast das Gefühl, körperlich in dieser anderen virtuellen Umgebung präsent zu sein“, sagt Krumke. Man wird mitgenommen in eine Welt, in der man fliegend Feinde bekämpft, in einem Raumschiff das Weltall erkundet, von Monstern angegriffen wird oder ein Gebäude hinunterstürzt. Begleitet wird man oftmals von bekannten Figuren wie Paddington und Superman.
„Eine solche Fahrt ist in manchen Freizeitparks eine Inklusivleistung, und in anderen Parks wird eine Gebühr verlangt“, berichtet die Assistentin der Geschäftsführung, Dorothea Spies. Die erste mit VR-Technik ausgestattete Achterbahn befindet sich Wagner zufolge im Europa-Park. VR Coaster kooperiert meistens mit seinen Partnern Mack Rides und Emis Electrics, die für die technischen und elektronischen Aspekte verantwortlich sind. Bis Ende 2017 hatte VR Coaster nach Wagners Angaben 65 Anlagen in vierzig Freizeitparks auf der Welt ausgestattet, zum Beispiel Arkham Asylum in der Warner Bros. Movie World in Oxenford im australischen Bundesstaat Queensland und The Great Lego Race im Legoland Malaysia Resort. Man sei Weltmarktführer. „99 Prozent aller Achterbahnattraktionen, die mit Virtual Reality ausgestattet sind, kommen von uns“, sagt Wagner. Konkurrenzunternehmen scheiterten am mangelnden Einblick in den Freizeitparkmarkt. VR Coaster kenne sich hingegen sehr gut mit Achterbahnen und deren Bedienung aus. Hilfreich ist dabei auch das Patent, das das Unternehmen für die Märkte in Europa und den Vereinigten Staaten hält. „Selbstverständlich gibt es Firmen, die versucht haben, das Patent zu Fall zu bringen; diese wurden dann von uns lizenziert“, berichtet Dorothea Spies.
Das Erlebnis werde für jeden Kunden je nach Achterbahn und Choreographie neu gestaltet, erläutert Wagner. Hierzu müssen Figuren gezeichnet, modelliert und animiert werden. Oft werden schon existierende 3-D-Modelle genutzt. Das Recht dazu erwirbt VR Coaster von Agenturen, die diese Figuren, beispielsweise Batman, besitzen. Danach wird das VR-Erlebnis programmiert, und es entsteht eine Hardware für die Achterbahnen, die ständig mit den VR-Brillen über Funk in Kontakt ist. So kann eine auf die Bewegungen abgestimmte Animation einschließlich passender Soundeffekte garantiert werden.
Die Kosten für die Ausstattung einer Achterbahn beginnen bei 100000 Euro. „Es gab allerdings auch Anlagen, die etwa 500000 Euro gekostet haben“, berichtet Wagner. Viele Kunden wollen Darstellungen echter Welten und Städte. Aber auch Weltraum- und Science-Fiction-Kulissen sind beliebt. 2017 stieg das Interesse an künstlerisch geprägten sowie abstrakten Animationen. Man fertigte zum Beispiel ein VR-Erlebnis im Stile asiatischer Tuschezeichnungen an.
Die physikalischen Kräfte wirken nach Unternehmensangaben bei den meisten Attraktionen nicht so stark, dass die Headsets herunterfallen könnten. Außerdem sind die Brillen mit Gurten ausgestattet. Bisher ist es laut Dorothea Spies zu keinen Unfällen gekommen.
Derzeit nutzt VR Coaster vorwiegend eine VR-Brille des südkoreanischen Unternehmens Samsung; doch man entwickelt gerade ein eigenes Headset, das von diesem März an in den ersten Freizeitparks verwendet werden soll. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 7 Millionen Euro erwirtschaftet. Man rechnet fest damit, dass der Trend zu Virtual Reality auf Achterbahnen weitergehen wird.