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Über jede Niederlage muss Gras wachsen

Rollrasen ist eine Wissenschaft für sich. Darüber weiß der deutsche Marktführer Peiffer einiges zu berichten. Seine Produkte liegen in 11 von 18 Stadien der Fußball-Bundesliga.

F.A.Z.

16.03.2018

Daniela Müller-Trefzer

Wentzinger-Gymnasium, Freiburg

Rollrasen ist eine Wissenschaft für sich. Darüber weiß der deutsche Marktführer Peiffer einiges zu berichten. Seine Produkte liegen in 11 von 18 Stadien der Fußball- Bundesliga.

Die Sonne ist untergegangen über München, die Allianz Arena liegt im Mondschein. Das Flutlicht beleuchtet die Rasenfläche. Zwölf Mitarbeiter der Peter Peiffer GmbH sind mit ihren Maschinen unterwegs. In zweitägiger Arbeit haben sie knapp 8000 Quadratmeter Rasen abgeschält und 450 Rollen Fertigrasen mit jeweils einer Tonne Gewicht ausgerollt. "In diesen Situationen lernt man seinen Beruf lieben." Arnd Peiffer, einer der Geschäftsführer des Unternehmens mit Hauptsitz in Willich nahe Düsseldorf, schwelgt in Erinnerungen an das Projekt in dem Stadion, in dem der deutsche Fußballmeister Bayern München seine Heimspiele bestreitet.

Seit 1973 produziert das in dritter Generation geführte Familienunternehmen Rollrasen. Dieser liegt in 11 von 18 Stadien der Ersten Bundesliga, wie Peiffer berichtet. Die Branche der Rollrasenhersteller für Sportplätze in Deutschland teilen sich laut Martin Bocksch, Verbandsreferent des Deutschen Rollrasen Verbandes, im Wesentlichen acht Unternehmen. Dabei sind die Schwab GmbH bei Ingolstadt und die Büchner Fertigrasen- Kulturen nahe Darmstadt die größten Konkurrenten von Peiffer.

Peiffer ist der Marktführer. Nach eigenen Angaben beherrscht man etwa die Hälfte des deutschen Markts. Nach Bockschs Aussage ist es das einzige deutsche Fertigrasenunternehmen, das in ganz Europa aktiv ist. Zu den Kunden zählen auch internationale Fußballvereine. So findet man im Santiago-Bernabéu- Stadion in Madrid und im Camp Nou in Barcelona Rollrasen vom Niederrhein, ebenso im Old Trafford, dem Stadion von Manchester United. Weiter entfernte Ziele lehne man jedoch ab. Da man den Rasen stets selbst verlege, müssten die Mitarbeiter zu weite Wege zurücklegen.

Seit Gründung des Unternehmens ist die Anzahl der Mitarbeiter kontinuierlich auf inzwischen mehr als fünfzig gestiegen. Sie arbeiten das ganze Jahr über. In der Vegetationsperiode wird ausgesät; während der Wachstumsphase muss der Rasen regelmäßig gemäht, gestriegelt und gedüngt werden. Beim Striegeln werden tote Gräser und Unkräuter ausgekämmt, wodurch der Rasen dichter und strapazierfähiger wird. Im Winter wird er nicht behandelt. "Sind die Gräser gefroren, brechen sie leichter ab, und natürlich werden beim Striegeln auch grüne Gräser mit ausgekämmt. Die wachsen im Winter nicht nach, unser Rasen würde also immer dünner", erklärt Peiffer. Geerntet werden kann der mindestens einjährige Rasen aber auch im Winter, außer bei Frost und Schnee, da der gefrorene Boden beim Aufrollen brechen und der Rasen zerstört werden könnte.

Die intensive Pflege ermöglicht zudem einen nur geringen Einsatz von Pestiziden, weil allein durch Striegeln und Mähen etwa 75 Prozent der Unkräuter absterben. "Ein hoher Pestizideinsatz liegt weder in unserem Interesse noch in dem der Kunden", sagt Peiffer. Gerade in Privathaushalten darf der Rasen nicht belastet sein, damit zum Beispiel spielende Kinder nicht gefährdet werden. Deshalb wird er nur einmal direkt nach der Aussaat gegen Unkräuter und bei Bedarf auch gegen Pilze gespritzt; sie können nicht vollständig durch die mechanische Behandlung entfernt werden. Die häufige Bearbeitung stellt zudem einen wirksamen Schutz vor Maulwürfen, Wühlmäusen und Kaninchen dar. "Die mögen den Lärm nicht", erklärt Peiffer schmunzelnd.

