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Was für ein Riesentheater um junge Leute

Das Junge Theater Bonn ist das bestbesuchte Jugendtheater Deutschlands. Mit seinen Inszenierungen trifft es den Geschmack des Publikums.

F.A.Z.

2.11.2017

Fabienne Hering

Berufskolleg Siegburg, Siegburg

Wir denken unser Theater konsequent aus der Sicht unseres Publikums“, sagt Moritz Seibert, der Intendant des Jungen Theaters Bonn (JTB). „Welche Geschichten wollen die Besucher sehen? Wie müssen wir diese Geschichten erzählen, damit sie möglichst alle Besucher begeistern? Wie machen wir es unserem Publikum so leicht wie möglich, Karten für unsere Vorstellungen zu buchen, und was müssen wir um den Theaterbesuch herum anbieten, damit die Menschen sich bei uns wohl fühlen?“ Als Seibert 2003 die Leitung übernahm, stand das private Theater kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Heute gilt es nach Seibert als das erfolgreichste Jugendtheater Deutschlands, mit einem Umsatz von 1,1 Millionen Euro im Jahr 2016. Fast 810000 Euro stammten aus dem Kartenverkauf.

Das Theater müsse, verglichen mit anderen Jugendtheatern, mit den geringsten Zuschüssen in Deutschland auskommen, sagt der Intendant. Das erschwere den Vergleich mit anderen Häusern. Bei gleichbleibenden öffentlichen Mitteln von 180000 Euro im Jahr habe man die Zuschüsse je Karte von 1,43 Euro im Jahr 2011 auf 1,18 Euro im Jahr 2016 gesenkt. In der vergangenen Spielzeit gab es 457 Vorstellungen, es wurden 152000 Tickets verkauft; die Auslastung betrug 86 Prozent. Das war ein Rekord. Und man war nach eigenen Angaben zum neunten Mal in Folge das bestbesuchte Kinder- und Jugendtheater Deutschlands.

Zum Erfolg des Bonner Theaters haben Investitionen beigetragen, zum Beispiel in die Bühnen- und Sicherheitstechnik sowie in die Verschönerung des Zuschauerraums. Dabei gewann man auch Unternehmen als Sponsoren. Elisabeth Einecke-Klövekorn, die Vorsitzende der Theatergemeinde Bonn, sagt: „Inzwischen stehen die Spender und Sponsoren fast schon Schlange, um sich mit diesem tollen Projekt zu schmücken.“ Vor allem hat zum Erfolg beigetragen, dass man Uraufführungsrechte für Bühnenfassungen erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchklassiker bekam und mit den Inszenierung den Geschmack des Publikums traf, wie Zuschauerkommentare im Besucheralbum und auf Facebook zeigen.

Ein Meilenstein war die Uraufführung „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke 2004. „Das war eine Riesensensation, dass wir als Allererste dieses Stück aufführen durften“, erzählt Seibert. Die weltbekannte Autorin überließ nach der von ihr besichtigten Uraufführung dem Theater auch die Rechte für die Musical-Bearbeitung ihrer Tintenherz-Trilogie. Die lief in ihrer ersten Spielzeit achtzigmal vor ausverkauftem Haus. Seibert hat auch den ersten Roman der Fünf-Freunde-Serie von Enid Blyton erstmalig für die Bühne bearbeitet. Der Intendant ist stolz, dass sein Theater angesichts der internationalen Konkurrenz die Aufführungsrechte bekam. Die rund zwanzig festangestellten Mitarbeiter produzieren jedes Jahr sechs neue Stücke. Die Inszenierungen des JTB sind auch in großen Theatern in München, Berlin und Hamburg zu sehen.

Ein weiteres herausragendes Merkmal des Theaters ist das „Bonner Modell“: Kinderrollen werden mit jungen Darstellern besetzt. Deshalb gibt es seit 2002 die JTB-Werkstatt, die größte Schauspielschule für Kinder und Jugendliche in Deutschland. „Diese Arbeitsweise ist in den Vereinigten Staaten üblich, macht das Junge Theater aber hierzulande zu einem Exoten“, betont Seibert. „In vielen Stücken wirken Kinder oder Jugendliche aus unserem Nachwuchsensemble in großen Rollen mit.“ Ein Vorteil: Dem jungen Publikum erleichtere das die Identifikation.

Claudia Lüth, die Jugendreferentin der Theatergemeinde Bonn, sieht in einem Theaterbesuch große Vorteile: „Kinder und Jugendliche haben im Theater die Möglichkeit, durch das direkte Erleben ganz andere, intensivere Erfahrungen zu machen als zum Beispiel im Kino. Sie sehen die Schauspieler live auf der Bühne, entdecken, wie Kulissen, Requisiten, Ton und Licht oder auch Figuren und Objekte eine Welt erschaffen, die Raum für Phantasie lässt.“

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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