Das Taschenverbot an deutschen Hochschulen halten viele Studenten für lächerlich. Man wolle damit unterbinden, dass sie essen, trinken und Bücher klauen, glauben sie. Irgendwo an einer Universität: Die wenigen Schließfächer sind belegt, und vor den Bibliotheken liegen zu einem Berg aufgehäuft Taschen. Alles, was man braucht, muss aus der Tasche genommen und durch die Gegend geschleppt werden. Auch die beiden ehemaligen Konstanzer Studenten Sümeyra und Hakan Omer Oglou, sie Wirtschaftspädagogin, er Wirtschaftsingenieur, litten unter dem Taschenverbot. Die durchsichtigen Tüten für 1,50 Euro hätten das Problem nicht wirklich gelöst.
„Eines Tages, während meiner Bachelorarbeit, hatte ich meinen mit Büchern vollgepackten Rucksack und meinen Laptop in die transparente Tüte der Bibliothek gesteckt“, erzählt Sümeyra Omer Oglou. Es war kalt, und es lag Schnee. „Als ich aus dem Bus gestiegen bin, ist die Tüte gerissen, und mein Laptop ist zu Boden gefallen.“ Ihr kam eine Idee: die Entwicklung einer von außen einsehbaren stabilen Tragetasche.
Der Prototyp, den Sümeyra und Hakan Omer Oglou am Eingang der Bibliothek testen lassen wollten, wurde allerdings sofort abgelehnt. Es habe geheißen, Taschen seien verboten. Sie wiesen darauf hin, dass die Tasche transparent sei wie die Tüte und einfach nur stabiler. Doch die Dame am Empfang habe geantwortet, es sei eine Tasche und die seien verboten. Nach einem Termin mit der Bibliotheksleitung wurde die Tasche dann doch zugelassen. Ihr Name ist Bibbag: Bib für Bibliothek und Bag für Tasche.
2009 gründeten die beiden in Konstanz das Unternehmen Puls2 UG. Im Oktober 2011 wurden die ersten Modelle an der Universität Konstanz verkauft. Inzwischen kooperiert das Unternehmen mit rund vierzig Bibliotheken in Deutschland. Vertrieben wird die Bibbag auch über Buchhandlungen an den Universitäten und seit neuestem über Amazon und Ebay.
„Die Studenten wollen zeigen, was sie in ihren Taschen tragen. Jede Tasche ist somit ein eigenes Kunstwerk“, sagt Hakan Omer Oglou. „Wir haben auch feststellen können, dass sich ganz tolle Liebesromanzen daraus entwickelt haben. Ein Student zum Beispiel hat sich in eine Studentin auf dem Campus verliebt und hat durch die Bibbag erfahren, dass sie Gesetzestexte dabei hat. Und so ist er in Juravorlesungen gegangen, um sie öfters zu sehen.“ Viele Studenten wollten zeigen, welch tolles Equipment sie hätten. Und wenn jemand nicht wolle, dass man in seine Tasche sehe, lege er einen Block vorne rein.
Gefertigt wird die Tasche von einem deutschen Unternehmen. Die Bibbags bestehen nach Angaben des Unternehmens zu einem Großteil aus PVC-Material, das im Schiffsbau eingesetzt wird. Bis auf die Gurte – echte Autogurte – und den Boden, der aus schwarzer Lkw-Plane besteht, ist die Tasche komplett einsehbar. Bezogen werden die Materialien aus Deutschland.
„Die meisten Bibbags werden zum Semesterbeginn und vor beziehungsweise während der Prüfungsphase verkauft. Dann verkaufen wir am Tag mehr als 20 bis 30 Taschen“, berichtet Sümeyra Omer Oglou. „Im Jahr haben wir einen Absatz von etwa 5000 bis 6000 Taschen.“ Man verkauft die Taschen auch in Österreich und der Schweiz. „Vereinzelt bekommen wir auch Bestellungen aus Italien und weiteren EU-Ländern. Es ist geplant, einen Vertrieb in England aufzubauen.“
Es gibt sechs Modelle. „Der Topseller ist das Modell Bibbag4ladies.“ Mit dem neuen Modell Bibbag4back habe man ein Rucksackmodell entworfen. Die Preise liegen zwischen 32 und 60 Euro. „Unsere Tasche soll ein Studentenleben lang halten und einer täglichen Extremnutzung standhalten.“
Charlotte Dietrich, eine 29 Jahre alte Promotionsstudentin in Regensburg, besitzt ihre Bibbag seit gut zwei Jahren. „Obwohl ich sie durchaus schwer belade, hält sie das bestens aus“, berichtet sie. Die Transparenz der Tasche sei kein Problem. „Mein Laptop steckt in einer Hülle, und meine Unterlagen halte ich nicht für so spektakulär und interessant.“