Das Familienunternehmen bearbeitet etwa 310 Hektar Boden. Dies entspricht ungefähr der Fläche von 375 Sportplätzen, jedoch werden nur 75 Prozent mit Rasen bepflanzt. Die restlichen 25 Prozent liegen brach oder werden zum Anbau von Zuckerrüben, Mais und Ölrettich genutzt. Dies verhindert eine Monokultur und ermöglicht einen geringeren Einsatz von Düngemitteln. Nach Angaben von Bocksch vom Rollrasenverband baut Peiffer etwa 10 Prozent der in Deutschland bewirtschafteten Fertigrasenfläche an, achtmal mehr als ein durchschnittlicher deutscher Fertigrasenproduzent. Der Umsatz des Unternehmens ist stetig gewachsen und erreicht derzeit laut Peiffer rund 5 Millionen Euro im Jahr.

Peiffer bietet verschiedene Rasensorten an. Sie unterscheiden sich in Wachstum, Strapazierfähigkeit, Schattentoleranz und Pflegeaufwand. Man führt auch sieben selbstentwickelte Rasensorten, zum Beispiel Spezialrasen für Reit- und Tennisplätze als auch für große Veranstaltungen. Seit den siebziger Jahren wird Hybridrasen entwickelt, ein kunstfaserverstärkter Naturrasen. Bei der am weitesten verbreiteten Methode werden Kunstfasern in das Sand-Oberboden- Gemisch eingemischt. Das gibt den Wurzeln festeren Halt. Obwohl Hybridrasen widerstandsfähiger ist, ist er wegen fehlender Pflegesysteme noch nicht weit verbreitet. Er ist zudem erheblich teurer und härter als Naturrasen, wodurch das Verletzungsrisiko für die Sportler steigt. Der Anteil des verkauften Hybridrasens auf dem europäischen Markt liegt nach Angaben von Harald Nonn, dem Vorsitzenden der Deutschen Rasengesellschaft, bei nur 0,7 Prozent.

Peiffer bietet unterschiedliche Formate für jede Rasensorte an. Die Kleinrolle mit einem Quadratmeter Rasenfläche wiegt 15 bis 20 Kilogramm und kostet 2 bis 2,50 Euro. Sie kann noch von Hand verlegt werden und wird hauptsächlich im privaten Bereich bis zu einer Fläche von 1000 Quadratmetern verwendet. Die Mittel- und Großrollen müssen wegen ihres Gewichts maschinell verlegt werden. Trotz ihres Durchmessers von nur 1,2 Metern wiegt die Großrolle bei einer Rasenfläche von 18 Quadratmetern bis zu eine Tonne. Wegen des hohen Eigengewichts kann dieser Rasen direkt nach seiner Verlegung belastet werden. Vor allem in Stadien wird die Großrolle verwendet. Der Rasen von den kleineren Rollen muss dagegen geschont werden, um festwachsen zu können.

Fertigrasen wird auch als "Blockrasen" angeboten. Dieser ist nur etwa 0,2 Quadratmeter groß, wiegt jedoch wegen seiner großen Schäldicke ungefähr so viel wie eine Kleinrolle. Kleine, stark belastete Flächen wie der Fünfmeterraum eines Fußballfeldes können so ausgebessert werden und sind sofort wieder bespielbar.

Bis zu 100 000 Euro kostet die komplette Rasenerneuerung in einem Stadion ohne Transportkosten, berichtet Peiffer. Dabei wird der alte Rasen zunächst vom Boden abgeschält und anschließend geschreddert. Er kann als Muttererde wiederverwendet werden. Der Untergrund wird anschließend planiert, ein Sand-Oberboden- Gemisch aufgetragen und der neue Rasen ausgerollt.

Je nach Belastung und Witterung ist die Lebensdauer des Rasens sehr unterschiedlich. So kann bei starkem Regen oder Frost ein Spiel ausreichen, um die Rasenfläche zu zerstören. In der Esprit-Arena in Düsseldorf muss er nach Angaben des dortigen Facilitymanagements etwa dreimal im Jahr ausgetauscht werden. Bei guten Bedingungen und guter Pflege kann der Rasen jedoch auch so lange liegen bleiben, dass er von eingesätem Rasen nicht mehr zu unterscheiden ist. So muss er im Dreisamstadion in Freiburg laut Alfred Melcher, dem zuständigen Greenkeeper, nur etwa alle drei Jahre erneuert werden; auf dem Trainingsgelände liegt er nun schon seit mehr als zehn Jahren.

Etwa zwanzig Lastwagen werden benötigt, um den Rollrasen für ein Stadion zu transportieren. Bis zu zwölf Stunden darf die Auslieferung unabhängig von der Außentemperatur dauern, ehe die Rollen auf 3 bis 5 Grad temperiert werden müssen. Zu hohe Temperaturen im Innern der Rolle könnten Gärungsprozesse auslösen, die die Graspflanzen irreversibel schädigen. "Rasen ist ein Frischeprodukt. Das ist ein bisschen so wie mit Salat", erklärt Peiffer.

Zur Veröffentlichung in der F.A.Z.

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