Zwanzig Meter vor dem Tor, der Schütze legt sich den Ball zurecht: Freistoß. Die gegnerische Mannschaft baut eine Mauer. Sie besteht aus fünf Spielern, denen der Schiedsrichter bedeutet, den im Regelwerk festgeschriebenen Abstand einzuhalten; er beträgt 9,15 Meter. Dann entfernt sich der Schiedsrichter, und die Mauer wird lebendig und bewegt sich in Richtung des Freistoßschützen, um den Abstand zu verringern und damit die Chance auf einen erfolgreichen Torschuss.
Dies gelang oft, weil sich die Mauer unauffällig bewegte. Der Schiedsrichter, der das Gesamtbild im Blick haben musste, konnte den Abstand nicht klar erkennen. Spätestens seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien kennen fast alle Fußballfans das Freistoßspray; mit ihm wird bei 9,15 Metern eine Linie gesetzt. Die Anforderungen bei seiner Entwicklung waren: Es musste auf Rasen einsetzbar und gut sichtbar sein; und es musste nach dem Ende der Freistoßsituation verschwunden sein. In Deutschland wird ein solches Spray seit Januar 2015 in allen Profiligen auf den Rasen gebracht. Bewirken soll es mehr Fairness und weniger Gerangel. Anfangs tobte eine Debatte um den Schaum.
Hierzulande ist der offizielle Hersteller für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Schweizer-Effax GmbH aus Nordwalde in Nordrhein-Westfalen. Zur Marke Sport Lavit gehört neben vielen Sportpflegeprodukten das Freistoßspray „Ref Foam“. Nachdem das Spray „9-15 fair play limit“ eines argentinischen Herstellers wegen gefährlicher Inhaltsstoffe in EU-Ländern nicht zugelassen worden war, entschied sich der DFB für Ref Foam. Das Spray wird nicht nur in Deutschland genutzt, sondern in acht weiteren Ländern. Dazu zählen Wales, Frankreich, die Slowakei, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate, wie Lambert Hettlich berichtet, Verkaufsleiter von Schweizer-Effax. Der DFB sei aber der größte Abnehmer der 20000 Schaumdosen, die bisher vertrieben worden seien.
Nach DFB-Angaben ist das Spray seit der Einführung von Freistoßsprays im deutschen Fußball in allen Spielen der nationalen Profiligen angewendet worden. Auf Landesebene haben es bisher nur der bayerische und der nordwestdeutsche Landesverband in den Spielalltag aufgenommen. „Da ist sicherlich noch Entwicklungsbedarf“, sagt Hettlich. Dies liege vor allem daran, dass die Bestimmungen für den Gebrauch des Schaums streng geregelt seien. Wenn sich ein Landesverband für das Freistoßspray entscheide, müsse es in allen Spielen eingesetzt und in den Regularien festgelegt werden. Laut Hettlich hat das einen bestimmten Grund: „Wir müssen schon davon ausgehen, dass dieses Produkt das Spiel beeinflusst.“ Dabei bezieht sich Hettlich auf eine Studie aus dem Jahr 2015, in der eine deutlich höhere Trefferquote bei direkten Freistößen festgestellt wurde, wenn der Schiedsrichter den einzuhaltenden Abstand von 9,15 Metern klar markiert und es kein Gedrängel in Richtung Schützen gibt.
Die Funktionsweise des Sprays ist simpel. Der weiße Strich auf dem Rasen ist ein Schaum, der auf einer wässrigen Tensidlösung basiert, im Aufbau ist er Rasierschaum ähnlich. Er wird durch das Druckgas in der Flasche aufgeschäumt und kann dank zugefügter Substanzen, die den Schaum stabiler machen, eine sichtbare Linie auf dem Rasen erzeugen. Nach etwa 90 Sekunden zerfällt er zu 100 Prozent in biologisch abbaubare Materialien.
Schweizer-Effax gehört als eines von vier Unternehmen der Eimermacher-Gruppe an. Man beschäftigt am Firmensitz in Nordwalde mehr als 220 Mitarbeiter, die unternehmensübergreifend arbeiten. Laut Hettlich erzielte Schweizer-Effax im vergangenen Jahr einen Umsatz zwischen 6 und 7 Millionen Euro. Seit der Gründung im Jahr 1906 rüstet die chemische Fabrik Sportler, anfangs vor allem im Reitsport, aus. Fokussiert hat man sich früher insbesondere auf Leder- und Hufpflege. Mit den Marken Effax, Effol, Jockey und Hey Sport ist das Unternehmen darüber hinaus offizieller Ausrüster des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei.
Die Idee, ein Freistoßspray herzustellen, kam dem Chefentwickler während eines Spiels der Weltmeisterschaft 2014. Der Anstoß kam laut Hettlich aus einer privaten Runde. Freunde sagten dem Chefentwickler, er „als Schaumschläger“ könne das auch. Beim U-17-Worldcup 2015 in Chile testeten die Schiedsrichter drei Freistoßsprays der bekanntesten Hersteller. Alle bis auf einen Schiedsrichter hätten Ref Foam zum besten und benutzerfreundlichsten Produkt gekürt, sagt Hettlich. Auch die Schiedsrichter des DFB seien mit dem Produkt zufrieden, heißt es vom DFB.
Am Umsatz habe das Spray bisher einen Anteil von 10 Prozent, berichtet Hettlich. Doch das Geschäft mit dem Schaum wachse stetig. „Man kann sagen, dass sich die Zahlen jedes Jahr mehr als verdoppelt haben.“ Die Preisempfehlung für eine Dose Ref Foam ist rund 12 Euro. Diese enthält 125 Milliliter und kann bis zu 15 Meter Linie erzeugen.